die Verdauung vorbereitet wurden. Die Folge war, daß der Verdauungsprozeß selbst rascher beendet
werden konnte. Dies h a tte zur Folge, daß Nahrungsaufnahme häufiger und daher reichlicher erfolgen
konnte. Dadurch erhielt das Blut eine reichlichere Zufuhr an Nahrungsstoffen. Dies war wieder
der Anlaß zu einem lebhafteren Stoffwechsel, der sich in lebhafterer Oxydation in den Körpergeweben
äußerte. Dazu war reichlichere Zufuhr von Sauerstoff nötig. Zu diesem Zweck mußte die Lunge
leistungsfähiger werden, die Atemfrequenz und Pulsfrequenz wurde höher, und im Zusammenhang
damit t r a t die vollständige Trennung der Herzkammern ein.
Die gesteigerte Oxydation verursachte Erhöhung der Körperwärme. Diese beschleunigte
aber gleichfalls die Verdauungstätigkeit und den Stoffwechsel, was wieder eine noch mehr gesteigerte
Oxydation und noch höhere Körperwärme m it all ihren Folgen veranlaßte, so daß auf diese Weise
m it Leichtigkeit das Optimum der Körperwärme erreicht werden konnte. Die Notwendigkeit,
weitere Steigerung zu verhüten und der große Vorteil, den das dauernde Festhalten am Optimum
der Körperwärme mit sich brachte, führte zu wirksamen Schutzeinrichtungen gegen Überwärmung
sowohl wie gegen Unterkühlung des Körpers. Diese bestanden in Aufspeicherung von F e tt und
Glykogen im Körper sowie in Ausbildung eines Haarkleides oder von Fettschichten u n te r der H aut
zum Schutz gegen Abkühlung einerseits, und in Ausbildung von Schweißdrüsen und gesteigerter
Atemfrequenz zum Schutz gegen Überwärmung andererseits.
Die auf diese Weise ermöglichte Homöothermie setz t die Säugetiere in Stand, verhältnismäßig
unabhängig gegenüber der Kälte zu sein und an jedem Ort der Erde, solange er genügend Nahrungsmittel
bietet, dauernd die volle Lebensintensität zu entfalten. Homöothermie is t jedenfalls auch
Vorbedingung für das Auftreten von Milchdrüsen.
Die ganze große K e tte dieser Erscheinungen, die das Säugetier gegenüber dem Reptil auszeichnet,
steh t in innigster Verbindung miteinander. Es is t anzunehmen, daß, nachdem einmal
der erste Schritt in dieser Richtung getan war, verhältnismäßig rasch alle die notwendigen Folgen
sich zeigten, die zusammen das fertige Säugetier darstellen. Die Entwicklung vom Reptil zum
Säugetier dürfte innerhalb eines verhältnismäßig kurzen geologischen Zeitraums erfolgt sein.
12. Entstehung der Vögel.
Mit der Warmblütigkeit hängt offenbar die Homöothermie unzertrennlich zusammen. Das
sehen wir an den Vögeln, deren Warmblütigkeit auf jeden Fall gänzlich unabhängig von den Säugetieren
erworben sein muß. Denn darüber kann gar kein Zweifel sein, daß die Vögel von einer ganz
anderen Gruppe kaltblütiger Reptilien, wohl von einem Zweige der Dinosaurier, abstammen,
während die Säugetiere auf die Theromorphen zurückgehen.
Die Erwerbung der Warmblütigkeit ist aber ein Vorgang, der sich in ganz ähnlicher Weise
bei den Vögeln abgespielt haben muß, wie wir ihn uns bei den Säugern vorstellen können. In beiden
Fällen ist er darauf zurückzuführen, daß sich Organe ausbildeten, die eine mechanische Zerkleinerung
der aufgenommenen Nahrung ermöglichten und dadurch die eigentliche Verdauung dieser Nahrung
erleichterten und beschleunigten. Bei den Säugetieren waren es leistungsfähige Kauzähne, die diese
Aufgabe übernehmen, ehe die einzelnen Nahrungsbissen an den Magen weitergegeben werden und
dort gesammelt bleiben, bis sie zur vollständigen Verdauung in den Dünndarm gleiten. Bei den
Vögeln werden die Nahrungsbissen in unzerkleinertem Zustande im Drüsenmagen, bezw. dem Kropfe,
angesammelt und erst zerkleinert, bevor sie den Magen verlassen und in den Dünndarm gleiten.
Dies mechanische Zerkleinern geschieht bei ihnen in dem Kau- oder Muskelmagen, der besonders
bei körnerfressenden Vögeln eine überaus leistungsfähige E inrichtung besitzt, um selbst die härtesten
Körner völlig zu zerreiben.
