27. Nicht nur zu den Haarbälgen ziehen beim Menschen Bündel von glatten Muskelfasern hin,
die bekannten „Haarbalgmuskeln“, sondern es können an bestimmten Hautstellen auch sonst Züge
glatter Muskelfasern, unabhängig von den Haaren und Drüsen, in der Haut auftreten. Diese Muskelzüge
pflegen im Corium und in der Subcutis zu. liegen, bald mehr in der einen oder der ändern
Schicht, bald nur in der einen oder der anderen. Sie verlaufen dabei gewöhnlich nur in einer bestimmten
Richtung und im allgemeinen ziemlich parallel der Hautoberfläche in mehreren Schichten
übereinander, doch können, namentlich in der Subcutis, auch Verbindungen der Schichten und Bündel
Vorkommen, die mitunter so dicht sind, daß sie an Durchflechtungen erinnern.
Nach meinen Beobachtungen kommt eine solche Muskulatur beim Menschen mitunter in der
A ch se lh ö h le vor, in dem von mir untersuchten Falle fand sie sich nur im Corium. In der Achselhöhle
feh len dagegen v ie lfa c h die H a a rbalgm usk eln. -
Eine weitere Körpergegend, in der diese glatte Hautmuskulatur auf tritt, ist die der äußeren
Gesch lech tso rg an e . Die Muskulatur verbreitet sich hier über einen größeren Hautbezirk. Als
Mittelpunkt dieses Ausbreitungsbezirkes kann man wohl das Sero tum resp. die Labia majora an-
sehen. Von diesem Mittelpunkte aus kann sich die glatte Muskulatur verschieden weit und in verschiedener
Stärke nach hinten zu auf den Damm fortsetzen, nach vorne zu auf den Penis, namentlich
dessen untere Seite, und auf den Mons pubis. Dieser Ausbreitungsbezirk findet sich bei beiden Geschlechtern.
Ich schlage vor, diese „Muskelplatte“ oder „Muskelausbreitung“ zu bezeichnen als „Mus-
cu la r is s e x u a lis “.
Eine ganz ähnliche Muskelausbreitüng findet sich auch bei beiden Geschlechtern in der B r u s t warze
und im Warzenhofe und scheint an dieser Stelle zurückzugehen bis auf die Monotremen.
Da die Mammardrüsen und Milchdrüsen, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, auch zu dem Geschlechtsapparate
gehören, so könnte es in Überlegung zu ziehen sein, ob man diese „Museularis
mamillae et areolae“ nicht auch zu der „Museularis sexualis“ hinzuzurechnen hätte. Man müßte
dann allerdings annehmen, daß an der Bauchseite des Tieres ursprünglich eine zusammenhängende
„Muskelplatte“ oder „Muskelausbreitung“ die äußeren Geschlechtsteile und die Milchdrüsen zusammenhängend
verbunden hätte, was ja nicht so unmöglich ist, wrenn man bedenkt, daß die Milchlinien
auf beiden Seiten des Körpers von der Gegend der Achselhöhle bis zu den äußeren Geschlechtsorganen
herunterziehen. Sollte sich diese Annahme noch weiter begründen lassen, so würde man
auch vielleicht annehmen dürfen, daß die von mir in der Achselhöhle gefundene „Muskelplatte“ oder
„Muskelausbreitung“ ebenfalls ursprünglich noch zu dieser den größten Teil der Bauchseite des Tieres
einnehmenden „Museularis sexualis“ gehört hat.
Damit würde dann gleichzeitig die ganze zwischen den Ursprüngen der vorderen und hinteren
Extremitäten gelegene Hautfläche des Tieres, nach hinten bis zum Damme hin, als eine „Regio
s e x u a lis “ anzusehen sein. Können doch auch in den seitlichen Teilen dieser ganzen „Regio sexualis“
beim Menschen noch Milchdrüsen auftreten.
Eine Funktion dieser glatten Muskulatur hat sich bis jetzt beim Menschen mit Ausnahme der
Mamilla, des Scrotum und vielleicht der Labia majora nicht auffinden lassen. Welche Bedeutung
sie bei unseren tierischen Vorfahren gehabt hat, wissen wir nicht. Jedenfalls würde es wünschenswert
sein, daß ihr Verhalten bei Tieren festgestellt würde.
28. Es hat sich aus meinen und den sonstigen bisherigen Untersuchungen ergeben, daß die „apokrinen“
Hautdrüsen bei den b e i w e item m e isten S äu g etier en weitaus die vorherrschenden sind;
nur an besonderen Stellen der Haut, die entweder haarlos sind, oder nur Sinushaare besitzen, oder
in Hautdrüsenorganen liegen und hier ebenfalls haarlos sind, finden sich auch „ekkrine“ Drüsen, so
an den Sohlen von Katzen und Hunden, so in der Rüsselscheibe des Schweines, so in der Carpal-
drüse des Schweines, um nur einige Beispiele anzuführen.
