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eines deutschen Consuls der Hansestädte zu Lissabon, ein Mann von bedeutender
literarischer Bildung und ein verdienstvolles Mitglied der Lissaboner
Akademie, legte einen Plan, zum Theile im Geiste einer deutschen Hochschule,
vor, der zwar vielen Beifall bei dem Ministerium, aber zugleich von Seite derjenigen,
welche Brasilien als Colonie von Portugal ferner abhängig wünschten,
so grosse Hindernisse fand, dass die ganze Unternehmung unterblieb. Und
doch ist es nur die Errichtung ein%r Universität, wodurch ,die schlummernden
Kräfte des Landes geweckt, und Brasilien einst, im schönen Wetteifer mit dem
Mutterlande, auf die würdige Stufe eines bedeutenden Reiches gehoben werden
kann. Bis dieses geschehen wird, sind die Brasilianer gezwungen, so
kostspielig und verdrüsslich es ihnen auch fallt, ihre letzte Bildung jenseits
des Oceans, in dem europäischen Coimbra zu holen. Diese bisher bestehende
Nothwendigkeit wirkte übrigens auf mancherlei Art vortheilhaft für den
studierenden Theil der Jugend, besonders indem er Gelegenheit fand, die
grossen Institute Europa’s kennen zu lernen, das Gute derselben in das
Vaterland hinüberzutragen, und sich überhaupt die Universalität europäischer
Bildung zu erwerben. Sollte jedoch in Zukunft eine Universität in Brasilien
errichtet werden, so müssten, nach dem gegenwärtigen literarischen Stand-
puncte, die ersten Lehrer derselben von Europa berufen werden.
Eine andere Schöpfung, welche besonders den im Auslande gebildeten,
seit einigen Jahren verstorbenen Minister Araujo, Conde da B arca, zum Urheber
hatte, ist die Akademie der Künste. Während Europa, in der Gründung
einer solchen Anstalt einen, wie es schien, triftigen Beweis von der raschen
Entwickelung des neuen Staates erblickte, bemerkt man doch bei näherer
Beobachtung, dass sie gegenwärtig dem Bedürfnisse des Volkes keineswegs
angemessen ist, und deshalb hier noch nicht ins Leben treten kann. Mehrere
französische Künstler, Historien- und Landschaftsmaler, Bildhauer, Graveurs
und Baumeister, und an ihrer Spitze L ebreton, vormals Secretär der Akademie
der Künste zu Paris, welcher jedoch bald nach unserer Ankunft
auf seinem Landgut bei Rio de Janeiro starb, waren aus Frankreich
gerufen, hier durch Lehre und Werke den Kunstsinn der Brasilianer,
auf welchen Araujo zuversichtlich gerechnet hatte, zu erwecken und
zu beleben: allein man musste bald einsehen, dass die schönen Künste
nur dann erst sich hier niederlassen können, wenn die -mechanischen,
welche die ersten Bedürfnisse befriedigen, für den Empfang derselben
vorbereitet haben , und dass in einem Volke, nur nachdem das nach
Aussen gekehrte Leben des Handels begründet und befestiget is t, das
Streben nach Kunstgenuss und künstlicher Ausbildung erwachen könne.
Auch ist es nothwendige Folge der gegenwärtigen Bildungsstufe Brasiliens,
dass der Bewohner dieses Tropenlandes, überall umgeben von den phantasievollen,
malerischen und dichterischen Naturschönheiten seines Vaterlandes,
sich den freiwillig gebotenen Genüssen eines so glücklichen Himmels näher
fühlt, als jenen mit Anstrengung zu erringenden der Kunst. Dieses Ver-
hältniss bezeichnet den Gang, welchen künstlerische und wissenschaftliche
Bestrebungen in America überhaupt nehmen, und dürfte dem Regenten
andeuten, dass hier jeder Ausschmückung des Staatsgebäudes durch Kunst $
erst noch eine feste Begründung seiner Fundamente vorangehen müsse.
Der Sinn für Malerei und Bildhauerkunst ist hier fast noch gar
nicht rege; man sieht deshalb auch in den Kirchen, statt eigentlicher
Kunstwerke, nur mit Gold überladene Zierathen. Dagegen wird die
Musik bei den Brasilianern und besonders in Rio de Janeiro mit mehr
Vorliebe geübt, und in ihr mag man wohl am frühesten zu einer gewissen
Vollendung kommen. Der Brasilianer hat mit dem .Portugiesen
einen feinen Sinn fiir angenehme Modulation und regelmässige Fortschreitungen
gemein, und wird darin durch die einfache Begleitung des Gesanges
mit der Guitarre befestigt. Die Guitarre ( t^iolaJ ist auch hier, wie im
südlichen Europa, das Lieblingsinstrument; dagegen gehört ein Fortepiano
zu den seltensten Meubles und wird nur in reichen Häusern angetroffen.
Die Volkslieder, welche, von der Guitarre begleitet, gesungen werden, stammen
theils aus Portugal, theils sind sie im Lande gedichtet. Durch den
Gesang und die Töne des Instruments wird der Brasilianer leicht zum Tanze
angeregt, und drückt seine Fröhlichkeit in den gebildeten Gesellschaften durch
zarte Contratänze, in den niederen aber durch sinnliche mimische Bewegungen
und Stellungen, ähnlich jenen der Neger, aus. Die italienische
Oper hat bis jetzt, weder von Seite der Sänger noch des Orchesters,
etwas Vollkommnes aufzuweisen; eine Privatcapelle von Instrumental - und
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