Mit dem Ende dieser Strasse hört aber auch die Möglichkeit auf, Wagen zu
gebrauchen, die auf dem ungleichen Wege nur mit Gefahr geführt werden
könnten. In Brasilien denkt man eben so wenig an die Erleichterung des Handels
durch fahrbare Strassen und Waagen, als in Deutschland an die Construc-
tion von Eisenbahnen, indem die Fortbewegung der Güter auf Maulthieren dem
Bedürfnisse der Einwohner Genüge leistet. Von der Höhe des Gebirges,
der sogenannten Serra de Estrella, 3,376 Par. Fuss über dem Meere,
übersieht man die« Bai mit ihren grünenden Inseln und der Hauptstadt im
Hintergründe. Die entgegengesetzte Seite bietet die beschränktere Ansicht
eines hügeligen, sehr unebenen , mit dichter Waldung bedeckten Landes dar,
das sich von hier gegen die Ufer des Rio Paraiba '•hinerstreckt. Die
ßergstrasse führt auf der Nordseite zuerst nach Corrego Seco, einem
ärmlichen Dörfchen, 2,200 Par. Fuss über dem Meere erhaben. Hier brachten
wir einmal die Nacht in der elenden Schenkbude zu, welche uns im
vollsten Maasse einen Vorgeschmack von den Beschwerlichkeiten der Reise
ins Innere gab. Ein Gericht aus trockenem Mehl der Mandioccawurzel und
an der Sonne getrocknetem, zähem Rindfleisch bestehend", eine harte Bank
ohne Polster und Decken als Schlafstätte stellten die Geduld und Fähigkeit
für eine Campagne auf die Probe. Die Nacht wäre für Deutschland eine
des schönsten Sommers gewesen, da der Thermometer nicht unter 14° R*
herabfiel, und doch war es uns fast unmöglich vor empfindlicher Kälte des
Schlafes zu gemessen. Es ist eine eben so sonderbare als allgemein bemerkte
Erscheinung, dass nur wenige Monate in einem warmen Klima
verlebt hinreichen, dem Organismus eine ausserordentliche Empfindlichkeit
gegen die Abstufungen der Wärme zu geben. Sie rührt vermuth-
lich von der erhöhten Thätigkeit des Nervensystems, einer natürlichen
Folo-e des grossen Licht - und Wärmereizes, her. Diese Intensität der
Reizung und die Lebhaftigkeit aller organischen Thätigkeiten während
des Tages hat mit Eintritt der Nacht auch eine bedeutende Herabstimmung
der organischen Kräfte zur Folge, so dass nur die Kühle den ermatteten
Gliedern neue Stärke ertheilt. So wie die Sonne in diesen Breiten
ihren Einfluss auf den Planeten kräftiger übt als bei uns, und deshalb die
ganze Natur während des Tages gleichsam heller wacht, so tritt auch, sobald
sie unter dem Horizont ist, tiefere Ruhe und festerer Schlaf ein. Das
Thierreich schläft hier tiefer und länger als in nördlicheren Breiten, und
auch die Pflanzen beurkunden mehr als bei uns durch das Zusammenhalten
und Herabneigen ihrer Blüthen und Blätter einen Stillstand in den von der
Sonne geweckten Lebensbewegungen.
Wir verfolgten von Corrego Seco die Landstrasse durch ein hohes,
zerschnittenes, zum Theil von massigen Granitbergen beschränktes Land,
passirten Belmonte und gelangten endlich zu dem Landsitze des Padre
Correa , den wir auf seiner Durchreise in IMandiocca kennen gelernt
hatten. Dieser würdige Geistliche, ein geborner Brasilianer, ist rücksichtlich
seiner ökonomischen Thätigkeit ein Muster seiner Nachbarn. Er hat
durch die Anlagen von bedeutenden Baumschulen bewiesen, dass das kältere
Klima dieser höher liegenden Gegenden die Cultur europäischer Früchte
begünstige. In seinen Pflanzungen sieht man besonders Feigen, Pfirsiche
und Weintrauben reifen, und zwar in solchem Ueberflusse, dass der Besitzer
hiemit den Markt in der Hauptstadt versorgt und aus dem Erlöse
jährlich grosse Summen beziehet. Einen andern Erwerbszweig hat dieser
unternehmende Mann auf die Geschicklichkeit seiner von ihm sehr menschenfreundlich
behandelten Sclaven gegründet, welche eine beträchtliche Menge
von schwedischem Eisen zu Hufeisen und anderem Geräthe zum Verkaufe
verarbeiten. Hier begegneten wir zum zweiten Male dem Gebirgsbach
Piabanha, welcher obgleich ziemlich stark dennoch wegen seines felsigen
Bettes bis zu seiner Einmündung in den tief von S. Paulo herkommenden
Rio Paraiba nicht schiffbar ist. Ueber Hügel von Gneiss und Granit,
die mit einer Lage von rothem Thon bedeckt sind, kamen wir Abends
in Soumidouro, einem Oertchen von wenigen Häusern mitten im Walde
an der Quelle eines Gebirgsbaches gelegen, an. Man nahm uns gastfreundlich
auf und gab uns die Auskunft, dass von hier noch eine halbe
Tagreise bis zu dem Wachtposten (Destacamento) von Paraiba sey, wo alle
aus Minas Geraës herziehenden Karavanen wegen des Unterschleifes mit
Goldstaub, und die Pässe von fremden, ins Innere jenes Goldlandes Reisenden
auf das strengste untersucht werden. Um dieser Untersuchung
zu entgehen, durchzogen wir die hier so menschenleeren und düstern Wälder
nur bis zu einer einsamen Fazenda, welche nicht weit mehr von dem
I.Theü.