wird, war der bunodonte Teil des Gebisses ganz verkümmert, und o» war im Gebiß kein Element
mehr vorhanden, das sich zu größeren Kaufläehen hätte ausbilden lassen.
Das Kapital an omnivoren Gebißelementen, das die Canidae ursprünglich in reichem
Maße besessen hatten, war nach und nach verloren gegangen. Auf der Stufe der Mustelidae
hatte es gerade noch gereicht, daraus ein Gebiß von omnivorem Charakter zu formen, auf der
letzten Stufe der Felidae war es erschöpft und eine omnivore Parallelgruppe zu den Felidae
unmöglich geworden.
Es ist jedenfalls eine sehr bemerkenswerte Erscheinung, daß jeder Stufe, die die Raubtiere
durchliefen, bis aus dem zur Hälfte bunodonten Gebiß der Canidae das rein sekodonte der Felidae
entstand, sieh ein umfangreicher Stamm zur Seite stellt, der ein rein bunodontes omnivores. Gebiß
annahm. Tatsache ist, daß wir annehmen müssen, daß wenigstens- zu drei verschiedenen Malen
völlig unabhängig von einander von dem Stamm der modernen fleischfressenden Camivorä mit wohl-
entuückelten Reißzähnen sich omnivore Formen abgespaltet haben, um unter völliger Aufgabe des
Carnivoren Charakters ihrer Backzähne sich zu artenreichen Gruppen von Pflanzenfressern zu
entwickeln.
Die Annahme ist ausgeschlossen, daß etwa aus den Ursidae sich die Procyonidae unter Verlust
eines unteren Molaren und aus diesen die Mdinae unter Verlust eines oberen Molaren direkt
entwickelt haben. Nur bei tierfressenden Säugetieren kann der letzte Zahn der Backzahnreihe derartig
verkümmern, daß sein völliger Verlust leicht eintreten kann, wie das tatsächlich in der Entwicklungsreihe
der fleischfressenden Raubtiere in auffallendster Weise geschehen ist. Hat die. Backzahnreihe
aber einmal ein rein omnivores oder herbivores Gepräge erhalten,. so tritt eine weitere
Reduktion der Zahnzahl niemals mehr am hinteren Ende der Reihe auf.
Bei Säugetieren mit omnivorem oder herbivorem Gebiß ist ja die Zahl der Backzähne manchmal
außerordentlich reduziert, bei Nagetieren oft auf vier, drei und selbst auf zwei Zähne gesunken.
Auch das Warzenschwein, Phacochoerus, behält oft nur noch: zwei Backzähne; Stets aber sind es
die vorderen Baekzähnejjdie dann verschwunden sind, der letzte Molar bleibt stets erhalten. Es.
gibt wohl keine wirkliche Ausnahme. Wenn in dem omnivoren Gebiß der HapaUdae der letzte Molar
fehlt, so ist das nur dadurch zu erklären, daß dessen Verlust schon zu einer Zeit eingetreten ist, da
das Gebiß noch insektivores Gepräge hatte.
Bei weiterer Fortentwicklung eines rein omnivoren Gebisses wie des.der Ursidae wäre es
undenkbar, daß der letzte wohlentwickelte Molar im Unterkiefer verloren ginge, wie es der Fall
gewesen sein müßte, wenn aus den omnivoren Ursidae die omnivoren Procycmidae entstanden wären.
Ebenso wenig lassen sich von letzteren Formen wie die Mdinae ableiten. Eine Reduktion der letzten
Molaren ist nur erklärlich bei Raubtieren, deren Gebiß ausgesprochen carnivoren Charakter hatte,
wie das bei der Reihe Canidae— Viverridae—Mustelidae—Felidae der Fall ist.
Übrigens bleiben die mit rein omnivorem Gebiß ausgestatteten Carnivora immer noch echte
Raubtiere, jagen auch vielfach noch auf lebende Beute. Sie wissen ihren mächtigen Eckzahn noch
recht wohl zu gebrauchen, nicht nur zum Greifen der Beute, sondern auch zum Zerreißen des erlegten
Wildes, soweit es nicht unzerstückelt in den Rachen eingeführt werden kann. Von regelrechtem
Zerschneiden mittelst sekodonter Reißzähne ist freilich keine Rede. Zwischen den großen Kaufläehen
ihrer Mahlzähne wissen sie aber jeden Bissen gut zu zerkauen. Ihre Hauptnahrung nehmen sie
jedenfalls aus dem Pflanzenreich, wenn auch einzelne Arten sich eigentümlichen Verhältnissen
angepaßt haben und wie der Eisbär wieder ausschließliche Fleischfresser geworden sind.
