die Krankheit herbeirufen und verlängern können. Je weniger man auf
sichreflectirt, und je häufiger man sich durch vielerlei Beschäftigung, durch
Spazierengehen auf dem Verdeck, ja selbst durch Fechten und Matrosenarbeit
unterhält, desto leichter gewöhnt man sich an die schaukelnde Bewegung,
am meisten bei einer langen Seereise. Auch wir wurden so allmählig* immer
seltener von dieser unangenehmen Krankheit heimgesucht und vermochten,
von einem freundlichen Wetter begünstigt, den ganzen Tag auf dem Verdeck
zuzubringen. Nur wenn die See sehr hoch ging, und die Bewegungen des
Schiffes heftig wurden, traten die ersten Sensationen derselben, obgleich
vorübergehend, ein; je gleichförmiger aber der Wind und die Bewegung
des Schiffes waren, desto leichter gewöhnten wir uns an letztere, und desto
reizender wurde uns das Seeleben.
Der anhaltend frische Wind brachte uns mit grosser Schnelligkeit in
die Nähe von Madeira. Am 5. Junius Abends, als sich der Himmel mit
dünnen Wolken zu überziehen anfing, bemerkten wir mehrere Vögel’,
unter andern die auf den Wellen dahinschwebende Procellaria pelagica,
als Anzeigen des nahen Landes. W ir segelten daher die Nacht hindurch
mit wenigeren Segeln. Am folgenden Tage um sechs Uhr Morgens
erblickten wir die drei verlassenen Inseln Ilhas desertas, welche mit
zur Gruppe von Madeira gehören, sechs Seemeilen südlich von uns, gleich
eingefallenen Pforten oder ungeheuren Bögen aus dem grenzenlosen Meere
hervortreten. Der nördlichste von diesen drei kahlen Felsen, welche fast
nur von einigen Seemöven und der OrseilleflechteU) bewohnt werden, ist
der niedrigste; der mittlere, an Umfange beträchtlichste und der südlichste
{Bogia) dagegen sind steiler, und beide werden in einer Entfernung von
acht bis neun Seemeilen wahrgenommen. Die Canäle, sowohl zwischen
ihnen selbst als zwischen ihnen und Madeira, sind sicher und kaum unter
sechzig, wohl aber hie und da zwei bis fünfhundert Klafter tief. In
ihnen bemerkt man in den Sommermonaten, während welcher fast regelmässig
derN.O.-Wind andauert, eine südwestliche Strömung der Gewässer.
Die Nebel, welche uns bis jetzt Madeira in S. W . verhüllt hatten, zer-
theilten sich, als die Sonne höher 9tieg, und um neun Uhr erkannten wir
deutlich das östlichste Vorgebirg, Cabo de S. Lourengo, dessen vielförmige
und steil übereinander gethürmte, röthliche Felsenklippen weithin in die
See ragen. Nachdem wir es in Norden gelassen hatten, erfreute uns die
Aussicht auf das in jugendlicher Frische vor uns ausgebreitete Thal von
Porto novo; seine vom Meere aus ansteigenden, grünen Seitenabhänge sind
mit zerstreuten, blendendweissen Häusern besetzt. Die braunen oder rothen
Wände und steilen Kanten des schroffen Gebirges, das durch die Insel
hinzieht, Stecher anmuthig ab gegen das lebhafte Grün der blumenreichen
Gründe. Nichts ist reizender, als der Anblick dieser Insel, welche wie
ein lieblicher Garten auf dem Meere zu schwimmen scheint. Bald sahen
wir in N. W. die Stadt Fanchal und hinter ihr den steil emporragenden
Pico da Cruz. Als am Abend die Fregatte sich nicht weit vom Lande
befand, wurde die Flagge aufgesteckt, und sogleich eilte ein portugiesisches
Boot von der Stadt herbei, um die nöthigen Erkundigungen einzuholen.
Des stärkeren Windes wegen, der sich erhob, und die Ankerung auf dem
sehr abhängigen Felsengrunde noch unsicherer und gefährlicher machte,
hielt der Commandant für gut, noch in der See zu bleiben; es wurde daher das
Boot ausgesetzt, um die Gesandtschaft und die. Naturforscher ans Land zu
bringen, während die Fregatte die Nacht hindurch bordegirend auf der
Rhede verweilte. Die offene Lage dieses Hafens, in welchem die Schiffe
bei heftigen Winden, besonders aus S. O. und S. W ., leicht gegen die
Klippen des Ufers getrieben werden, machte eine solche Vorsicht nöthig.
Erst am Mittag des folgenden Tages, als wir Beide schon den gebirgigen
Theil der Insel bestiegen hatten, und uns an dem grossartigen Anblicke
des Oceans weideten, verkündete die Salve der Fregatte, dass sie Anker
geworfen habe.
Es waren auf diesem schönen Eilande, der ersten portugiesischen
Besitzung, welche Ihre k. k. Hoheit die Erzherzogin betreten sollte, festliche
Zubereitungen für Ihren Empfang gemacht worden, und die Gesandtschaft
wurde wiederholt eingeladen, hier einige Tage zuzubringen. Man hatte
jedoch bestimmt, nur so lange zu verweilen, als nöthig sey, um von dem
köstlichen Rebensäfte der Insel einzuschiffen, und da dieses am Tage der
Ankunft geschah, so war den Naturforschern nur ein einziger Tag vergönnt,
die nächste Umgebung von Funchal zu besuchen. Noch am Abend