Drei von mir untersuchte Ostaffen (Cynocephalus mormon, Cercopithecus callitrichus und
C. sabaeus var. griseo-viridis) unterscheiden sich von den übrigen Säugetieren sehr wesentlich dadurch,
daß bei ihnen nicht nur in Hohlhand und Fußsohle, sondern auch an ausgedehnten behaarten Hautgegenden
des Körpers „ekkrine“ Drüsen neben den „apokrinen“ Drüsen Vorkommen oder auch nur
allein Vorkommen, wenn die „apokrinen“ Drüsen während ihrer Entwickelung zugrunde gegangen
sind. Wie weit diese Verhältnisse auch bei anderen Affen sich finden, muß erst noch untersucht werden.
Durch dieses Verhalten der Drüsen unterscheiden sich diese Affen scharf von den übrigen mir
bisher bekannt gewordenen Säugetieren. Nach den in dieser Arbeit von mir gemachten Feststellungen
würden jetzt in der ganzen Reihe der Säugetiere ausgedehnte Untersuchungen nötig sein, um die Verhältnisse
der Hautdrüsen genauer zu erforschen.
Bei dem Menschen ist die Verbreitung der „ekkrinen“ Drüsen noch viel weiter gegangen als
bei den genannten Ostaffen. Bei ihm besitzt der größte Teil der Körperoberfläche nur noch „ekkrine“
Drüsen, die „apokrinen“ Drüsen sind auf verhältnismäßig kleine Bezirke beschränkt.
Versucht man, die S ä u g e tie r e nach ihren Hautdrüsen e in z u te ile n , so muß nach dem
Gesagten der größte Teil derselben als „Tiere m it apokrinen D rüsen“ oder einfacher und kürzer
als „a -D rüsen -T ie re“ bezeichnet werden, der Mensch als „e-Drüsen-Tier“, und die Affen in
mehr oder weniger großer Ausdehnung (wie weit, müßte erst die nähere Untersuchung ergeben) müßte
man als eine Art von Übergangstypus oder gemischtem Typus, als „g emisch tdrüsig e Tiere“ bezeichnen.
Es beginnt also die Gleichberechtigung der e-Drüsen mit den a-Drüsen in der Haut in bezug
auf ihre Verbreitung, resp. ihr Überwiegen über die a-Drüsen, im P r im a ten stam m e , der sich dadurch
zunächst scharf von den anderen Säugetierstämmen unterscheidet. Übergangsformen müßten
noch gesucht und gefunden werden, die phylogenetisch natürlich von größtem Interesse sein würden.
29. Nach Brinkmann besitzen S chim panse und Gorilla in der Achselhöhle ein ganz ähnliches
„Achseldrüsenorgan“, oder wie ich es hier nach der Lokalität bezeichnet habe, „Achselhöhlenorgan“,
wie der Mensch. Bei Orang-Utan und Gibbon finden sich an dieser Stelle nur vereinzelt liegende
Drüsen. Bei allen vier Affen aber scheint es sich nach den vorliegenden Angaben nur um „apokrine“
Drüsen zu handeln. Sollte das richtig sein, so würde es einen wesentlichen Unterschied darstellen
gegenüber dem Menschen, bei dem in diesem Organe auch sehr zahlreiche „ekkrine“ Drüsen vorhanden
sind. Dieser Unterschied würde „wesentlich“ sein, da dadurch das bei den Anthropoiden
auf tretende Organ, den Drüsen nach, ganz den Typus der übrigen Säugetiere zeigen würde, d. h.
den a-Drüsen-Typus. Wie weit die sonstige Haut der Anthropoiden sich mehr menschenähnlich
(e-Drüsen-Typus) oder mehr tierähnlich (a-Drüsen-Typus) verhält, müßte erst noch untersucht werden.
Die bis jetzt darüber vorliegenden Angaben lassen sich nicht verwerten, da bisher der Unterschied
zwischen „apokrinen“ und „ekkrinen“ Drüsen nicht bekannt war, als „freie“ Drüsen aber beide auftreten
können.
Die Ergebnisse derartiger Untersuchungen könnten von wesentlicher Bedeutung sein für die Erkenntnis
der Stellung der Anthropoiden und der Art ihrer Weiterentwickelung nach dem Abtritte
von dem mit den Ostaffen gemeinsamen Stamme.
30. Bei dem d eu tsch en Manne finden sich, so weit ich die angegebenen Körperstellen bis jetzt