6. Verlauf der Hirnnerven.
Es wurde bereits erwähnt, daß die Untersuchung der Nerven des Embryo V Schwierigkeiten
machte. Einzelne, wie z. B. der Eacialis und Trigeminus, ließen sich auf den Schnittserien gut verfolgen,
feinere Äste dagegen nur schwer oder gar nicht. Erfreulicherweise ergab die Untersuchung
der Schnittserie IX (Embryo von 11,4 cm Rückenlänge) ein günstigeres Resultat. Daher lege ich
die Schnitte dieser Serie der nun folgenden Beschreibung und Abbildung fast ausnahmslos zugrunde.
Prinzipielle Verschiedenheiten im peripheren Verlaufe der einzelnen Hirnnerven haben sich bei
den älteren Altersstufen ungehörigen Embryonen nicht gezeigt. Beim jüngsten Embryo I I I liegen
freilich manche Teile noch mehr zentral, so z. B. das Ganglion Gasseri, das hier noch halb in der pri-
mären Schädelhöhle liegt.
Der N e r v u s o l f a c t o r i u s is t bei den beiden Embryonen äußerst kurz, relativ viel
kürzer, als bei älteren Eeten oder Erwachsenen, wie die Abbildungen von Megapteragehirnen bei
G u l d b e r g (1885, Taf. II, Eig. 17) und R e i n h a r d t - E s c h r i c b t (1869, Taf. IV) beweisen.
E r muß also, obgleich er bekanntlich rudimentär wird, im Laufe der Embryonalentwicklung noch
erheblich wachsen. Bei den hier untersuchten Embryonen liegen die Lobi olfactorii als breite flache
Gebilde unter dem sie überwölbenden Großhirnlappen auf den Anfängen der knorpeligen Siebplatte
und entsenden senkrecht nach unten und etwas kaudalwärts durch das offene Foramen cribrosum
zahlreiche feine Fäden an die Riechschleimhaut (Fig. 5).
Die N e r v i o p t i c i tre ten als starke Nervenstränge aus dem Foramen opticum, das sie
mit ihren häutigen Scheiden fast vollkommen ausfüllen. Zunächst laufen sie nun schräg nach außen,
vorn und oben über die als Processus paropticus bezeichneten Knorpelvorsprünge, biegen aber sehr
bald in sanfter Krümmung nach unten, vom und außen und ziehen zum Bulbus. In ihrer unmittelbaren
Nähe verläuft der Nervus ophthalmicus sowie der fortlaufende Ast des Oculomotorius, der
erste oberhalb, der andere unterhalb vom Sehnerven. Beide laufen an dieser Stelle annähernd parallel
zueinander nach vorn und kreuzen den Nervus opticus in einem fast rechten Winkel (Fig. 19). •
Der N e r v u s o c u l o m o t o r i u s entspringt jederseits als schwacher Nerv vom Boden
der Großhimschenkel. Die beiden Wurzeln (rechts und links) sind im V erhältnis zum erwachsenen
Tiere weit voneinander entfernt: ihr Abstand b eträgt hier nämlich etwa die Hälfte, beim erwachsenen
Tiere jedoch nur ein Viertel der Gehirnbreite. Von der Lage der Wurzeln kann man
sich einen Begriff machen, wenn man sie sich auf einer Geraden denkt, die die beiden wellenförmigen
Ausläufer der Lamina supracapsularis (kaudal vom Hinterende der Frontalia) miteinander verbindet.
Von dieser auffallend weit dorsal gelegenen U rsprungsstelle zieht der Oculomotorius nunmehr schräg
nach vorn und unten (Fig. 16), zugleich ein wenig nach außen. E r verläuft über die lateralen Teile
des Pons und damit über die Ursprungsstelle des Trigeminus, auf dessen Dorsalseite er von nun
an lange verbleibt.
Beim Vergleich mit den Lagebeziehungen, die sich beim erwachsenen Gehirn finden, mag
die Lage der Oculomotoriuswurzeln k a u d a l vom Trigeminusansatz am Pons befremden. Diese
Verlagerung ist durch die embryonale Hirnknickung zu erklären.
