den neuerworbenen Teil der Säugercocblea umgibt, wäre durch Auswachsen des übrigen Kapselknorpels
nach vorn entstanden, ist G a u p p wesentlich anderer Meinung. Auf Grund seiner Untersuchungen
an Rana, Lacerta und Echidna ist er zu dem Schlüsse gekommen, daß das Skelettmaterial,
welches zur Umhüllung der nach vorn aus wachsenden Cochlea herangezogen wird, nicht der primitiven
Ohrkapsel selbst, sondern dem vor und medial von ihr liegenden Teil der Basalplatte en tstammt,
d. h. daß gewissermaßen der Ductus cochlearis in die Masse der Basalplatte.hineingewachsen
ist. Als ein Hauptargument für diese Ansicht erwähnt G a u p p die Lage des primären Facialis-
kanales. Bei Lacerta noch tr i t t der Nervus facialis durch ein Foramen aus dem Schädel aus, welches
die Basalplatte vor und über dem Vorderende der Cochlea durchbohrt. Bei den Säugern dagegen
findet sich ganz allgemein das Verhalten, daß sich der K norpelkanal, durch den der A u stritt des Nervus
facialis aus dem primitiven Schädelcavum erfolgt, nicht mehr v o r , sondern a u f der Cochlea
befindet. Die Commissura suprafacialis, unter der der Facialis hindurchtritt, verbindet die Oberwand
der Schneckenkapsel und zwar in ihrem hinteren Teile mit der Vorderwand des Kanalteils. Daraus
zieht G a u p p den Schluß, daß sich die Cochlea in das Gebiet ventral und oral von der Commissura
suprafacialis (der präfacialen basicapsulären Commissur der Nichtsäuger) ausgedehnt ha t. Die mitunter
vorkommende Verknorpelung der Schneckenkapsel im Zusammenhänge mit dem Kanalteil,
wie sie sich bei höheren Säugern findet, und die als Hauptargument für die Einheitlichkeit der ganzen
Ohrkapsel angeführt wird, erklärt G a u p p durch die Umlagerung der Ohrkapsel. Als primitiv
wäre seiner Auffassung nach natürlich die gemeinsame Verknorpelung von Schneckenkapsel und B asalplatte
aufzufassen, wie er sie bei Echidna gefunden hat. Uber die einheitliche Verknorpelung der
ganzen Ohrkapsel äußert sich G a u p p bei Besprechung der Befunde von N o o r d e n b o s
{Echidna-Arbeit p. 686) folgendermaßen: .
„Da dies ein Vorgang (die Lageveränderung der Ohrkapsel) jungen Datums ist, der sich
erst in der Klasse der Säuger abspielt, so ist es, wie oben schon bemerkt wurde, recht wohl denkbar,
daß er teilweise noch in der Ontogenese im Anschluß an die Entfaltung des Gehirns abläuft.
Ließe sich dies aber nachweisen, so würde damit auch der längere Bestand einer nachgiebigen
Trennungszone zwischen der Gesamtkapsel und der Basalplatte motiviert erscheinen. Damit
würde auch die gemeinsame Verknorpelung der Pars cochlearis mit der Pars vestibularis der
Ohrkapsel verständlich werden, die zur Folge hat, daß die Gesamtkapsel der Basalplatte gegenüber
den Eindruck einer in sich einheitlichen, selbständigen Bildung macht, und auch die Fissura
basicochlearis anterior, die bei manchen Säugern besteht, würde nicht mehr ganz unverständlich
sein: Man könnte sie als einen Rest jener sekundär auftretenden Trennungszone betrachten,
dessen nachträgliche Ausfüllung durch Knorpel unterbleibt, vielleicht weil die übrigen Verbindungen
der Ohrkapsel dieselbe bereits in genügender Weise mit dem sonstigen Knorpelschädel
verbinden.“
Meine Befunde bei Didelphys stützen ganz offensichtlich diese Ansicht von G a u p p in fast
allen ihren Punkten. Ich führte oben schon aus, daß sich die von ihm bei manchen Formen vorausgesetzte
Verlagerung der Schneckenkapsel in der Ontogenese hier in überraschend deutlicher Weise
zeigt. Der vorderste Teil der Schneckenkapsel verknorpelt, wie ich oben gleichfalls schon erwähnte,
in homokontinuierlicher Verbindung mit der Basalplatte, dahinter dagegen -findet sich, zwischen.
Basälplatte und'Ohrkaps'el eine schmale, nachgiebige Zone vorknorpeligen. Gewebes-, die b ei Stadium
II I, wo sich die Umlagerung der Pars cochlearis bereits vollzogen hat, gleichfalls verknorpelt ist.
Nirgends dagegen findet sich bei dem großenteils noch vorknorpeligen Zustande der Ohrkapsel von,
Stadium IV eine knorpelige Verbindung zwischen der eigentlichen Schneckenkapsel und dem Kanalteil.
