fast gar kein Instrument mit Fleiss geübt wird. Für den Gesang selbst ist der
Geschmack des Paulisten schon mehr entwickelt. Durch einen europäischen
Landsmann aus dem hohen Norden, Hm. D ankwart, einen schwedischen
Hauptmann, der sich hier niedergelassen hat, wurden wir eines Abends
in eine Gesellschaft eingeführt, ‘ welche sich mit Musik unterhielt und uns
eine sehr günstige Meinung von dem musikalischen Talent der Paulistinnen
gab. Ihr Gesang ist voll Einfachheit und Naivität und entspricht bei dem
Umfange ihrer nicht sehr kräftigen Alt-Sopranstimmen ganz dem Geiste
der idyllischen Poesie. Die Volkslieder sind portugiesischen oder brasilianischen
Ursprungs. Letztere zeichnen sich durch Natürlichkeit in Text und
Melodie vor ersteren aus; sie sind ganz im Volksgeschmacke gehalten,#
und verrathen bisweilen acht lyrischen Schwung der meist anonymen
Dichter. Verschmähte Liebe, Qualen der Eifersucht, Schmerz des Abschieds
sind die Gegenstände ihrer Muse, und eine phantasiereiche Beziehung auf
die Natur giebt diesen Ergiessungen einen eigenthümlichen, stillen Hintergrund,
der dem Europäer um so lieblicher und wahrer erscheint, je mehr
er sich selbst durch den Reichthum und den friedlichen Genuss, den die
Natur um ihn athmet, in eine idyllische Stimmung versetzt, fühlt. Lieder,
wie die als Probe im Atlas beigefügten, werden nicht verfehlen, das Gesagte
zu bestätigen.
Die ganze Provinz von S. Paul ist ein für Viehzucht vorzugsweise
geeignetes Land. Sie besitzt die ausgedehntesten Fluren, auf denen fast
alle Arten Viehes , besonders aber Rindvieh , Pferde und Maulthiere
trefflich gedeihen. Wenn wir annehmen, dass von den 17,500 Quadratmeilen,
welche die Capitanie misst, nur 5,000, also zwei Siebentheile ihres
gesammten Flächeninhaltes, mit Wald, 12,500 Q. Meilen dagegen mit
Triften und Wiesengrund bedeckt seyen, so wären auf eine Familie von fünf
Menschen 11/'iooo einer Q. Meile Wald, welcher zum Ackerbaue benützt
werden kann, und 2^ /iooo einer Q. Meile für Viehzucht tauglicher Flur zu
rechnen. Sobald die Provinz, besonders im Innern mehr bevölkert seyn
wird, werden auch die Erzeugnisse der Agricultur und der Viehzucht
in ein entsprechendes Verhältniss treten; gegenwärtig, wo besonders längs
der Küste und in Gegenden, die sich für Zuckerrohr und andere Colonialproducte
eignen, die stärkste Bevölkerung ist, verhält sich der Ertrag des
Ackerbaues zu dem der Viehzucht fast wie vier zu eitis. Berechnen wir
gemäss der unten folgenden officiellen Tabelle (2) den Gesammtertrag der
Landwirtschaft im Jahre 1814 zu 1,005,764,440 Reis, so kommen davon
nur 178,078,800 Reis auf die Producte der Viehzucht. Im Verhältnisse
zu der. Menschenzahl von 5. Paul ist übrigens die Production der
Colonialwaaren hier schon um ein Bedeutendes geringer als in den nördlicheren
Provinzen, namentlich gedeihen in dieser Breite die Baumwolle und
der Kaffe nicht sehr gut, der Zucker mittelmässig. Zwar zählte man im
J. 1808 in den gerichtlichen Listen nicht weniger als 458 Zuckermühlen und
601 Apparate zum Brennen des Zuckerbranntweins, aber viele jener Mühlen
bereiten nur so viel Zucker, besonders Zuckersyrup, als sie zum häusr
liehen Gebrauche bedürfen, und die Destillirblasen vieler Fazendas sind
so unbedeutend, dass sie nur einige Maas Rum liefern können. Solche
kleine Apparate findet man auf den meisten der 1Q0 Fazendas, die sich
mit Viehzucht beschäftigen (Fazendas de criar) , so fern nur ihre Lage noch
die Cultur des Zuckerrohrs erlaubt, als einen nöthigen Hausrath. Etwa die
Hälfte der Erzeugnisse der Capitanie wird in ihr selbst consumirt, die
andere sowohl zu Wasser als zu Lande ausgeführt. Die eigentlichen Colonial-
producte, als Kaffe, Zucker, Taback, Rum, etwas Baumwolle, Copaivaöl,
Ochsenhäute, Ochsenhörner und Hörnerspitzen, Talgu.s.w. gehen entweder
unmittelbar oder über Rio de Janeiro nach Europa. Die Mandiocca wird
hier selten gebaut, um so mehr aber Mais. Die hiesigen Einwohner erklären
das Mandioccamehl für ungesund , so wie umgekehrt die der nördlichen
Provinzen das Maismehl. Nach Rio wird viel Mais und andere Lebensmittel
zum dortigen Verbrauche ausgeführt; nach Rio grande do Sul, Montevideo,
Buenos-Ayres gehen Zucker und Rum, nach Pernambuco, Searä und Maran-
häo besonders an der Sonne getrocknetes oder gesalzenes Fleisch (Passoca).
Goyaz und Matto-Grosso erhalten von S. Paul neben den ausländischen
Erzeugnissen auch noch Salz und Eisen. Der einzige Hafen der Provinz,
welcher unmittelbaren Verkehr mit Oporto, Lissabon und den portugiesischen
Inseln hat, ist Santos; obgleich nur zwölf Legoas von der Hauptstadt
S. Paulo entfernt, ist er doch durch die hohe und steile Gebirgskette der
Serra do mar, welche sich vom Morro formozo aus längs der Küste