Oberhalb des Trigeminus zieht nun der Oculomotorius ins Cavum supracochleare, und zwar
medial von dem Vorsprung der Lamina supracapsularis, der von hinten und obenher sich dem
Temporalflügel entgegen neigt. Oberhalb des Vorderrandes der Ala temporalis gibt der Oculomotorius
seinen Ramus dorsalis ab, der deutlich einen dorsalen Augenmuskel innerviert. Schon vorher nähert
er sich dem Ramus ophthalmicus trigemini und legt sich ihm eng an. Etwas weiter vorn gesellt sich
noch der Abducens zu diesem Nervenpaar, so daß eine kurze Strecke lang der Ophthalmicus,
Oculomotorius und Abducens unmittelbar übereinanderliegen, und zwar der Ophthalmicus
dorsal, der Abducens ventral, und der Oculomotorius in der Mitte. Der Oculomotorius ist
nämlich in oralen Teile des Cavum epiptericum vom Ophthalmicus, dem er zunächst a u f 1 a g,
gleichsam . herabgeglitten (um dessen mediale Seite herum) und liegt dann direkt u n t e r ihm.
Betrachten wir Schnitte, die nur wenig oral von den eben beschriebenen liegen, so zeigt sich,
daß je tz t die Berührung mit dem Ophthalmicus aufgehört ha t, dagegen liegt immer noch unter dem
Oculomotorius der Abducens, der hier sein peripheres Ende erreicht. Nunmehr ziehen Ophthalmicus
und Oculomotorius in der oben geschilderten Weise ober- und unterhalb des Sehnerven vorbei. Der
Oculomotorius zieht noch ein wenig oralwärts; dann biegt er nach unten um und verzweigt sich
sehr deutlich im ventralen schiefen Augenmuskel (Ramus ventralis). Damit erreicht der Oculomotorius
sein peripheres Ende.
Die Lage der Wurzel des T r o c h l e a r i s , des zweifellos schwächsten Hirnnerven der
Bartenwale, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben. Zuerst feststellen läßt sich dieser Nerv als
sehr dünnes Gebilde genau lateral von der Oculomotoriuswurzel, und zwar in der Mitte zwischen dieser
und der knorpeligen Schädelseitenwand. Während des intrakranialen Verlaufs bleibt nun der
Trochlearis, wie d e B u r l e t (1914, 1) es auch für Balaenoptera angibt, stets lateral vom Oculomotorius
(Fig. 10, 16) und t r i t t auch lateral und ziemlich nahe von diesem Nerven ins Cavum supracochleare.
J e tz t steigt der Trochlearis allmählich auf die Dorsalseite des Oculomotorius und bleibt
von nun an dauernd der am meisten dorsal liegende Hirnnerv der Orbitotemporalregion. Er
ist auf Schnittbildern zunächst dorsal vom Oculomotorius, später — w ährend dessen Verlauf u n t e r
dem Ophtalmicus — dorsal von diesem letzten Nerven (Fig. 19) und ventrolateral vom Oberrand
der Ala orbitalis zu finden. In noch weiter oral gelegenen Teilen liegt der Trochlearis unter der Mitte
des Os frontale und zwar beinahe in unmittelbarer Nachbarschaft dieser Deckknochenanlage, bis er
in den Musculus obliquus superior von oben her eindringt (Fig. 14).
Der T r i g e m i n u s , der unstreitig stärkste Nerv, entspringt beim Embryo IX über der
Lamina supracochlearis seitlich aus oralen Teilen der Brücke, zieht auf die laterale Kuppel der
knorpeligen Schneckenkapsel und schwillt allmählich kaudal von der Ala temporalis zu einem typisch
halbmondförmigen und im Gegensatz zu Balaenoptera, einheitlichen Ganglion an, das sich dem Processus
ascendens des Temporalflügels von innen, hinten und außen her anlegt.
Schon oberhalb der Ala geht von der Dorsalseite des oberen Astes ein relativ schwacher R amus
ophthalmicus ab, der zunächst stets dorsal vom Ramus maxillaris verbleibt. Dieser letzte Ast
ist auffallend stark, von fast kreisrundem Querschnitt und zeigt noch längere Zeit teilweise gangliösen
Charakter. Der Ramus mandibularis endlich ist ebenso kräftig wie der Ramus maxillaris und zieht
ventrolateral vom Processus ascendens aus dem Cavum epiptericum heraus. Dabei liegt er eng an
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