3. Nahrungsaufnahme bei Amphibien und Reptilien.
Betrachten wir nun im Gegensatz zu den höchst entwickelten modernen Raubsäugetieren
die ursprünglichsten Räuber unter den Tetrapoda.1)
Wir finden sie unter den Amphibien und Reptilien, und es ist fast gleichgültig, welche von
den noch mit Zähnen versehenen bekannten Formen wir der Betrachtung zu Grunde legen. Mögen
es Molche oder Eidechsen oder Schlangen sein, sie stimmen in der Nahrungsaufnahme darin überein,
daß ein von ihnen ergriffenes Beutetier in der Regel noch lebend und unzerstückelt, und ohne im
Rachen einer Bearbeitung durch Zähne zu unterliegen, verschluckt wird. Jedes erbeutete Tier ist
ein Bissen, der auf einmal hinuntergewürgt wird. Die Beute kann daher nur aus verhältnismäßig
kleinen Tieren bestehen. In der Regel wird ein größeres Tier, das nicht auf einmal verschluckt werden
kann, gar nicht angegriffen.
Die große Mehrzahl von lebenden wie fossilen Amphibien und Reptilien weist im Gebiß nur
kegelförmige Fangzähne auf. Mögen diese, wie es besonders bei den Stegocepbalen vielfach der
Fall ist, als feine Hechelzähne in großer Zahl bürstenförmig die Mundknocben bedecken, oder mögen
sie als einzelnstehende größere oder kleinere Fangzähne vorhanden sein, sie sind nur zum Ergreifen
und Festhalten von lebenden Tieren, nicht zum Töten, Zerlegen oder Zerkauen der Beute geeignet.
Gerade die ältesten der bekannten Tetrapoda, die Stegocepbalen, tragen ausschließlich ein solches
Gebiß, auch fast alle paläozoischen Reptilien, und es darf mit Sicherheit angenommen werden, daß
dies die ursprünglichste Gebißform der Tetrapoda ist. Daraus darf wieder mit Sicherheit geschlossen
werden, daß die ältesten Tetrapoda Raubtiere waren, die andere Tiere erschnappten und sie lebendig,
unzerlegt und unzerkaut verschlangen. Diese Art des Nahrungserwerbs läßt sich .gelegentlich noch
bei den höchstentwickelten Landraubtieren der Jetztzeit beobachten. Jede andere Art des Nahrungserwerbs
bei Tetrapoda muß sieb aus dieser ursprünglichsten Form entwickelt haben. Sie hat sich
bei den Amphibien und Reptilien durch alle geologischen Zeiten hindurch erhalten, und nur verhältnismäßig
wenige Formen unter den Reptilien haben wesentliche Abänderungen gegenüber dieser
ursprünglichen Form der Nahrungsaufnahme erworben.
Der Anlaß zu solchen Abänderungen liegt zunächst in der Möglichkeit, Tiere zur Nahrung zu
erbeuten, die zu groß sind, als daß sie ohne Schwierigkeit auf einmal verschluckt werden könnten.
Die Versuchung ist sicher groß, bei Gelegenheit auch eine solche zu umfangreiche Beute anzugreifen
und den Versuch zu machen, sie zu verschlucken.
Es ist bekannt, daß solche Angriffe durch Wirbeltiere, die die Beute nicht zerkleinern können,
gelegentlich Vorkommen. Der Ausgang ist dann der, daß die oft schon halbverschluckte Beute
schließlich wieder ausgespieen wird, oder daß der Räuber durch die vergeblichen Bemühungen, des
übergroßen Bissens Herr zu werden, so erschöpft wird, daß er infolge davon zu Grunde geht. Solche
Fälle sind keineswegs sehr selten und verschiedentlich in der Literatur erwähnt. Ich persönlich
konnte einige interessante Fälle feststellen: Ein tot aufgefundener Vogel, Oedicnemus crepitans, der
mir gebracht wurde, war an einer großen Feldmaus erstickt, die ihm noch im Schlunde steckte; eine
Forelle ging an einer Ringelnatter zu Grunde, die sie bereits zum größten Teil verschluckt hatte.
Auch unter fossilen Formen beobachtete ich ähnliche Beispiele. In der schönen Benecke’sehen
l) Unter dem Namen Quadrupeda habe ich zuerst (1890) die Amphibia, Sauropsida und Mammalia zu einer natürlichen
Gruppe zusammengefaßt und den Fischen gegenüber gestellt. Ich benutze jedoch hier den später für denselben Gruppenbegriff
eingeführten Namen Tetrapoda.