ge wühl bemerkt. Vorzüglich sind der Hafen, die Börse, die Märkte und die
dem Meere nächsten, meistentheils mit europäischen Waarenlagern versehenen,
Gassen stets mit einem Gewimmel von Kaufleuten, Matrosen und Negern
angefiillt. Die verschiedenen Sprachen der .sich durchkreuzenden Menschenmenge
von allen Farben und Trachten, das abgebrochene, immer wiederkehrende
Geschrei, unter welchem die Neger die Lasten auf Stangen hin-
und hertragen, die dazwischen krächzenden Töne eines schwerfälligen,
zweirädrigen Ochsenkarrens, auf welchem Waaren durch die Stadt geschleppt
werden, der häufige Canonendonner von den Castellen und den,
aus allen Weltgegenden einlaufenden, Schiffen, endlich das Geprassel der
Raketen, womit die Einwohner fast täglich, schon vom Morgen an, religiöse
Feste feiern, — vereinigen sich zu einem verworrenen , nie gehörten,
den Ankömmling betäubenden Getöse.
Den bei weitem grössten Theil der Bevölkerung von Rio de Janeiro
machen Portugiesen, oder deren Abkömmlinge, sowohl weisser, als gemischter
Farbe, aus. Americanische Ureinwohner sind hier beinahe nie zu
sehen. Sie vermeiden wo möglich die Stadt, und erscheinen nur äusserst
selten und zufällig, gleich Zugvögeln, in dem ihnen fremdartigen Geräusche.
Die nächsten sollen der Mission von S. Lourengo an der Bai von
Rio de Janeiro angehören, von wo aus sie Töpferwaaren feilbieten; andere
kommen zuweilen weiter her aus der Gegend von Campos im Districte von
Goytacazes, oder von Arêas, einer kleinen Villa am Wege nach S. Paulo,
oder von Minas Geraës in Begleitung der Maulthiercaravanen, welche diese
Orte mit der Hauptstadt beständig in Verbindung setzen. Die braunen
Bootführer im Hafen, die manche Reisende für Indianer angesehen haben,
sind Mulatten oder Mischlinge von diesen. Der erste ursprüngliche Arne-
ricanér, den wir hier sahen, war ein Knabe vom menschenfressenden
Stamme der Botocudos in Minas Geraëa; er befand sich in dem Hause
unseres Freundes v. L angsdorff. Der vormalige portugiesische Staatsminister,
Conde da Barca, hatte nämlich von dem Districtscommandanten der Indianer
in Minas Geraës einen indianischen Schädel für unsem berühmten
Landsmann, Hrn.Hofrath Blumenbach, verlangt; da Jener nicht Gelegenheit
fand, eines solchen todten Documentes habhaft zn werden, so schickte er
dem Grafen zwei lebendige Botocudos, welche bei einem plötzlichen Ueber-
falle von seinen Soldaten gefangen worden waren; Hr. v. L a n g sd o r f f
erhielt nun den Einen derselben, welcher ihm bald sehr lieb wurde, und
nicht nur als lebendiges Cabinetstück, sondern auch als Einsammler von
Naturalien diente.
Vor der Ankunft; des Königs bestand die Gesammtbevölkerung von
Rio aus etwa fünfzigtausend Seelen, so zwar, dass die Zahl der farbigen
und schwarzen Einwohner jene der weissen um ein Beträchtliches überstieg.
Im Jahre 1817 dagegen zählte die Stadt, und was zu ihr gerechnet wird,
über einhundert und zehntausend Einwohner. Man darf annehmen, dass
seit dem Jahre 1808 nach und nach vier und zwanzigtausend Portugiesen
aus Europa hiehergekommen sind. Diese bedeutende Einwanderung von
Portugiesen, wozu noch eine Menge Engländer, Franzosen, Holländer,
Deutsche und Italiener kommen, welche sich nach Eröffnung des Hafens
hier theils als Kaufleute, theils als Handwerker niederliessen,
musste, abgesehen von jeder andern Rücksicht, schon allein dadurch auf
die Veränderung des Charakters der Einwohner wirken , dass das früher
bestehende quantitative Verhältniss der weissen Menschen zu den schwarzen
und farbigen ganz umgekehrt wurde. Vorzüglich aber ist in dem
Stande der reicheren Kaufleute der Hauptstadt und selbst des Innern der
benachbarten Provinzen von Minas Geraës und S. I^uilo bemerkbar, wie die
Civilisation, die Bedürfnisse des Lebens und somit die Betriebsamkeit durch die
Eingewanderten einen neuen Umschwung erhalten haben. Brasilien hat eigentlich
keinen Adel ; die Geistlichen, Beamten und die wohlhabenden Familien
im Innern, also Gutsbesitzer und Bergbauer, besassen vor der Ankunft
des Königs gewissermassen Allé adelige Vorrechte und Auszeichnungen.
Die Verleihung von Titeln und Aemtern durch den König zog einen Theil
derselben nach der Hauptstadt, von wo aus sie, bekannt mit dem Luxus
und der Lebensweise der Europäer, einen, von dem früheren sehr verschiedenartigen,
Einfluss auf die übrigen Classen des Volkes zu äussern
anfingen. Auch die entfernteren Provinzen des jungen Königreiches, deren
Einwohner von Neugierde, Eigennutz oder Privatverhältnissen bestimmt,
Rio de Janeiro besuchten, gewöhnten sich bald, in dieser Stadt die Haupt-
I. Theil. j j