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ein Marionettentheater zu errichten, und, abentheuerlich genug zusammengestellt,
erschienen der muthwillige Pollicinello, der pedantische Dottore
und die anmuthige Colombina auf dem grossen Ocean. Nur einmal ward
dieses heitere Schiffsleben unterbrochen. Man erblickte nämlich, als wir uns
in 8°, 12' n. Breite befanden , in der Ferne ein grosses Schiff, dessen Bewegungen
verdächtig schienen. Diese Gegend wird so häufig von Freibeutern aus
Buenos - A y r e s und Nordamerica beunruhigt, dass besonders portugiesische
und spanische Schiffe sehr auf ihrer Hut seyn müssen. Doch verschonen
jene Seeräuber auch englische Schiffe nicht, was unter andern Hr. Graf
v. W rbna erfahren musste, welcher als Courier von Rio de Janeiro auf
einem englischen Packetboote zurückkehrend, mit Lebensgefahr angegriffen
und beraubt wurde. Beim Anblicke jenes Schiffes waren sogleich die nöthigen
militärischen Anstalten getroffen worden; jedoch zeigte sich bald vermöge
der Richtung, welche es gegen die Küste von Africa nahm, dass es keinè
feindlichen Absichten hatte. Vermuthlich war es ein portugiesisches Sclaven-
schiff, das nach Guinea segelte.
Während die Zusammenwirkung der Elemente sich immer harmonischer
und grossartiger darstellte, begann auch der gestirnte Himmel für dié
Bewohner des kleinen Fahrzeuges immer mehr ins Gleichgewicht zu treten.
Am 15. Junius, in der Breite 14°, &r 45“, erschien uns zum ersten Male
jenes herrliche Sternbild des südlichen Himmels, das Kreuz, welches jedem
Seefahrer ein Zeichen des Friedens, und, nach seiner Stellung, ein Weiser
der nächtlichen Stunden ist. Schon lange hatten wir auf dieses Gestirn,
als einen Führer zur andern Hemisphäre, gehofft; unbeschreiblich war
daher unsere Freude, als wir dessen an dem feierlich glänzenden Himmel
ansichtig wurden. Von Allen ward es, als ein Zeichen des Heils, mit den
Regungen tiefer Andacht betrachtet; vorzüglich aber wurde das Gemüth bei
seinem Anblicke durch den Gedanken gehoben: auch bis in diese Region, welcher
dieses schöne Sternbild unter dem bedeutungsvollen Namen des Kreuzes
leuchtet, hat der Europäer den Adel der Menschheit , wissenschaftliche und
christliche Bildung, getragen, und sucht ihn, angetrieben von hohen Gefühlen,
bis in die fernsten Gegenden mehr und mehr zu verbreiten. In eben
dem Grade, als sich der südliche Sternenhimmel über unsern Horizont
erhob, sank jener der nördlichen Hemisphäre hinab. Nur mit schmerzlichen
Empfindungen blickten diejenigen, welche Europa ausschliessend ihr Vaterland
nannten, auf den immer tiefer sinkenden Polarstern hin, bis er endlich
in den dichten Nebeln des Horizonts verschwand.* Allmälig Hess auch,
je weiter wir gegen Süden fortrückten, der N. O.-Wind an Stärke nach
und wechselte mit schwächeren Winden bald aus Nord, bald aus Ost ab.
In der n. Breite 10°, 30' und in der Länge 23°. 15' w. von Paris hörte
endlich aller Wind auf und eine majestätische Ruhe herrschte über Himmel
und Wasser. Während wir in dieser Region der Windstillen (Calme)
verweilten, zeigte der Thermometer im Durchschnitt Morgens um tVz Uhr
im Schatten 21,50° R., im Wasser 22,00°; um 1 V2 Uhr im Schatten und
im Wasser 22,00°; Mittags in der Sonne 24,75°, im Schatten und im
Wasser 22,50°; Abends um 8/4 Uhr in der Luft und im Wasser 22,50°;
um 9 Uhr in der Luft 22,00°, im Wasser 22,50°, im Wasser aus der Tiefe
von*zweihundert Klaftern 21,50°; der Aräometer im Wasser von der Oberfläche
2,75° und später 2,50° bis 2,25°; aus der Tiefe von zweihundert
Klaftern 2,50°. Der Hygrometer stand zwischen 54° und 64°; der Barometer
auf 28°; die Variation der Magnetnadel zwischen 13°, 48' und 12°, 48' w.
Glänzend taucht in dieser Gegend am Morgen die Sonne aus dem
Meere auf, und vergoldet die, den Horizont umlagernden Wolken, welche
bald hierauf in grossartigen und mannichfaltigen Gruppen dem Zuschauer
Gontinente mit hohen Gebirgen und Thälern, mit Vulcanen und Meeren,
mythologische und andere wundersame Gebilde der Phantasie vor Augen
zu führen scheinen. Allmälig rückt das Gestirn des Tages an dem ätherisch
blauen Himmel aufwärts; die feuehten, grauen Nebel fallen nieder; das
Meer ruht, oder steigt und fallt sanft mit spiegelglatter Oberfläche in
einem regelmässigen Pulsschlag. Mittags erhebt sich eine fahle, blass schimmernde
Wolke, der Herold eines plötzlich hereinbreehenden Gewitters, das
mit einem Male die ruhige Scene unterbricht. Donner und Blitz scheinen
den Planeten spalten zu wollen, doch bald hebt ein schwerer, salzig schmeckender
Platzregen, unter brausenden Wirbelwinden herabstürzend, das
Toben der Elemente, und mehrere halbkreisförmige Regenbogen, gleich
bunten Triumphbögen über den Ocean ausgespannt und auf der gekräuselten