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Erde vereinigen sich zu einem Bilde, das den europäischen Naturfreund
in stetem Wechsel von Erstaunen und Entzücken erhält. I
Wenn wir es hier versuchen, ein Gemälde von dem Innern einer
tropischen Urwaldung zu entwerfen, dürfen wir nicht vergessen, auf das
Verhältniss aufmerksam zu machen, welches rücksichtlich des Selbsterhaltungstriebes
zwischen den einzelnen Individuen statt findet. Bei einer so
grossen Fülle von Leben und einem so kräftigen Ringen nach Entwickelung
vermag seihst ein Boden so fruchtbar und üppig wie der hiesige nicht die
nöthige Nahrung in gehörigem Maasse zu reichen; daher stehen jene riesenartigen
Gewächse in einem beständigen Kampfe der Selbsterhaltung unter
einander, und verdämmen sich mehr noch als die Bäume unserer Waldungen.
Selbst die schon hoch erwachsenen und einer grossen Masse von Nahrungsstoffen
bedürftigen Stämme empfinden den Einfluss ihrer noch mächtigeren
Nachbarn, bleiben bei Entziehung der Nahrung plötzlich im Wachsthume
zurück und fallen so in kurzer Zeit den allgemeinen Naturkräften anheim,
die sie einer schnellen Auflösung entgegenführen. Man sieht so die edelsten
Bäume nach wenigen Monaten eines atrophischen Leidens von Ameisen
und anderen Insecten zernagt, vom Grund bis an die Spitze von Fäulniss
ergriffen, bis sie plötzlich zum Schrecken der einsamen Bewohner des Waldes
unter krachendem Geräusche Zusammenstürzen. Im Allgemeinen machen
die Landbauer die Bemerkung, dass Stämme, welche einzeln zwischen
mehreren einer andern Art stehen, leichter von letzteren unterdrückt werden.
Eine regelmässige Forstcultur, an die freilich bis jetzt in diesen wenig bevölkerten
Wäldern noch nicht gedacht worden ist, wird daher hier künftig nicht
sowohl das Wachsthum der Stämme in gedrängter Nachbarschaft befördern,
sondern vielmehr dafür Sorge tragen müssen, dass die Pflanzen in der
zweckmässigen Entfernung von einander aufwachsen.
Nicht minder ausgezeichnet als die Pflanzen-, ist die Thier -Welt,
welche jene Urwälder bewohnt. Der Naturforscher, zum ersten Male hieher
versetzt, weiss nicht, ob er mehr die Formen, Farben oder Stimmen der Thiere
bewundern soll. Den Mittag ausgenommen, wo alle lebende Geschöpfe der
heissen Zone Schatten und Ruhe suchen, und wo daher eine majestätische
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Stille über die im Sonnenlichte glänzende Tropennatur verbreitet ist, ruft
jede Stunde des Tages eine andere Welt von Geschöpfen hervor. Den
Morgen verkünden das Gebrüll der Heulaffen (*), die hohen und tiefen
Töne der Laubfrösche und Kröten (*a) , das monotone Schmettern und
Schwirren der Cicaden und Heuschrecken. (*”) Hat die aufsteigende Sonne
den ihr vorangehenden Nebel verdrängt, so freuen sich alle Geschöpfe des
neuen Tages. Die Wespen verlassen ihre Schuh langen, von den Zweigen herabhängenden
Nester; die Ameisen (*e) kommen aus ihren künstlich von Lehm
aufgethürmten Wohnungen, womit sie die Bäume überziehen, hervor, und
beginnen die Reise auf den selbst gebahnten Strassen; eben so die das Erdreich
hoch und weit umher aufwühlenden Termiten. (*d) Die buntfarbigsten, an
Glanz mit den Farben des Piegenbogens wetteifernden Schmetterlinge, besonders
zahlreiche H e sp e rid e n e ile n von Blume zu Blume, oder suchen ihre
Nahrung auf den Strassen(**) oder, in einzelne Haufen zusammengesellt, auf
besonnten Sandufern der kühlen Bäche. (*g) Der blauspiegelnde Menelaus,
Nestor, Adonis, Laertes, die bläulich weisse Idea und der grosse, mit Augen
bemalte Eurilochus schwingen sich, Vögeln phnlich, durch die feuchten Thäler
zwischen grünen Gebüschen hin. Die mit den Flügeln schnarrende Feronia
fliegt eilig von Baum zu Baum, während die Eule (*h) , der grösste der Nachtschmetterlinge,
mit ausgebreiteten Flügeln unverrückt am Stamme festsitzend,
den Abend erwartet^ Myriaden der glänzendsten Käfer durchschwirren die
Luft und blinken gleich Edelsteinen aus dem frischen Grün der Blätter oder
aus duftenden Blumen hervor. (*') Indessen schleichen Eidechsen von auffallender
Form, Grösse und Farbenpracht (*k) , düstergefärbte giftige (*‘)
oder unschädliche Schlangen, welche an Glanz den Schmelz der Blumen
(*) Mycetes fuscns nob. — (* ®) Hyla boans, aurantiaca D., Faber Neuw., aspera nob.
Rana cornuta, labynnthica nob. Bufo Agua, margaritaceus D., scaber, leucostictus, dorsalis, orna-
tus nob.— (*b) Tettigonia. Locusta. Gryllus.— (*c) Formica leucosoma nob., grossa, megacephala.
—• (*d) Termes fatale L. — (**), Hesperia Aparte, Idas, Proteus, Bixae. __
(* ) Hesperia Fabius, Alcyonia, Numata. P. Orythia, Doris, Flora, Laena, Psidii, Picra. __
(**) A. Protesilaus, Ajax, Policaon, Thoas. —— (*h) Noctua Strix.— (**) Entymus imperialis.
Buprestis equestris, gigantea. Eumolpus nitidus. Clamys crystallisata nob. etc.— (*k) Ameiva
lateristriga Cuv. Tupinambis Monitor. Anolis violaceus nob. Polychrus marmoralus Mer. Seps
fiagilis. Ophisaürus striatus nob.— (**) Bothrops Neuwiedii, leucurusnob.