3. Regio ótica und Regio occipitalis.
Drei Merkmale geben der Regio otica ihr charakteristisches Gepräge, nämlich erstens die
Stellung der Schneckenkapseln, die einander stark genähert und nach unten verlagert sind, zweitens
die auffallende Loslösung der Pars canalicularis vom umgebenden Knorpelkomplex und drittens
die ungewöhnliche Höhe und Steilheit der Schädelseitenwand oberhalb der Capsula auditiva. Ziehen
wir nun noch die Gehörknöchelchen in den Kreis der Betrachtung, so fällt sofort auf, daß der Eingang
zur Paukenhöhle so eng ist, daß Ambos und Stapes fast hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen
erscheinen. Gleich hier möchte ich auch darauf hinweisen, daß bei unserem Primordialschädel
die Regio occipitalis mit der Regio otica so eng verbunden ist, daß ihre Besprechung im
Zusammenhänge erfolgen soll.
Die Gesamtheit der Regio otica läßt sich nicht ohne Schwierigkeit in der üblichen Weise in
B a s a l p l a t t e , C a p s u l a a u d i t i v a und L a m i n a s u p r a c a p s u l a r i s teilen, denn
wenn auch die beiden letzten leicht von einander zu trennen sind, so ist eine Trennung von Basalp
la tte und Ohrkapsel —■ wenigstens soweit es sich um deren cochlearen Teil handelt ~r| nicht ohne
weiteres möglich: geht doch fast die ganze Dorsalwand der Pars cochlearis architektonisch ganz
homogen in die Oberseite des planum basale über (Tafelfig. 3). E rst auf Schnittbildern erkennt man,
daß die „Loslösung“ auch des cochlearen Teils von unten her schon recht weit vorgeschritten ist.
Die Pars otica der Basalplatte h a t also auf dem Modell stellenweise scheinbar einen viel zu
breiten Durchmesser. Die Verhältnisse werden deutlicher, wenn ich auf die beim Primordialkranium
von Balaenoptera (d e B u r l e t 1914, 1) deutlich vorhandenen Fissurae basicochleares hinweise,
die dort eine exakte laterale Begrenzung der Basalplatte ermöglichen. Genau wie bei Balaenoptera
finden sich auch hier flügelartige laterale Fortsätze der Basalplatte, die die oralen Pole der Schneckenkapseln
überlagern. (Lamina supracochlearis Fig. 20.)
Die einheitliche, nur schwach konkave Fläche, die aus der B a s a l p l a t t e -f- d e r g e n
a n n t e n d o r s a l e n W a n d d e r C o c h l e a (bzw. + d e n L a m i n a e s u p r a -
c o c h l e a r e s ) gebildet wird, h a t etwa quadratische Form. Ihre Lage wird charakterisiert durch
ihre vier Ecken, als die wir vorn die beiden Carotidenlöcher, hinten die medialen Enden der Foramina
jugularia ansehen können. Vom geht die Fläche in steilem Knick in die Fläche der Fossa hypo-
physeos über, getrennt durch eine nicht sehr scharfe Kante, die bereits als Crista transversa bezeichnet
wurde. Seitlich entsendet die genannte Fläche je zwei breit ansetzende und sich verschmälernde
Fortsätze: proximal einen breiteren an den dorsolateralen Pol der Schneckenkapsel, der auch homokontinuierlich
mit der später zu besprechenden Commissura suprafacialis in Verbindung steht, und
weiter kaudal, durch ein weites ins Innere führende Foramen (For. acusticum inferius) getrennt,
eine schmälere Knorpelbrücke zum medialen Teil d er P ars canalicularis, die etwa gerade zum Foramen
endolymphaticum hingeht. Die kaudale Begrenzung dieser ziemlich flachen Brücke bildet zugleich
die medial-vordere Begrenzung des hier außerordentlich großen Foramen jugulare. — Hinten geht
die Pars otica des Planum basale ganz unmerklich in die der Occipitalregion angehörende basale
Knorpelmasse über.