Die ganze innere Oberfläche des Muskelmagens besteht bei körnerfressenden Vögeln aus einer
sehr dicken, lederartig harten, gerunzelten Haut, die die „Reibplatten bildet. Sie stellt das erstarrte
Sekret der Drüsen des Muskelmagens vor. Die Wände dieses Magens zeigen eine ungemein dicke
Muskelschicht. In diesem Muskelmagen wird die Nahrung durch Drücken und Reiben mechanisch
zerkleinert, wobei die Wirkung der Reibplatten noch durch kleine Sternchen erhöht wird, die mit der
Nahrung geschluckt werden. Die Kraft, die dieser Muskelmagen entwickeln kann, ist erstaunlich; -
im Magen eines Truthahns wurde eine eiserne Röhre, die eine Belastung von 437 Pfund aushielt,
p la tt gedrückt und aufgerollt, im Magen von Hühnern wurden Glasröhrchen und hohle Glaskugeln
zu Pulver zerrieben.
Wenn auch nur körnerfressende Vögel eine solche gewaltige Druck- und Reibwirkung ihres
Muskelmagens zeigen, so findet ein Muskelmagen sich doch ganz allgemein bei den Vögeln verbreitet,
je nach der Nahrung zu größeren oder geringeren Leistungen befähigt. Am geringsten ausgebildet
is t er bei Fischfressem und solchen Vögeln, die wie Euphonia nur weiche, saftige Früchte verzehren.
Der Muskelmagen der Vögel ist eine Einrichtung, die in ihrer zerkleinernden Wirkung den
Kauzähnen der Säugetiere völlig gleichwertig an die Seite zu stellen ist. In beiden Klassen ist sie
je nach der Nahrung zu höheren oder geringeren Leistungen befähigt, am leistungsfähigsten bei
ha rte r Pflanzennahrung, überflüssig bei sehr weicher oder bei Fischnahrung.
Ich m uß annehmen, daß die ursprünglichsten Vögel, die wir uns als kletternde und springende,
mit Fallschirm ausgestattete Baumbewohner vorzustellen haben (Vorläufer der Archaeopteryx),
Insektenfresser gewesen sind wie die ursprünglichsten Säugetiere. Die mit ihren einfachen Fangzähnen
ergriffene Beute wurde unzerstückelt verschluckt. Sie dürften bereits einen leistungsfähigen
Muskelmagen besessen haben, in welchem die Nahrung in wirksamer Weise zerquetscht
und zerrieben wurde, so daß sie, mit den Sekreten von Kropf und Drüsenmagen vermischt, in breiartigem
Zustande in den Dünndarm kam, wo der wichtigste Teil der Verdauung, stattfindet.
In ganz analoger Weise wie bei den Säugetieren muß bei den Vögeln durch die mechanische
Zerkleinerung der Nahrung der Verdauungsvorgang beschleunigt und damit eine reichlichere E rnährung
ermöglicht worden sein. Dadurch wurde naturgemäß der Anstoß gegeben zu der gleichen
langen Kette von Erscheinungen, wie wir sie im Gefolge der in ähnlicher Weise entstandenen v\ arm-
blütigkeit bei den Säugetieren haben kennen lernen. Aus dem dinosaurierartigen, poikilothermen
Reptil wurde hier ein homöothermer Vogel. Alle die Begleitungserscheinungen der Homöothermie,
wie sie bei den Säugetieren auftraten, stellten sich in analoger Ausbildung auch bei den Vögeln ein,
sind aber offenbar von ihnen selbständig und unabhängig von den Säugetieren erworben. Es ist
eine verblüffende Anhäufung von Konvergenzerscheinungen, wie sie in diesem Maße nur selten im
Tierreiche nachzuweisen ist: Warmblütigkeit verbunden mit Homöothermie, großes Nahrungsbedürfnis,
komplizierte Ausbildung der Lungen, hohe Atemfrequenz, getrennte Herzkammern,
schützende Hautbekleidung, Brutpflege, dauernde volle Lebensintensität, große Unabhängigkeit
von Außentemperaturen, die das Leben in allen Klimaten ermöglicht.
Nachdem bei den insektenfressenden ältesten Vögeln die Warmblütigkeit einmal erworben
worden war, konnte sich, wie bei den Säugetieren die Leistungsfähigkeit der Kauzähne, so bei den
Vögeln die des Muskelmagens iu der verschiedensten Weise weiter entwickeln. Bei den Formen,
Zoologien. Heft. 71.