grünenden Gehänge und Matten; die Quellen eilen mit schnellerem Laufe den
Gründen zu; man sieht sich bald auf ho'hen Standpuncten, die eine erhabene
Aussicht auf mannichfaltige isolirte Bergkuppen und tiefe Thäler eröffnen,
bald zwischen drohend steilen Bergwänden eingeschlossen. Alles nimmt
immer mehr den Charakter einer heroisch-romantischen oder wahren Alpen-
Gegend an. Wir gingen nordöstlich von der Passage des Rio Grande auf
Hügeln fort, welche ein Verbindungsglied zwischen der Serra de Capivary
und der de Viruna ausmachen, und auf ihrer Oberfläche verschiedene lose
Trümmer von Eisensteinen, darunter Glaskopf, liegen haben. Die Gegend ist
idyllisch, aber einsam und öde. Die grossen, weit ausgedehnten Verzäunungen,
die an den Thalgehängen fortlaufen und die Weideplätze der einzelnen
Fazendas begrenzen, sind fast die einzige Spur, dass das Land bewohnt sey;
aber die Meierhöfe liegen meistentheils in Nebenthälern versteckt. In einer
dieser Fazendas, da Vittoria, wo wir übernachteten, ist ein grosser Rancho
von Steinen erbaut. Die Einrichtung dieser Gemeindehäuser ist der der
Karavanseraien in Persien oder der Chäuderien in Indien ähnlich. Jeder
Reisende hat Anspruch auf dieselben, und errichtet dafür nichts an den Eigen-
thümer, ausser dass er ihm gewöhnlich für jedes Thier, das während der
Nacht in der eingezäunten Weide ist, einen bis drei Groschen bezahlt.
Die Strasse führt von hier in der Richtung gegen N. N. O. über
mehrere abgerundete, kahle, .oder nur sparsam mit einigen Compositis,
Rhexien und Gräsern bewachsene Berge, welche als Zwischenglieder die
von S. O. nach N. O. laufenden Hauptäste der Serra Mantiqueira verbinden.
Kurz vor dem letzten dieser hohen Berge, Morro de B om -fim , passir-
ten wir den Rio das Mortes, welcher sich durch das ziemlich breite,
sumpfige Thal mit seinem schwärzlichen Gewässer hindurch windet, und
durch Nebenflüsse vergrössert, zwanzig Meilen westlich von S. Joäo d’El
Rey mit dem Rio Grande veroindet. In diesem Thale war es, wo einst
die Paulisten, durch Goldgierde unter einander entzweit, in blutigen Kämpfen
sich aufrieben, durch welche Niederlage der Fluss seinen Namen erhalten
hat. Der Morro de Bom-fim ist sehr steil, und daher für Lastthiere
äusserst schwer zu besteigen; er besteht aus Gelenzquarzschichten, und trägt
auf seinem kahlen, breiten, lang auslaufenden Rücken zerstreute Quarztrüm|
mer in Menge. Von seiner Höhe geniesst man eine herrliche Aussicht auf das
ganze Thal des Flusses, und, sobald man an seinem anderen Ende herabsteigt,
auf die am Fusse des gleichfalls kahlen Gebirges Lenheiro ausgebreitete
Villa de S. Joäo d'El R e y , ehemals Villa do Rio das Mortes
genannt, von welchem Flusse sie eine halbe Meile entfernt liegt. Die vielen
Gebirge, womit dieses Städtchen eingeschlossen ist, die zahlreichen blendend
weissen Häuser, und der kleine oft beinahe ausgetrocknete Fluss
Tijuco, welcher es in der Mitte durchschneidet, geben ihm ein schönes
romantisches Ansehen. Eine Menge am Abhange zerstreuter Landhäuser
führen zu der soliden, steinernen Brücke, welche über das genannte
Flüsschen gebaut ist, und den einen längs der Anhöhe liegenden Theil des
Städtchens mit dem anderen grösseren in der Ebene verbindet. Der Fremde
sieht sich hier, besonders nach so langer Entbehrung auf einer Reise im
Innern, mit Vergnügen in eine kleine Handelsstadt versetzt. Gepflasterte
Strassen, stattliche, mit inländischer Malerei ausgezierte Kirchen, mit allen
europäischen Handels- und Luxusartikeln reichlich versehene Kaufläden, mancherlei
Handwerksstätten u. s. w. verkünden den Wohlstand des Ortes,
welcher durch seinen Binnenhandel zu den lebhaftesten Brasiliens gehört.
Die Villa de S. Joäo (TBl R e y , von dem Könige Johann V. so genannt, ist,
wie Villa Rica, do Principe, Sabarä und neuerdings Paracatü, einer der Hauptörter
der fünf Comarcas in der Capitanie Minas Geraes, und zwar der Comarca
das Mortes, die etwa fünfzig Meilen im Durchmesser misst. Das Städtchen
selbst hat eine Bevölkerung von sechstausend Menschen, worunter nur ein Drit-
theil Weisse sind, einen Oberrichter (Ouvidor), eine Goldschmelze (Casade
fundigäo do oiro), eine lateinische Schule, ein Hospital, ein Correctionshaus,
das grösstentheils Mörder verwahrt, mehrere Capellen und vier Kirchen, unter
denen sich die schöne Metropolitankirche auszeichnet. Wenn gleich die nächste
Umgebung der Villa sehr gebirgig und kahl, auch wenig bevölkert zu seyn
scheint, so finden sich doch in den Gebirgsschluchten und in den Thalgründen
viele Fazendas zerstreut, welche sowohl den nöthigen Bedarf an Mais,
Mandiocca, Bohnen, Orangen, Taback, als auch etwas Zuckerrohr und
Baumwolle, vorzüglich aber Käse, viel Hornvieh, Schweine, Maulthiere
liefern, und nebst den sehr fischreichen Bächen hinlängliche Nahrungsmittel
darbieten.