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Lande schon lange Zeitperiode, zurück, ist nur zum Theile von Stein
gebaut und mit Vergoldung, schlechten Fresco- und einigen Oelgemälden
verziert. Das wunderthätige Marienbild zieht viele Wallfahrten aus der ganzen
Provinz und aus Minas hieher. Solcher Wallfahrer begegneten uns mehrere,
als wir am Christabende weiter wanderten. Man reist hier, und zwar Frauen
sowohl als Männer, immer zuPferde oder auf Maulthieren; oft führt auch der
Mann die Frau hinter sich auf demselben Sattel. Die Tracht dieser Pflanzer
ist ganz den Ortsverhältnissen angemessen: ein grauer Filzhut mit sehr breiter
Krämpe, welcher zugleich als Sonnen- und Regendach dient, ein blauer,
langer, sehr weiter Mantel {Poncho), in dessen Mitte oben eine Oeffnung
für den Kopf angebracht ist, Jacke und Beinkleider von dunklem Baumwollenzeuge,
hohe ungeschwärzte Stiefel, unter dem Knie mit einem ledernen
Band und einer Schnalle befestigt, ein langes Messer mit silbernem Griffe,
das als Schutz- und Trutzwaffe am Knie im Stiefel, oder im Gürtel steckt,
und sowohl bei Tische als bei vielen anderen Gelegenheiten dienen muss,
charakterisiren den reisenden Paulisten. Die Weiber tragen lange weite
Ueberröcke von Tuch, und runde Hüte. Alle, welche an uns auf Maulthieren
vorüberzogen, bewährten sich als treffliche Reiter, besonders bei der
Eile, mit welcher sie den von allen Seiten drohenden Gewittern zu entgehen
suchten. Unser langsamer Zug dagegen musste drei gewaltige Regengüsse
über sich ergehen lassen und kam, als es eben dunkelte, zu einem elenden
Hangard mit einer Venda, As Taibas, wo wir kaum Platz fanden, um
die durchnässte Bagage unterzubringen. Der Regen strömte die ganze
Nacht mit Ungestüm herab, und die Frösche der benachbarten Sümpfe,
in ihr Element versetzt , vereinigten sich zu einem düsteren Unisono.
Obgleich die Umgebung nichts weniger als anmuthig war, so brachte sie
doch durch ihre behagliche Sicherung vor der Wuth der Elemente bald eine
fröhliche und lebenslustige Stimmung in uns hervor. Unter angenehmen Erinnerungen
hielten wir die Leiden in Brasilien an diesem Christabend mit den
Genüssen zusammen, welche er in dem gebildeten Europa zu bringen pflegt, und
unsere gute Laune wusste ihnen selbst eine angenehme Seite abzugewinnen.
Zwischen Nossa Senhora apparecida und A s Taibas liegen grosse
Blöcke eines ziemlich feinkörnigen röthlichen, jenem auf der Serra do mar
ähnlichen Granites zu Tage. Sie sind stark abgerundet und erinnerten uns
an die Felsenblöcke, welche man hie und da im nördlichen Deutschlande, in
dem Pothaie Italiens, zwischen'dem Hauptalpenstock und dem Jura in der
Schweiz u. s. w. in grosser Entfernung vom Meere zerstreut findet. Es
ist möglich, dass einst ein grosser Theil des Thaies, durch welches jetzt
der Paraiba strömt, mit dem Meere in Verbindung stand, und diese Felsen
durch gewaltige Einbrüche und Strömungen in ihre gegenwärtige Gestalt und
Lage gebracht wurden. Uebrigens trifft man in dem Thale des Paraiba
mehrere Spuren an, dass derselbe schon öfters sein Bett verändert habe.
Am Christtage setzten wir die Reise in der Richtung von S. S. W .
nach Pendamhongaba, fünf Legoas von Guaratinguetä, fort. Die drei
Bäche, Parapitinga, Agoa preta und Pabeiräo da Villa waren so sehr
angeschwollen, dass wir sie nur mit Gefahr für unsere Sammlungen passiren
konnten. Der Regen stürzte ohne Unterlass in Strömen herab, und das ganze
Thal war fast immer mit dichtem Nebel angefüllt. Wir hatten daher weder
Lust noch Gelegenheit, die waldige und wasserreiche Gegend genau zu
betrachten. Das Reisen in Tropenländern während der Regenzeit hat neben
vielen andern Ungemächlichkeiten und Gefahren auch noch die doppelte Unannehmlichkeit,
dass sowohl die Beobachtung der Umgebungen dem Reisenden sehr
erschwert ist, als auch seine Bücher, Instrumente und die gemachten Sammlungen
kaum selbst durch die angestrengteste Sorgfalt und Aufmerksamkeit vor
Verderbniss gesichert werden können. Pendamhongaba besteht aus einigen,
auf einem Hügel zerstreut liegenden Reihen niedriger Hütten, und zeigt wenig
Wohlstand. DerCapitäo mör des Ortes empfieng uns von Nässe triefende Gäste
sehr artig und lud uns später die.Kirche zu sehen ein, die erst zur Hälfte vollendet
und mit hölzernen Zierathen ohne Geschmack beladen ist. Wir fanden
sie festlich beleuchtet und mit einer Krippe, worin das Christuskind lag,
geschmückt. Diesen sinnbildlichen religiösen Gebrauch auch hier zu finden,
hatte für uns etwas Rührendes, indem wir gerne bei dem Gedanken verweilten,
dass auch in diesen menschenleeren wildschönen Gegenden sich
die Lehre des Heils niedergelassen habe und der christliche Sinn immer
reiner sich entwickeln werde. Seit wir aus dem Gebirge nach dem Thale
des Paraiba herabgestiegen waren, hatte sich die Physiognomie der Land