der Kreidezeit vorhanden gewesen sein und damals die Urplacentalia dargestellt haben. Bei diesen
Urplacentalia werden zum Ergreifen ihrer lebenden, hauptsächlich aus Wirbellosen bestehenden
Beute sowohl die verlängerten vorderen Schneidezähne wie d ie . Eckzähne befähigt gewesen sein.
Übrigens wird es unter den Urplacentalia auch einzelne Formen gegeben haben, bei denen überhaupt
keiner der Yorderzähne eine nennenswerte Verlängerung aut wies. Jedenfalls kommt das u n te r den
Zalambdodonta (Hemicentetes) und den übrigen Insectivoren (Tupaja) vor, und die gleiche Beobachtung
läß t sich auch unter den Pantotheria machen f Amphitherium).
Es ist anzunehmen, daß von diesen U rplacentalia
ein Stamm sich abzweigte, der es ganz aufgab,
die Schneidezähne als Fangzähne zu benutzen.
Die vorderen Schneidezähne blieben klein, dafür
erstarkten die Eckzähne, die nunmehr ausschließlich
als Fangzähne dienten. Ich möchte ihn als den
A „lykodonten“ Stamm bezeichnen, dessen ursprünglichste
Vertreter die Creodonta sind. Nur die
Eckzähne blieben bei ihnen zum E rgreifen der Beute
befähigt. Sie sind stets einwurzelig, aber sehr
kräftig. Die Schneidezähne werden dagegen sämtlich
klein, besonders die ersten und bilden, dicht
gedrängt, miteinander einen ziemlich flachen Querbogen
zwischen den beiderseitigen Eckzähnen
wie bei den modernen Raubsäugetieren (Fig. 1, S. 6);
der sie tragende Kieferteil vor den Eckzähnen
bleibt kurz, breit und abgerundet. Die hinteren
Backzähne wurden dabei ausgeprägt trigonal mit
B großem Talonid (Fig. 19, S. 36). Die Creodonta
Fig. 32. Microgale dobsoni (Zalambdodonta). Mesotri- stellen so den Typus der reinen Tierfresser dar,
gonales Gebiß A des Oberkiefers von der Kaufläche, B i • • i m •••
des Ober- und Unterkiefers von außen, i Schneidezähne, Wie er UnS Dei Begmn des Tertiär entgegentritt.
c Eckzahn, p Prämolaren., m Molaren. ¡J 4. Die nach dem Ausscheiden des lykodonten
Stammes noch übrig bleibenden Urplacentalia
behielten wohl zunächst noch die Fähigkeit, sowohl mit den verlängerten Eckzähnen wie mit den
vorderen Schneidezähnen ihre Beute zu fangen, sie entwickelten sich aber hauptsächlich in der Richtung)
daß den Schneidezähnen immer ausschließlicher diese Aufgabe zufiel; diese erstarkten mehr und
mehr, während die Eckzähne immer mehr an Bedeutung verloren. Ich möchte diese Richtung als
den „myodonten“ Stamm bezeichnen, dessen ursprünglichste Vertreter Insectivora sind. Bei ihnen
bleibt vor allem der schmale, weit vor die Eckzähne verlängerte vordere Teil der Kiefer erhalten,
der zuerst noch die g etrennt hintereinander stehenden Schneidezähne träg t. Während wir aber schon
bei den Creodonten des älteren Paleocän den fertigen Zustand des lykodonten Gebisses finden, zeigen
uns selbst die lebenden Insectivoren noch alle Stadien des in seiner Entwicklung begriffenen myodonten
Gebisses. So wird das noch bei allen Zalambdodonta klein gebliebene Talonid der unteren
Backzähne erst allmählich größer.
