
der T a t die Regel bei den Amphibien und Reptilien, die ihre Beute im Wässer suchen, und ändert
sich nicht, wenn sie auf dem festen Lande jagen. Nicht anders dürften sich diejenigen mesozoischen
Säuger verhalten haben, die als Insektenfresser oder richtiger „Wirbellosenfresser“ anzusehen sind.
Aber diese mesozoischen Säuger müssen bald die Fähigkeit erworben haben, auch etwas
oTößere Tiere zu erbeuten, die nur stückweise zu verzehren waren. Dies dürfte zunächst nur in der
Weise geschehen sein, daß sie die lebende Beute mit den bekrallten Vorderfüßen festhielten und mit
den vorderen Zähnen dann Stück um Stück davon abrissen. Bei schwächeren Tieren, Insekten,
Schnecken, Würmern h a tte das meist keine besonderen Schwierigkeiten. Immerhin mußte es für das
Zerlegen solcher Beute oftmals recht vorteilhaft sein, wenn die vorderen Backzähne dabei als Schere
mitwirken konnten. Dazu waren sie in der T a t vielfach befähigt, sowohl bei den Triconodonta
wie bei den P antotheria, deren wesentlich einspitzige Prämolaren eine mehr oder weniger komprimierte
„sekodonte“ Krone zeigen. Bei vielen Arten sind mehrere dieser Prämolaren besonders groß und
kräftig und oft auffallend höher als die hinteren Backzähne wie bei Phascolestes (Fig. 14, S. 16).
Es ist kein Zweifel, daß mit solchen ansehnlichen Prämolaren das Zerlegen v o n schwerer zerreißbaren
Beutetieren in mundgerechte Bissen wesentlich erleichtert wurde.
Wenn das Auftreten von großen Prämolaren zunächst
auch nur dem Zerlegen von Wirbellosen galt, so
ermöglichten vermutlich erst sie ihren Besitzern den
Genuß von Wirbeltieren. Denn sobald einmal solche
große Prämolaren in Begleitung von verlängerten Eckzähnen
vorhanden waren, war für die damit ausgerüsteten
mesozoischen Tierfresser auch die Möglichkeit
angebahnt, auf kräftigere und gewandtere Beutetiere,
wie es eben kleinere Wirbeltiere sind, mit Erfolg zu
jagen. Bei der Bewältigung einer solchen Beute mußte
sich ja gleich das Bedürfnis einstellen, sie erst zu töten
oder sonst widerstandsunfähig zu machen, ehe sie zerlegt
Fig. 22. Centeies ecaudalus (Zalambdodonta); Mesotrigonales
Gebiß des Ober- und Unterkiefers, von
der Seite. Zwei Prämolaren (p) stark vergrößert.
und verspeist wurde. Dazu eignete sich nämlich das Gebiß vortrefflich. Durch Bisse mit den großen
Prämolaren in den Schädel und die Wirbelsäule konnte das mit den Fangzähnen erbeutete Opfer
zunächst getötet oder widerstandslos gemacht werden. Sodann konnte aber auch der wegen
des fest zusammenhängenden Knochengerüstes schwerer zerreißbare Wirbeltierkörper mit denselben
kräftigen Prämolaren in Stücke zerbissen werden. Gegenüber den kleinen Wirbeltieren fällt diesen
sekodonten Prämolaren dieselbe Aufgabe zu, welche die sekodonten Reißzähne der modernen Raubtiere
gegenüber größeren Säugetierkörpern zu erfüllen haben. Das ist ihre Bedeutung. Sie stellen
die primitiven Reißzähne dar, dazu bestimmt die Beute zu zerteilen.
