
mäßig groß, so finden die das weitere Zerkleinern besorgenden Molaren reichliche Arbeit und müssen
groß und leistungsfähig sein. Die Katzen schneiden mit ihren Reißzähnen sehr viel kleinere Bissen
ab, die dann ohne weiteres verschlungen werden können. Grobe Knochen, die von gleich großen
Canidae ohne weiteres aufgefressen werden, scheinen von ihnen gewöhnlich überhaupt nicht verschlungen,
sondern mit den Reißzähnen nur entfleischt zu werden. Es scheint mir, daß durch immer
sorgfältigeres Verarbeiten des Fraßes mittelst der Reißzähne bei Viveniden und MmteUden die Aufgabe
der Molaren immer mehr eingeschränkt wurde, bis sie bei Fdiden überhaupt überflüssig waren.
Die Canidae begnügen sich mit ihren Reißzähnen mundgerechte Bissen herzustellen, die dann
durch die Molaren erst schlückgerecht gemacht werden; die Felidae machen mit den Reißzähnen
die Bissen gleich schluckgerecht und können daher die Molaren entbehren.
Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen Hund und Katze in ihrem Benehmen einem
größeren Bissen gegenüber, der ihnen zugeworfen wird. Der Hund nimmt womöglich sofort den
ganzen Bissen in den Rachen und bearbeitet ihn mit den Molaren, aber n u r im Falle er ihn nicht
ohne weiteres hinunterschlucken kann. Die Katze faßt einen entsprechend großen Bissen mit den
Vorderzähnen, trä g t ihn zur Seite und schneidet dann mit den Reißzähnen fein säuberlich. Stückchen
um Stückchen davon ab. Hunde und Katzen bilden in Bezug auf Nahrungsauffiahme und Gebiß
die beiden Extreme unter den modernen fleischfressenden Carnivora; unter Viveniden und Musteliden
smd wie im Gebiß, so vermutlich auch in der Art der Nahrungsaufnahme die Übergangsformen
verkörpert.
Das einheitliche L eitmotiv bei der Fortentwicklung der- Raubtiere war vor allem Einschränkung
der Kautätigkeit der Molaren. Es machte sich auf allen Entwicklungslinien der Carnivora geltend,
so daß unabhängig von einander auf ganz verschiedenen Linien die einzelnen Entwickluhgsstufen|
wie sie von den heutigen Canidae, Viverridae, Mustelidae und Felidae dargestellt werden, durchlaufen
wurden. Die Endstufe wurde unabhängig von einander von drei der noch lebenden Gruppen, den
Felidae, Hyaenidae und Cryptoproctinae erreicht.
Während nun die Einschränkung der Kautätigkeit das Hauptziel bei der Entwicklung des
Baubtierstammes bildete und immer weitere Fortschritte machte, übte die bequem zu erlangende
Pflanzennahrung fortgesetzt eine außerordentliche Anziehung auf dieselben Baubtiere aus und Wirkte
jener Entwicklungsrichtung entgegen. Diese beiden Motive beeinflussen die ganze Entwicklung des
Baubtierstammes aufs tiefste. Einerseits werden durch das Bestreben, die Kautätigkeit einzuschranken,
die allein zum Kauen geeigneten Molaren nebst Teilen der Beißzähne allmählich ganz
beseitigt und damit die Fähigkeit, auch Pflanzennahrung aufzunehmen, schließlich völlig ausgeschlossen;
andererseits werden durch das Streben nach Pflanzenkost eben dieselben Molaren und
Teile der Beißzähne, soweit sie noch vorhanden sind, konserviert und mächtig entwickelt, so daß
schließlich das ganze Gebiß ein ausgesprochen omnivores Gepräge erhält.
Dieser Widerstreit zwischen zwei entgegengesetzten Entwicklungsrichtungen ist das Charakteristische
bei der Entwicklung des Baubtierstammes, da auf den verschiedensten von einander unabhängigen
Verwandtschaftslinien diese beiden Motive immer und immer wieder zum Ausdruck kommen.
Die ursprüngliche Aufgabe der Mahlzähne der Canidae dürfte wohl das Zermalmen von
Knochen gewesen sein, die in den in den Bachen genommenen großen Bissen sich fanden und dem
Schlucken hinderlich waren. Sie sind vorzüglich dazu geeignet, nicht nur durch die Gestalt ihrer
Kronen, die eine breite, mit Höckern versehene Kaufläche darbieten. Auch ihre Lage in nächster
Nähe des Kiefergelenks, das den Drehpunkt des vom Unterkiefer dargestellten Hebels bildet, ist
die ihrer Aufgabe am besten entsprechende, die darin besteht, harte Gegenstände mit großer Kraft
zu quetschen. Solche bunodonten Zähne nun, die zum Zermalmen von tierischen Knochen geeignet
sind, können ebensogut zum Zerquetschen von vegetabilischen Stoßen benutzt werden, die unzer-
kleinert verschluckt kaum verdaulich wären, in zerquetschtem Zustand aber ein wohlbekömmliches
Nahrungsmittel darstellen.
