Miene versicherte, dies sei unmöglich , weil er durch ein tägliches Gebet
an St. Thomas alles böse Gewürm fern halte. Allerdings ist die Begegnung
giftiger Schlangen, die während der Nacht auf Raub ausgehen und die
helleren Wege dem Gebüsche vorziehen, eine bedeutende Gefahr für die bei
Nacht Reisenden, besonders in diesen Gegenden, wo die kleine Schiraraca
(Bothrops leucurus nob.) sehr häufig ist. Wenige Tage vorher hatten
wir während der Mittagshitze an einem hohlen Baume ruhend, auf einer von
diesen bösartigen Schlangen gelegen; zum Glücke wurde sie noch zur rechten
Zeit gefangen und in Weingeist hinterlegt. Bei Mellada, einigen armen
Hütten, verlangten wir vergebens ein Nachtquartier, denn der gemeine
Mann in Brasilien wacht nur bei Gelegenheit seiner Feste (Fungoes) bis
in die tiefe Nacht. In Silveira, zwei Legoas von Tacasava, einem ähnlichen
Ruhepuncte für Karavanen, fanden wir endlich einen eingepferchten
Weideplatz {Pasto feixado) für die Lastthiere, und einen geräumigen
Rancho, in dem wir unsere Matten aufhingen.
Zwar befanden wir uns hier immer noch im Gebirge, doch treten die
runderen Gipfel mehr aus einander und machen, da sie statt der düsteren Urwaldungen
schon freundliche Pflanzungen von Mais, Mandiocca und Zuckerrohr
in grösseren Flächen tragen, einen angenehmen Eindruck auf den
Reisenden, der sich durch die stille Einförmigkeit des Waldes wider seinen
WTillen beengt und niedergedrückt fühlt. Wir athmeten daher viel freier,
als wir am Tage darauf, immer in der Richtung nach S. S. W. fortgehend,
uns endlich auf der letzten Höhe dieses zur Serra do mar gehörenden Gebirgszuges
befanden, und ein freundliches tiefes Thal sich vor uns ausbreitete.
In einer Entfernung von etwa zwei Meilen wird letzteres gegen Westen von
einem Theile der Serra de Mdntiqueira gebildet, welche hier im Allgemeinen
in der Richtung von S. W. nach N. O. läuft. Sie erscheint von da alsein
langer ununterbrochener Gebirgszug ohne steile Abhänge und Schluchten,
aber von angenehmen malerischen Umrissen, mit vielen sanft ansteigenden
Höhen, zum Theil dicht bewaldet, zum Theil mit Wiesenfluren bedeckt.
Das Thal selbst, in welches wir endlich eintraten, nachdem wir die Hütten
von Pajol und den Iripariba, „einen in den Paraiba fallenden Fluss, passirt
hatten, erstreckt sich zwischen den letzten Abhängen der Serra do mar
und den erwähnten der Manticjueira nach Süden. Der Paraiba strömt
in ihm, nachdem er aus den engen Thälern des ersteren Gebirgszuges
hervorgetreten ist, gegen Norden, und nimmt bei Jacarehy eine seiner
früheren gerade entgegengesetzte Richtung; seine Ufer sind theils mit
niedriger Waldung theils mit frischen Wiesenfluren bedeckt.
Gegen Mittag zogen wir an einer Seitenstrasse vorüber, welche nach
Minas führt und daher Mineiro heisst, und erreichten endlich den Flecken
Lorena, sonst Guaypacare genannt, einen unbedeutenden, ungeachtet
seiner fruchtbaren Umgebung und des Verkehrs zwischen den Provinzen
von S.Paul und Minas Geraes ärmlichen, aus etwa vierzig Häusern bestehenden
Ort. Der Weg von S. Paul nach Minas führt hier an zwei Puncten,
Porto da Caxoeira und Porto do Meyra genannt, über den Paraiba,
welcher eine halbe Viertelstunde westlich von der Villa fliesst. Der grösste
Handel aus S. Paul nach Minas wird mit Maulthieren, Pferden, Salz, Carne
seca, Eisenwaaren und allen übrigen Fabricaten, die von der Küste nach
dem Innern zu gehen pflegen, getrieben. Doch versorgen gegenwärtig
die Plätze von Rio und Bahia fast ganz Minas und die Einfuhr von Santos
aus ist unbedeutend, noch geringer die von Angra dos Reys und Parati in der
Provinz von Rio de Janeiro, welche dem Eingänge von Minas am nächsten
liegen. Minas sendet besonders grobe Baumwollenzeuge nach der Capitanie
von S. Paulo. Bei unserem Weiterziehen in dem üppigen Thale südlich von
Lorena, das die untergehende Sonne magisch beleuchtete, bemerkten wir
auffallende Veränderungen in der Vegetation. Der wilde Charakter der
Urwaldungen verschwand, und die freie, offene, milde Natur der Fluren
{Campos') trat allmälig mehr und mehr hervor, je weiter wir vorrückten.
Statt der dichten und hohen Gebirgswälder hatten wir nun abwechselnd
Ebenen und sanft ansteigende Hügel vor uns, welche mit einzelnen Gebüschen
und ausgedehnten Grasflächen bedeckt sind. Die sonderbar gebildeten
braunen Blumen der Jarinha (Aristolochia ringens) und einer weissen
Trichterwinde (Ipomoea Krusensternii Ledeb.), zwei gigantische Blumenformen
, rankten hier über die Hecken hin, welche aus mancherlei Prachtpflanzen
der Melastomen-, Myrten- und Euphorbienfamilie bestehen. Auch
die Ambrosia artemisiaefolia, eine Seeuferpflanze Virginiens und Carolinas,
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