Wenn nun durch das Auftreten großer Prämolaren ein Teil der jurassischen Pantotheria auch
in der Lage war, kleine Wirbeltiere in mundgerechte Bissen zu zerlegen, so genügten ihre hinteren
prototrigonalen Backzähne (Fig. 17) doch nicht, die gewonnenen Bissen richtig zu zerkauen, wenn
sie von etwas* derberen Knochen durchsetzt waren. Sie mußten sich daher zunächst auf sehr kleine
Wirbeltiere beschränken, deren Knochen z a rt genug waren, dem Zerkauen keinen größeren Widerstand
zu bieten als Chitinhüllen von weicheren Insekten. Aber die Gelegenheit, dann auch etwas größere
Wirbeltiere mit derberen Knochen zu bewältigen, gab den Antrieb, die Kauzähne auch diesem Zweck
anzupassen. Das konnte leicht erfolgen, zumal dazu nur die Vergrößerung eines bereits vorhandenen
Zahnteils, des Talonids der unteren Backzähne, nötig war (vergl. Fig. 18 u. 19, S. 36). So vervoll-
kommnete sich das ursprünglich prototrigonale Gebiß immer mehr, bis die Kauzähne ausgesprochen
„trigonal“ waren und eine umfangreiche Mahlfläche entstanden war. Es wurde erst durch diese Kombination
speziell zum Verzehren von mit K nochen durchsetzter Nahrung geeignet. Denn ich halte ein
trigonales Gebiß vereinigt mit großen Prämolaren
(Fig. 21) geradezu als charakteristisch für die _
älteren Wirbeltierfresser.
Die großen Prämolaren (meist is t es der
d ritte neben dem vierten oder dem zweiten) finden
sich daher nicht nur bei Triconodonta und Pantotheria
(Fig. 14, S. 16) sowie einigen der ursprünglichsten
Insectivora (Centetes, Fig. 22), sondern vor
allem in V erbindung mit ausgesprochen trigonalen
Molaren bei den ursprünglichsten Marsupialia
(Thlaeodon, Eodel'phis und Didelpbds, Fig. 21, S. 37)
und den ältesten Creodonta (Deltatherium). J a
diese auffallend großen und kräftigen Prämolaren
begegnen uns noch bei einer Menge altertümlicher
omnivorer Formen unter den Insectivoren
(Gymnura, Fig. 23) unter den Primaten (P dy-
codus) und Ungulaten (Miodaenus, Periftychus,
Achaenodon). Sie sind, wie die verlängerten Eckzähne,
als ein altes E rbstück der P rimaten, Ungulaten usw.
aus den Zeiten zu betrachten, da ihre mesozoischen
Vorfahren kleinen Wirbeltieren nachstellten.
Bas erste Auftreten von großen Prämolaren war wohl nur erfolgt, um das Verzehren von
Wirbellosen zu erleichtern. E rst ihr Vorhandensein ermöglichte auch die Bewältigung kleiner Wirbe -
tiere Um diese neue Nalirungsquelle besser auszunützen, entstand das trigonale Gebiß mit Mahlflächen,
das nunmehr auch zum Genuß größerer Wirbeltiere befähigte. Das Vorhandensein von
Mahläächen aber eröffnete erst die Möglichkeit, auch das Pflanzenreich als Nahrungsquelle heranzuziehen.
Die Ausbildung eines trigonalen Gebisses mit Mahlflächen muß übrigens, vor allem bei Meinen
Tierformen, auch bei reiner Insekten- (d. h. Wirbellosem) Nahrung erfolgt sein.
15. Entstehung von Pflanzentressern.
Dadurch daß die Tierfresser in ihren trigonalen Zähnen mit großem Talomd em zum Zermalmen
h a rte r Teile ihrer Nahrung sehr gut geeignetes Gebiß erworben hatten, ha tten sie damit
gleichzeitig ein Werkzeug erhalten, das auch zum Zerquetschen von Pflanzenstoflen sich eignete.
Der mächtige Antrieb zur Erschließung des Pflanzenreichs als Nahrungsquelle für die Saugetiere
war wohl stets la ten t vorhanden, konnte aber seine Wirkung bei ihnen nicht äußern, solange sie
kein geeignetes Werkzeug besaßen, diese Nahrung genügend zu zerkleinern. E rs t mit dem Auftre
ten trigonaler Zähne war diese Möglichkeit nahe gerückt und der Weg dazu geebnet. Denn diese
Zähne können sich verhältnismäßig leicht zu noch wirkungsvolleren Mahlzahnen umbilden.