als ein primitiver Teil der Hirnkapselwand, als „Restknorpel“ aufzufassen. Andererseits h ä lt es
d e B u r l e t f i i r möglich, daß die Lamina supracochlearis doch eine von der Ohrkapsel abgegliederte
Lamelle darstelle. Dann wäre der Spalt zwischen ihr und der Ohrkapsel eine sekundäre
Bildung und die Dorsalfläche der Lamina supracochlearis entspräche dem Planum supracochleare
des Primordialkraniums anderer Säugetiere. Diese Auflassung hält d e . B u r l e t für die richtige.
Inzwischen h a t jedoch die Untersuchung des Megapteraembryo I I I gezeigt, daß die Laminae
supracochleares Neubildungen sind, die aus der Basalplatte hervorgehen und erst sekundär mit
den Schneckenkapseln in Beziehung treten. Damit fällt natürlich zunächst die zweite Von de
B u r 1 e t vertretene Auflassung. Aber auch die zuerst genannte Hypothese ist meines Erachtens
zurückzuweisen. Beide Annahmen beruhen nämlich auf der gleichen, unbewiesenen Voraussetzung,
daß entweder die Lamina supracochlearis oder die darunter liegende Dorsalwand der
Schneckenkapsel als Boden des Cavum supracochleare aufzufassen ist.
Diese Deutung ist aber nicht zulässig. Der Begriff dos „Cavum supracochleare“ ist von
V o i t 1909 klar definiert worden. Es handelt sich hier nämlich durchaus nicht nur um einen Raum,
der über der Pars eochlearis hegt, sondern lediglich um den bei Säugetieren n e u e r w o r b
e n e n T e i l d e s S c h ä d e l r a u m s . Dieser neue Teil is t aber gerade medial-hinten aufs
deutlichste gegen das ursprüngliche Cavum cranii abgegrenzt, nämlich durch die Commissura
suprafacialis interna, die eben den Rest der ursprünglichen Schädelseitenwand repräsentiert. Erst
diejenigen Raumteile, die sich vor und lateral dieser Knorpelbrücke befinden, können als sekundär
erworbene Abschnitte, als Cavum supracochleare, angesehen werden.
Wie nun aber infolge der mehrfach besprochenen, bei Bartenwalen besonders weit fortgeschrittenen
Drehung der Ohrkapsel um ihre Längsachse die Suprafacialcommissur sehr weit nach
außen verlagert worden ist, s o h a t s i c h a u c h d e r B o d e n d e s b e i S ä u g e r n i n
d e n p r i m ä r e n S c h ä d e l r a u m e i n b e z o g e n e n C a v u m s u p r an o e h 1 e a r e
b e i B a r t e n w a l e n g e w i s s e r m a ß e n w i e d e r m i t n a c h a u ß e n g e d r e h t ^
Damit ist das Cavum supracochleare, das sonst mehr oder weniger im Bereiche der architektonisch
homogenen erweiterten Schädelhöhle liegt, etwas anders gelagert als etwa bei Lepus. P r i n z
i p i e l l e U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n d e m C a v u m s u p r a c o c h l e a r e d e r
W a l e u n d a n d e r e r S ä u g e t i e r e b e s t e h e n j e d o c h n i c h t . Wir haben also
durchaus keinen Grund, diesen Raum anderswo zu suchen, als lateral von der Suprafacialcommissur
auf der dorso-lateralen Eläche der Schneckenkapsel.
4. Regio occipitalis.
Bei der Untersuchung der Regio occipitalis der drei verschieden alten Stadien von Mega/ptem
haben sich keine durchgreifenden Altersunterschiede gezeigt, jedoch lassen sich aus der mehr oder
weniger fortgeschrittenen Ausbildung einiger Skeletteile Schlüsse über ihre Bedeutung ziehen.
Vergleichen wir die Regio occipitalis von Bartenwalen mit den bei' anderen Säugetieren vorkommenden
Strukturen, so fällt die Vollständigkeit und starke Ausdehnung der Knorpelpartien
auf, die als kaudale Fortsetzung der Lamina parietalis erscheinen. Hierin stimmen die Bartenwale
mit den Zahnwalen überein, die auch stets in der Regio occipitalis eine hohe und gut ausgebildete
knorpelige Seiten wand als Begrenzung der Schädelhöhle besitzen, während im Gegensatz dazu eine
bei Bartenwalen stets gut erhaltene Lamina supracapsularis bei Zahnwalen meist fehlt.
Bei Megaptera sind nun die seitlichen Knorpelpartien der Occipitalregion ganz besonders
stark entwickelt, viel stärker noch als bei Bcdaenoptera. Damit steht in Einklang, daß wir bei dieser
Art die relativ höchsten Gehirnformen antreffen, und zwar nicht nur embryonal, sondern auch beim
erwachsenen Tier, worauf schon G u l d b e r g (1885, S. 53) hinwies.
Im beschreibenden Teil wurden Foramina besprochen, die sich beim Embryo V beiderseits
in der lateralen Knorpelwand der Regio occipitalis fanden. An der Innenseite dieser Löcher finden
sich dort auf beiden Seiten die blinden kaudalen Enden des Ductus endolymphaticus, so daß die Vermutung
nahe liegt, daß diese Gänge d o rt die Hirnkapsel verließen. Beim Megapteraembryo IX
haben diese Öffnungen die Lagebeziehung zum distalen Ende des Ductus endolymphaticus eingeb
üßt und bei dem viel jüngeren Stadium I I I fehlen sie. Zieht man jedoch die bei Walen so oft zu
konstatierende fetale Variation in Betracht, so folgt aus diesem letzten Befunde noch nicht, daß
die oben ausgesprochene Annahme falsch sein muß. Jedenfalls sind aber noch weitere Untersuchungen
notwendig, um diese Frage zu entscheiden.
Foramina hypoglossi.
Beim Primordialkranium von Bcdaenoptera acuto-rostrata fand d e B u r 1 e t eine Asymmetrie
in der Anlage der Hypoglossuslöcher, nämlich nur links ein abgeschlossenes Foramen, rechts
dagegen eine Verschmelzung mit dem Foramen jugulare. Merkwürdigerweise konnte d e B u r -
1 e t genau das gleiche Verhalten an dem Schädel einer e r w a c h s e n e n Bcdaenoptera
acuto-rostra feststellen, wo nur links eine dünne Knochenspange das Foramen hypoglossi vom
Foramen jugulare trennte. Trotz dieser vollkommenen Übereinstimmung h a t d e B u r l e t vollständig
recht, wenn er die hier angetroffenen Verhältnisse für zufällig und inkonstant erklärt.
Ähnliche Schwankungen finden sich übrigens auch bei Sirenen (Manatus inunguis).
Zoologien. H e ft 69. ^