Während nun bei den auf dem primitiveren Zustand der Urplacentalia gebliebénen Formen
der Insectivora die vorderen Schneidezähne noch nicht sehr stark entwickelt waren und das Zerlegen
der Beute wie bei vielen Pantotheria o ft noch m it großen Prämolaren ausgeführt wurde (vergl. Gentetes,
Fig. 22, S. 38 und Gynrnwa, Fig. 23, S. 39 ), mußte sich bei den ausgesprochen myodonten Formen, deren
Schneidezähne eine bedeutendere Größe erreichten, die A rt der Nahrungsaufnahme in durchgreifender
Weise ändern. Schneidezähne von beträchtlicher Größe dienten jedenfalls nicht nur als Fangzähne
zum E rgreifen der Beute, sondern sehr b ald auch zum Zerlegen der Beute. Es is t fast selbstverständlich,
daß diese am vordersten Ende der schmalen Schnauze gelegenen Zähne dazu b enutz t wurden,
um damit kleine Stückchen aus dem Körper, eines erbeuteten Tieres herauszureißen oder, sobald die
Zähne eine geeignete Schneide erhalten hatten, herauszubeißen. Diese Zähne eigneten sich auch vortrefflich
dazu, Löcher in den Körper eines größeren Beutetiers zu fressen und auf diese Weise alles
daran Genießbare in lauter kleinen Bissen in den Rachen zu befördern. Die Größe der Beute spielte
bei dieser Art der Nahrungsaufnahme keine Rolle mehr. Sobald diese Schneidezähne eine beträchtlichere
Größe annahmen, sind auch andre Zähne sowohl zum Ergreifen wie zum Zerlegen der Beute überflüssig;
daher werden bald hintere Schneidezähne, Eckzähne und Prämolaren klein und verschwinden ganz.
In wohlentwickeltem Zustand zeigt das myodonte Gebiß der Insectivora große vordere
Schneidezähne, kleine oder ganz fehlende Eckzähne und Prämolaren, sowie trigonale hintere Backzähne,
wie z. B. die Soricoidea. Primitivere Merkmale sind b ei ihnen verhältnismäßig kleine vordere
Schneidezähne, große Eckzähne oder Prämolaren und Backzähne mit kleinem Talonid.
Bei den Formen mit größeren Eckzähnen ist auch innerhalb des myodonten Stammes eine
sekundäre Weiterentwicklung in lykodontem Sinne keineswegs ausgeschlossen, wie das z. B. bei
unserem Maulwurf eingetreten ist. Die B eute der Insectivoren besteht hauptsächlich noch aus Wirbellosen.
Zu ihnen gehören von Anfang an die kleineren Formen der tierfressenden Placentalia. Ihre
geringe Größe dürfte der Grund sein, daß fossile Reste myodonter Tierfresser so sehr viel spärlicher
bekannt sind als solche der lykodonten Creodonta, die als Wirbeltier- u nd Säugetierfresser die größeren
Formen der placentalen Tierfresser umfassen. Daher finden sich zwar unter den fossil erhaltenen
tierfressenden Säugetieren des unteren Paleocän bisher nur Vertreter des lykodonten Stammes, die
Creodonta; es kann aber k ein Zweifel sein, daß auch die Insectivora des myodonten Stammes damals
schon mehr oder weniger weit entwickelt waren. _ ,
Als Angriffswaffe auf flinke und kräftige Beutetiere, wie es Wirbeltiere sind, eignen sich die
Schneidezähne allerdings wohl weniger als Eckzähne, daher tre ten die myodonten-Formen Dicht
ernstlich in Wettbewerb mit den lykodonten Formen gegenüber solcher Jagdbeute. Immerhin machen
auch sie sich die leichte Tötbarkeit der Säugetiere gern zu Nutzen. Der A ntrieb aber m it dem Großer-
werden ihrer Beutetiere ebenfalls an Größe zuzunehmen, wie er sich bei den wirbeltierfressenden
, Creodonten geltend machte, fehlte bei den Insectivoren,. die- daher auch in bezug auf Körpergröße
sich nicht weit über den Zustand der Urplacentalia erheben.
Der eigentliche Beruf der Insektenfresser und geradezu ihr Leitmotiv is t es, ihre aus Wirbel-
losen, also aus Würmern, Schnecken und Arthropoden bestehende Beute in ihren Schlupfwinkeln
aufzusuchen und d o rt zu greifen. Schon ihre geringe Körpergröße weist sie darauf hm, und ebenso
eignen sich gerade die am vordersten Ende der Kiefer stehenden Zähne besser wie andere dabei als
Fangzähne; ih r beweglicher Rüssel ist sehr geeignet zum Aufspüren versteckter Beute. Auf diesem
ihrem eigensten Gebiet tre ten sie auch nicht als Konkurrenten der lykodonten Tierfresser auf, die
dem Triebe folgen, ihr größeres Wild gewöhnlich dann zu erbeuten, wenn es sème Verstecke verlassen
. h at. So- folgten die beiden Stämme altertümlicher Tierfresser schon von vornherein ganz verschie-
denen Antrieben. 8
Zoologien. Heft 71.