Nach Beendigung dieser Arbeit ergaben sieb neue Fragen, die ich durch Bearbeitung ganz
junger Stadien zu losen hoffte, aber mein E in tritt ins Heer hinderte mich an der Weiterführung
der Arbeit, die nunmfehr von Oktober 1914 bis Oktober 1915 vollständig ruhte.
Nach dieser Pause untersuchte ich zunächst noch einen dritten, sehr jungen Embryo der
überraschenden Aufschluß über manche Probleme gab. Es handelte sich hier hauptsächlich um die
Fragen der isolierten Entstehung der Ohrkapsel.und des Temporalflügels sowie um die Bedeutung
einiger topographisch wichtiger Knorpelteile, wie z. B. des Processus paracondyloideus und der Knorpel
spange die als laterale Begrenzung der Carotis den Temporalflügel mit der Ohrkapsel verbindet -
Das hier bearbeitete e m b r y ö 1 o g i s c h e M a t e r i a 1 entstammte der Serie von 16 ausgezeichnet
erhaltenen Megaptera-Embryonen von 47 mm bis 500 mm Kückenlänge die K ü k e n t h a 1
(1914) ausführlich beschrieben ha t. Zuerst untersuchte ich den Embryo V von 42 mm direkter und
92 mm Ruckenlange der m Alkohol konserviert war. Dieses P räp a ra t diente auch zur H erstellung des
Plattenmodells des Knörpelschädels und der Deckknochen. Obgleich ich mit den erhaltenen Kesul-
ta ten zufrieden sein darf, so muß ich doch sagen, daß der später untersuchte Embryo IX von 69 mm
direkter und 114 mm Kückenlänge zur Rekonstruktion doch noch geeigneter gewesen wäre. Es
zeigte sich namheh einerseits, daß das Primordialkranium erst hier bei diesem relativ riesigen Embryo
den Höhepunkt semer Entwicklung e r r e i c h t || Ersatzverknöcherung läß t sich noch nirgends nach-
weisen s 4 un d andererseits war dieses in Formol fixierte P räp a ra t noch unvergleichlich besser
erhalten, als der Embryo V. Sämtliche nervöse Elemente, die Gewebe des Auges und die inneren
Epitheken z ag ten einen so vorzüglichen Zustand, wie man ihn selbst an weniger seltenem Material
nicht oft antrifft Man muß annehmen, daß dieses Präp a ra t sehr bald nach dem Fange konserviert
worden ist. Ich bin allerdings der Ansicht, daß auch die A r t der Konservierung, auf die wir unten
noen zuruckkommen, hier von großer Bedeutung ist.
Das nächste Stadium, das ich untersuchen durfte, war der Embryo I I I von 30 mm direkter
und 62 mm Ruckenlange, sicherlich der kleinste Walembryo, der bisher zur mikroskopischen Untersuchung
gelangte. Die noch kleineren Embryonen I I und I erschienen mir zu jung; ich fürchtete
bei ihnen nur Vorknorpel anzutrelfen. Die Befunde am Embryo I I I , der zwar deutlichen, aber noch
se r jungen Knorpel besitzt, lassen diese Befürchtung gerechtfertigt erscheinen. Die Bearbeitung
noch jüngerer Stadien ist daher soweit es sich nm die Entwicklung des Schädels handelt -£■ kaum
o en . agegen bestehen zwischen dem Embryo IX und den nächsten größeren, durch freie Prä-
^ a tm n u n te rsu c h te nEm b ry o n e n , wiesie etwa E s c h r i c h t (1869) abbildet, noch starke Differenzen.
Wahrend des Drucks dieser Arbeit habe ich daher noch eine Schnittserie durch den Kopf eines
vierten noch größeren Embryo (Stadium X I I von 145 mm direkter und 210 mm Rückenlänge)
hergestellt. - Eine ausführliche Darstellung dieser Entwicklungsstufe ist mir vorläufig unmöglich,
doch smd immerhin wahrend der Korrektur einzelne von den jüngeren abweichende Punkte nachgetragen
worden.
Nur wenige Worte will ich noch über die T e c h n i k der Konservierung und Rekon-
struktion sagen.