Nachdem die Baubtiere einmal solche Mahlzähne für ihre aus Fleisch mit Knochen bestehende
Nahrung erworben hatten, ist es leicht zu verstehen, daß sie diese Werkzeuge auch verwenden, um
sich weitere Nahrungsquellen aus dem Pflanzenreich zu erschließen, die oft außerordentlich ergiebig
sind. Ihre bunodonten Mahlzähne haben eben omnivoren Charakter.
Im allgemeinen nehmen die Canidae nur gelegentlich Pflanzenkost neben vorwiegender tierischer
Kost an. Die gleiche Beobachtung läßt sich bei Viverridae und Mustelidae machen, soweit auch
Bei ihnen wohlentwickelte Mahlzähne noch vorhanden sind. Nur einzelne Gattungen wie Paradoxurus
bevorzugen Pflanzenkost. Bei den Felidae und Hyaenidae ist aber Pflanzenkost ganz ausgeschlossen,
da von Mahlzähnen nur noch ganz verkümmerte Beste übrig sind.
Während nun den 3 Familien der Canidae, Viverridae und Mustelidae zwar die Fähigkeit
zur Verwendung vegetabilischer Kost gegeben ist, bewahrt ihr Gebiß aber durchaus den Charakter
des echten Fleischfressers, indem ein mächtig entwickelter sekodonter Beißzahn mit scharfer Klinge
stets vorhanden bleibt. Da ist es nun sehr bemerkenswert, daß neben jede dieser Familien mit ausgesprochenem
Fleischfressergebiß eine andere Gruppe von Baubtieren gestellt werden kann, die
zwar in der Zahl der Molaren ganz mit ihr übereinstimmt, bei der aber nicht n ur die noch vorhandenen
Molaren ganz bedeutend vergrößert sind, sondern bei der auch ein richtiger Beißzahn nicht mehr
entwickelt ist. Ein dem Beißzahn der Fleischfresser homologer Zahn findet sich freilich. Er besitzt
aber nicht mehr die eigentümliche scharfe Klinge eines sekodonten Zahnes, sondern die niedrigen
Höcker eines bunodonten. Auch zeichnet er sich nicht mehr durch besondere Größe aus, sondern die
hinter ihm stehenden Mahlzähne kommen ihm an Größe mindestens gleich oder übertreffen ihn noch;
im Unterkiefer ist es die vordere Hälfte des Beißzahnes, die die sekodonte Ausbildung verliert,
während die hintere Hälfte, die von jeher mahlzahnartig war, bedeutend an Größe zunimmt.
Die ganze Backzahnreihe gewinnt dadurch bei diesen Formen rein omnivoren Charakter.
So lassen sich neben die Canidae mit Fleischfressergebiß (Fig. 1, S. 6) die ürsidae (Fig. 5) mit
omnivorem Gebiß stellen, welche beide oben 2, unten 3 Molaren besitzen. Neben die carnivoren
Viverridae (Fig. 2, S. 6) treten die omnivoren Procyonidae (Fig. 6), beide mit 2 oberen und 2
unteren Molaren;
Bei der nächsten Stufe der Mustelidae mit 1 oberen und 2 unteren Molaren entspricht der
carnivoren Unterfamilie der Mustdinae (Fig. 3, S. 6) die omnivore Unterfamilie der Mdinae (Fig. 7).
Bei deren Hauptvertreter, unserem Dachs, ist der einzige noch vorhandene obere Molar mächtig
entwickelt, während der zweite Molar im Unterkiefer bereits zu sehr verkümmert war, um noch zu
einem wirkungsvollen omnivoren Zahn sich ausbilden zu können. Dafür tr a t der mahlzahnartige
hintere Teil des Beißzahnes ein, der stark vergrößert das Gegenstück zu dem großen oberen Mahlzahn
bildet. Auf diese Weise konnte sich selbst auf dieser von den Mustelidae dargestellten Entwicklungsstufe
des carnivoren Gebisses, auf der die bunodonten Mahlzähne schon sehr s tark zurückgebildet
waren, noch eine Gruppe omnivorer Formen entwickeln, die Mdinae. Es war die letzte Möglichkeit
in der Entwicklungsreihe der Baubtiere; denn auf der nächsten Stufe, die von den FeUdae dargestellt
Zoologien. Heft 71.