Es bleibt uns noch die Betrachtung von unten, oder richtiger gesagt: schräg von vorn und
unten. Durch die schon bei Besprechung der vorigen Region erwähnte Knickung der basalen K norpelteile,
die in der Regio otica freilich nur noch schwach zunimmt, h a t sich die Schädelachse um etwa
45 0 gegen die Gerade gedreht, die wir von der Rostrumspitze bis zum Ende der Regio ethmoidalis
als Achse ansehen können (Tafelfig. 1). Da nun die Frontalschnitte senkrecht zu dieser ersten
Achse geführt wurden, so sind die Schnitte durch die Regio otica nicht meht im strengen Sinne als
Querschnitte zu bezeichnen, da sie natürlich gleichfalls nur um etwa 4 5 0 — an sta tt 90 0 gegen
die basale Achse geneigt liegen. Die Folge davon ist, daß alle s c h e i n b a r • rein dorsoventralen
Maße auf den beigegebenen Querschnittbildern zu groß sind.
Das M o d e l l zeigt uns, daß auf „wahren“ Querschnitten der Höhendurchmesser den Breitendurchmesser
nie übersteigt, auch wenn wir diesen Betrachtungen die enge Definition der Balkenplatte
zugrunde legen. Der stumpfe Kiel, den wir schon auf der kaudalen Fortsetzung des In te rorbitalseptums
ventral antrafen, setzt sich auch hier weiter fort, indem er immer mehr abflacht,
um weiter kaudal — etwa zwischen den Schneckenkapseln — zu verschwinden.
Wir wenden uns je tz t zur Betrachtung der Capsula auditiva. Bei der Deutung ihrer Teile
machte sich die Jugend des bearbeiteten Embryos öfters sehr störend bemerkbar. Die bekannten
einzelnen Hohlräume des inneren Ohrs sind . Ducl „¡chiear.
zum Teil noch sehr wenig differenziert, der
sie trennende und umgrenzende Knorpel ist
auch noch sehr jung und stellenweise ohne
scharfe Begrenzung. Die genannten Umstände,
zu denen sich noch das (färberisch)
sehr schwache Hervortreten des nervösen
Gewebes gesellt, erschwerten natürlich die
Deutung sehr. Ich habe m ir schließlich durch
Anfertigung eines plastischen Modells des
häutigen Labyrinths zu helfen gesucht (Fig.9).
Bei der Betrachtung der Gesamtform
Fig. 9. Rekonstruktion des häutigen Labyrinths von
Megaptera V. Kaudalansicht.
der Ohrkapsel fällt uns die ganz besonders
weitgehendeTeilung in eine medial-vordere Pars cochlearis und eine lateral-kaudale Pars canalicularis auf.
Die Trennung beider Teile bewirkt dorsal die ausgedehnte Rinne, die schon außerhalb des Foramen
suprafaciale beginnt, durch diese Öffnung hindurchgeht und bis zum medial-kaudalen Ende des
Foramen acusticum inferius zieht (Meatus auditorius internus). Proximal werden beide Teile g etrennt
durch den hier ganz merkwürdig verlagerten Eingang zur Paukenhöhle, unten und teilweise hinten
durch ein sehr großes Foramen perilymphaticum.
An V o l u m e n dürften beide Teile etwa gleich sein während die größere O b e r f l ä c h e
der Pars cochlearis mit ihrer auffallend flachen, nierenförmigen Gestalt zuzusprechen ist.
Eine knorpelige V e r b i n d u n g b e i d e r T e i l e findet sich nur an wenigen Stellen.
Die relativ schmale Knorpelbrücke, die das Foramen suprafaciale vom Foramen ovale und von der
Paukenhöhle trennt, ist die am meisten ausgedehnte Verbindung beider Teile. Eine zweite schmälere