^ Zunächst halte ich es durchaus nicht für gleichgültig, ob die Embryonen z u e r s t in Alkohol
oder m Formaldehyd gehärtet werden. Nach meinen Erfahrungen kommt es bei Alkoholkonser-
Vierung fast stets zu Schrumpfungen und Deformationen, da die auf die einfachsten Hilfsmittel
angewiesenen Sammler von Walembryonen offenbar selten Gelegenheit haben, durch a l l m ä h l
i c h e b t e i g e r u n g der Alkoholkonzentration diesen Übelstand zu vermeiden. Diese Schwierigkeit
wird umgangen, wenn das Präpa ra t zuerst in Formol gelangt, in dem es freilich nicht monatelang
bleiben darf;
F ü r unbedingt nötig halte ich es, daß a l l e Fehlerquellen, die während der Konservierung,
während des Schneidens der Serie und während der Rekonstruktion auftreten, möglichst vollständig
ausgeschaltet werden, da jede Abweichung vom tatsächlichen V erhalten am rekonstruierten
Modell in gesteigerter Form in Erscheinung tritt.
Aus diesem Grunde ist der E inbettung in Paraffin vor der Celloidinmethode unbedingt der Vorzug
zu geben. D e Bu r l e t (1914, 1) weist darauf hin, daß die Anbringung einer Definierebene
bei Celloidinblöcken versagt, „da diese Ebene sich bei geringer Änderung der Alkoholkonzentration
leicht wölbt und damit ihren Wert als Leitfläche beim Aufbau der Wachsplatten verliert“ . D e
B u r l e t suchte sich zu helfen, indem er die Richtebene aufgab und dafür Marken im Innern des
Blockes anbrachte, nämlich mit einer Hohlnadel Kanäle senkrecht zur Schnittfläche bohrte. Ich
fürchte jedoch, daß durch diese an u nd für sich einwandfreie Methode die Fehlerquelle zwar gemildert,
aber durchaus nicht beseitigt worden ist. Denn es ist ja ohne weiteres klar, daß bei der Gestaltsänderung
des Celloidinblockes nicht nur die äußeren Wände, sondern entsprechend — wenn auch
in geringerem Grade — die inneren Teile des Blockes verzerrt werden. Selbst das eingeschlossene
Objekt kann in Mitleidenschaft gezogen werden (vgl. d e B u r l e t 1913, 1, S. 523).
Alle eben angedeuteten Übelstände fallen weg, wenn man die Einbettung in Paraffin anwendet.
Unbedingt anzuraten ist dabei die vorhergehende Stückfärbung, die das Weiterbehandeln
der Schnitte auf ein Minimum reduziert. Kleinere Schnitte kann man dann sofort auf den Objektträger
bringen. Größere Paraffinschnitte zeigen dagegen oft eine leichte Wellung oder Runzeln,
besonders am Rande, die am besten durch Strecken auf warmem Wasser beseitigt werden. Um diese
Prozedur schnell und ohne Verwechseln der einzelnen Schnitte, deren Reihenfolge ja streng innegehalten
werden muß, durchführen zu können, habe ich einen einfachen Apparat gebaut, dessen
Beschreibung sich in der Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie (1914) findet.
Die hier untersuchten Köpfe sind je nach der Größe folgendermaßen behandelt worden: nach
1—3tägiger Entkalkung (100 ccm 70 % Alkohol, 10 ccm reine Salpetersäure, 1 g Phlorogluein) wurde
mindestens einen Tag lang in fließendem Wasser gespült und darauf das ganze Objekt 8—14 Tage
lang in Haemalaun (nach P. Ma y e r ) gefärbt. Is t die Durchfärbung vollständig, so gibt das P rä p
a ra t in der nun folgenden, mehrere Stunden währenden Differenzierung in (oft erneuerter) 3 %
wässriger Kaliumalaunlösung dunkle Wolken von Farbstoff ab. Nunmehr kamen die Präparate
wieder 24 Stunden in fließendes Wasser und wurden darauf im Verlauf von 3—4 Tagen allmählich
in absoluten Alkohol, Xylol und Xylol-Paraffin überführt. Der Aufenthalt in absolutem Alkohol
und Xylol ist möglichst abzukürzen. Man wechsle dafür diese Substanzen öfter, etwa alle zwei
Stunden. Auch die eigentliche Paraffinbehandlung ist möglichst schnell durchzuführen. Nach
fünf- bis sechsmaligem Wechsel, wobei natürlich stets neues, ungebrauchtes Paraffin zu nehmen
ist, kann man die Einbettung vornehmen.
Die Anbringung der Richtebene, auf die niemals verzichtet wurde, geschah stets
vermittelst Kratzer, da die zur Verfügung stehenden Richtkammern mit eingeschliffenen Richtlinien
für die hier behandelten Köpfe der relativ sehr großen Walembryonen zu klein waren.
Die Schnitte wurden mit Collodium-Nelkenöl auf die Objektträger geklebt, in Xylol gelöst
und in Kanadabalsam eingeschlossen.
Die auf diese Weise erhaltenen Schnittserien sind in jeder Beziehung zufriedenstellend.