Sie machen beide den Eindruck völlig selbständiger Gebilde. Auch die Beschaffenheit der Schneckenkapsel
selbst bei diesem jungen Tier stimmt wunderbar mit G a u p p s Ansicht, es handle sich um
einen Teil der Basalplatte, in den die Schnecke einwächst, überein. Die dorsalwärts gegen sie abgebogenen
Querschnitte durch die Schneckenkapsel zeigen kaum überhaupt eine größere Dicke als die
Basalplatte selbst, und vor dem Vorderende der häutigen Cochlea besitzt die Schneckenkapsel noch
eine dicke, massive, knorpelige. Vorderwand, die mit der Basalplatte homokontinuierlich verbunden
ist und die gleiche Dicke zeigt wie diese selbst. Ja, man h a t bei der Betrachtung den Eindruck eines
dorsalwärts abgebogenen Teils von ihr. (Siehe Seite 58, Figur 21.) Vergleichen wir hiermit die Verhältnisse,
wie sie das Primordialcranium von Lacerta zeigt, so finden wir eine völlige Übereinstimmung
Der bei Didelphys im Schnitt getroffene Teil der Basalplatte würde bei Lacerta dem Gebiete der
Fenestra basicranialis posterior entsprechen, die an sie ansetzende Vorderwand der Ohrkapsel dem
vor dem Foramen faciale gelegenen Abschnitte der Basalplatte. Wie bei Lacerta dieser m it der Ebene
der Fenestra einen stumpfen Winkel bildet, so ist dies bei Didelphys zwischen Basalplatte und
Schneckenkapsel der Fall, und ich glaube mit G a u p p , daß sich diese Knorpelgebiete, die in Lage
und Beschaffenheit eine so außerordentliche Übereinstimmung zeigen, direkt miteinander homologi-
sieren lassen. Bei dem besser entwickelten Stadium I I I ist die Konfiguration eine wesentlich andere.
Dort h a t die Umlagerung bereits stattgefunden, und was bei IV als Lateralwand der Schneckenkapsel
zu bezeichnen war, ist zum Teil zur ventralen, die mediale Wand zur dorsalen geworden. Außerdem
ist auch der Schneckengang erheblich weiter entwickelt und bewirkt so eine blasige Auftreibung der
Knorpelkapsel, die auch später bestehen bleibt und bei Placentaliern ganz allgemein ist. Auf dieser
Entwicklungsstufe ist ein Vergleich mit der gleichen Region von Lacerta mit solcher Leichtigkeit
nicht mehr durchzuführen.
Nur in einem Punkte stimmen meine Befunde mit der oben zitierten Ansicht G a u p p s
nicht überein, und das ist die Entstehung und Deutung der Fissura basicochlearis. Bei der Besprechung
der Basalplatte habe ich bereits geschildert, daß wir in der Fissura basicochlearis eine sekundär
entstehende Lückenbildung zu sehen haben. Der bei Stadium IV vorhandene Spalt schließt sich durch
Knoipel (Stadium III) und erst später entsteht zunächst durch die Bildung eines trennenden Peri-
chondriums und darauf folgende Ablösung die F issura als eine neue, ganz schmale Lücke. Ihre Lage
stimmt auch nicht genau mit der bei Stadium IV vorhandenen Trennungszone überein, sondern liegt
gegen diese in kaudaler R ichtung verschoben. Wir haben also offenbar in dem am Modell vorhandenen
Spalt n i c h t einen Überrest dieser Zone zu erblicken. Ich meinerseits glaube als Ursache für die
Ablösung die feinen Venenstämme ansehen zu müssen, die bei jüngeren Stadien an der Grenze von
Basalplatte und Ohrkapsel entlang verlaufen und bei Stadium I durch die Fissura basicochlearis
hindurch auf die Ventralseite des Schädels treten. Doch bin ich nicht der Meinung, daß die Fissura
basicochlearis bei allen Formen den gleichen Ursprung hat. Die m it diesem Namen bezeichnete Lücke,
die bei weitem den meisten Säugern zukommt, ist sowohl in ihrer Lage wie in ihrer Weite und Ausdehnung
so wenig übereinstimmend, daß es wohl möglich ist, daß sie bei verschiedenen Tieren auch
verschiedenen Ursachen ihre Entstehung verdankt. Dort, wo es sich nicht, wie bei Didelphys, um
eine sekundäre Ablösung handelt, .wird mit aller Wahrscheinlichkeit G a u p p s Erklärung die zutreffende
sein. Jedenfalls läß t diese, welche die Fissura basicochlearis als Überrest einer ursprünglich
längeren und weiteren Lücke auffaßt, die größten Variationen in der Lage und der Ausbildung zu.
Das Verhalten von Didelphys, das in einer großenteils einheitlichen Verknorpelung und homokonti