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 auf  dem  Granitboden  zerstreut  lagen.  Am  10. December  Morgens  langten  
 wir über lauter  wasserreiche  Wiesen  in  S. Cruz  an,  und  wurden von unserem  
 Landsmanne,  Hrn.  Obristlieutenant F eldner ,  welcher sich eben  hier  
 befand,  auf das freundschaftlichste empfangen.  Dieses  Oertchen  von einigen  
 hundert Einwohnern, welches  erst neulich von  dem König den Titel  und  die  
 Vorrechte  eines  Fleckens  {Villa)  erhalten  hatte,  liegt  auf  einer  sandigen  
 flachen  Anhöhe  in  einer sehr ausgedehnten,  ringsum moorigen Ebene,  und  
 besteht,  das königliche  Schloss  ausgenommen,  aus  lauter schlechten Lehmhütten. 
   Das  Hauptgebäude,  früherhin  Eigenthum  des  Jesuitencollegiums  
 zu Rio  de Janeiro  und  gegenwärtig  Privatbesitzthum  des  Kronprinzen  D on  
 P edro  d’Alcantara,  dem  es  von  seinem  Vater  geschenkt  wurde,  enthält  
 die nöthigen Wohnungen für den Landaufenthalt der königlichen Familie,  und  
 ist  von  einigen  Wirthschaftsgebäuden  umgeben.  Ungeachtet  eines  ausgedehnten  
 Wiesengrundes,  eines ausserordentlich grossen Viehstandes von mehreren  
 tausend Stücken,  einer Anzahl  von fast  tausend Negersclaven,  welche  
 für  die  Bearbeitung  der  Fazenda  bestimmt  sind,  und  ungeachtet der Vorliebe  
 des Hofes  für  diesen  Landsitz  befindet  sich  die  reiche  Besitzung  fast  
 noch ganz in demselben Zustande der Vernachlässigung, in welchem sie M awe  
 vor mehreren Jahren  antraf und schilderte.  Man  hat  es  bis jetzt  noch  nicht  
 dahin gebracht,  hier eine Schweißerei nach europäischer Art zu errichten, und  
 der König, welcher in seiner nächsten Nachbarschaft eine der schönsten Heerde  
 von Kühen  besitzt,  muss  sich  mit irländischer  gesalzener Butter  begnügen,  
 die  eine  Seereise  von  mehreren  Monaten  gemacht hat.  Der Vortheil,  den  
 ein solches landwirtschaftliches Institut für die Cultur der ganzen Provinz haben  
 könnte,  wenn sie als Musterwirtschaft bestünde,  ist nicht zu berechnen.  
 Der grösste  Theil  des  hier  gezogenen Rindviehes  stammt von solchem her,  
 das vor  langer  Zeit  aus  Portugal  eingeführt  worden war;  man  hat  jedoch  
 nicht Sorge getragen, dasselbe durch Stiere von Rio grande do Sul zu veredlen,  
 welche  in dem Zustande  einer  gänzlichen Freiheit  so  vorzüglich  gross  und  
 stark  werden.  Dieses  Vieh  ist  deshalb  in  der  Regel  kleiner  und  unansehnlicher  
 als  jenes,  das  wir  in  den  Triften  von  S.  Paul  halbwild  weiden  
 oder  aus  Rio  grande  in  zahlreichen  Heerden  nach  Norden  treiben  sahen.  
 Die Farbe der Haare ist meistenteils dunkelbraun  und die Hörner  sind wenig  
 gewunden  und  nicht  gross.  Dass  übrigens  die  Kühe  in  heissen  Klimaten 
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 weniger  Milch  geben  als  bei  uns,  ist  gewiss,  und  man  pflegt  daher  oft  
 letztere  den  Kälbern,  welche  sehr  lange  saugen fl  zu  überlassen.  Selbst  
 europäische  Kühe  verlieren hier  allmälig  ihre Milchhaltigkeit,  eine Erscheinung, 
   die  wohl  nur  aus  der  im  Gegensätze  der  Trägheit  des  Saugader-  
 und  Drüsensystems  vorherrschenden  Action  des Hautsystems  und  der  stärkeren  
 Transspiration  zu  erklären  seyn  möchte. 
 Um die Anlage von  «S. Cruz  zu begünstigen,  hatte der vorige Minister  
 Conde  de  L inhares  einem  Theil der  ins  Land  gerufenen  chinesischen Colo-  
 nisten  hier  Wohnungen  angewiesen.  Wenige  derselben  waren  jetzt  anwesend, 
   indem  die  meisten  in  die  Stadt  gegangen w aren,  um  als Tabulet-  
 krämer  kleine chinesische Fabricate,  besonders Baumwollenzeuge und Feuerwerk  
 zum  Verkaufe  umherzutragen;  Krankheiten  und  Heimweh  hatten  
 Viele  auch schon hinweggerafft,  Unlust an  der  Umgebung Andere zerstreut.  
 Diejenigen,  welche  noch hier-wohnen,  haben um ihre niedrigen,  im Innern  
 sehr  reinlich  gehaltenen  Hütten  kleine  Pflanzungen  angelegt,  welche  sie  
 mit  Kaffe  und  ihren  Lieblingsblumen,  dem Basilik  und dem Jasmin  zieren.  
 Es  ist  bekannt,  dass  die  Chinesen  in  ihrem  Vaterlande  mit  grosser  Sach-  
 kenntniss  und  Umsicht  den  Ackerbau  treiben,  und  sogar  in  den  Künsten  
 der  feineren  Gärtnerei  wohl unterrichtet sind.  Wirerstaunten  daher  hier,  
 wo  bereits  früher  eine beträchtliche  Anzahl  Chinesen  dem  Ackerbau  obzuliegen  
 bestimmt  war,  noch  so  geringe  Spuren  von  ihrer  landwirtschaftlichen  
 Thätigkeit  zu  finden.  Der  an  dem  Abhange  eines  Hügels  angelegte  
 botanische  Garten  oder  die  Pflanzschule  stellt  beinahe  eine  verwilderte  
 Einöde  dar,  und  der  zunächst  dem  k.  Hause  angebaute  Hofgarten  
 wuchert  bei seiner  tieferen  und wasserreicheren Lage  zwar  mit mehrUep-  
 pigkeit,  ist  aber  eben  so  wenig  gepflegt.  Man  zeigte uns einen tragenden  
 Ast von Grumijama {Myrtus brasiliensis) ,  welcher nach chinesischer Art,  
 als  er  schon  eine  bedeutende  Grösse  erreicht  hatte,  vorr dem Mutterbaum  
 als  Ableger  gewonnen  worden  war.  Die  Chinesen  üben  hierin  eine  sehr  
 sinnreiche Methode,  welche  sich  in  heissen  Ländern,  wo  die  Vegetation  
 kräftiger  ist  als  bei  uns,  vorzüglich  empfiehlt.  Sie  besteht  darin,  dass  
 man  den  meistens  schon  mehrere  Zolle  dicken  Ast,  der  abgelegt  werden  
 soll, mit  einem  Band  von  Stroh,  in  welches Pferdemist  gewickelt ist,  und