deren weitläufige Anpflanzungen von türkischem Weizen den ersten Charakter
von Cultur über diese einsamen Gegenden verbreiten. Der dritte Gebirgsrücken
, Morro form ozo, erinnert durch seine kühnere Bildung, grössere,
freiere und eckige Massen an die Berge um Rio und macht die Grenze
zwischen der Capitanie von Rio und S. Paulo. Längs dem Wege, der
unter vielen Krümmungen südsüdwestlich durchs Gebirge läuft, steht an
mehreren Orten Granit mit grossblättrigem, sehr eisenschüssigem Glimmer
zu Tage an, und in ihm streichen kleine Gänge von aufgelöstem Rotheisenstein,
in Stunde 2 des bergmännischen Compasses unter sehr starken Fallwinkeln;
auch beträchtlich grosse Stücke eines dichten Brauneisenerzes und grosse
Massen derben weissen Quarzes kommen hie und da vor. Von dem Morro
fo rm o zo , der so wie die Gebiets- auch die Wasserscheide in diesem östlichen
Aste der Serra do mar bildet, senkt sich der W eg durch niedrige, mehr
offene und anmuthige Berge, in denen Bevölkerung und Cultur zunehmen,
abwärts. Für die Mühseligkeiten, welche uns die verdorbenen Wege und
häufigen Regengüsse erdulden Hessen, wurden wir durch den Reichthum
der Natur entschädigt 5 besonders erschienen diese Gegenden als das Vaterland
der schönsten Schmetterlinge, die zu Tausenden mit ihren glänzenden
bunten Flügeln um die von der Sonne beschienenen Waldbäche gaukelten.
Am dritten Tage, nachdem wir Bananal verlassen, den Fluss und
das Oertchen Barreiro passirt hatten, erreichten wir S. Anna das Areas,
einen ziemlich ausgedehnten Flecken, welcher erst seit kurzem vom Könige
zu einer Villa erhoben worden war. Die Regierung sucht überhaupt
die Vereinigung mehrerer Colonisten durch Verleihung solcher Titel und
der damit verbundenen Vorrechte zu begünstigen, indem sie dabei von dem
doppelten Gesichtspuncte ausgeht, dass durch gegenseitige Nähe sowohl
die Ansiedler an Civilisation und Bürgersinn, als der Staat an Leichtigkeit
der Verwaltung, der Steuerperception und der Regulirung der Milizen
und Ordonanzen (des Landsturmes) gewinnen. In jedem Lande , das
bei grosser Ausdehnung eine nur geringe Menschenzahl besitzt, liegt es
gewiss mehr im Interesse der Regierung, einzelne Gegenden durch Vermehrung
der Bevölkerung und Belebung der Industrie auszubilden, und auf
die entsprechende Stufe höherer bürgerlicher Verhältnisse zu erheben,
als die Masse der Einwohner vereinzelt sich über die grosse Ausdehnung
des Landes verbreiten zu lassen und jedem Einzelnen ein Leben zu gestatten
, welches ferne von allem Schutz und aller Beobachtung der Gesetze,
ohne die wohlthätige Einwirkung des gesellschaftlichen Zustandes weder
Sittlichkeit und Bürgertugend noch Cultur befördern kann. Die Tendenz
der portugiesischen Regierung hat in soferne einige Aehnlichkeit mit dem
in Russland eingeführten Militärcolonisationssystem, wenn gleich letzteres als
Kriegsinstitut eine ganz verschiedene Richtung hat. Die J^illa das Arèas,
seit höchstens fünf und dreissig Jahren mitten in diesem mit dichten Wäldern
bedeckten Gebirge aus den Ansiedlungen einiger armen Colonisten
entstanden, kann natürlich noch kein Bild glänzender Wohlhabenheit darstellen.
Die niedrigen Häuser aus leichten Latten gezimmert, durch einfache
Geflechte von Gerten verbunden und mit Thon beworfen, und die kleine,
auf gleiche Weise construirte Kirche haben einen sehr ephemeren Charakter,
so dass diese Wohnplätze nur gleichsam als Zufluchtsörter für Wanderer
auf kurze Zeit erbaut erscheinen. Der Ausdruck des Heimischen und der
auf lange Dauer berechneten Solidität europäischer Wohnungen wird hiebei
gänzlich vermisst, freilich nicht ganz unangemessen einem Klima, in
welchem die Einwohner, deren Niederlassung keine Stetigkeit hat, eines
dauerhaften Daches so wenig bedürfen. Aehnlich diesem Orte fanden wir den
bei weitem grösseren Theil aller Flecken im Innern Brasiliens, und die Seltenheit
eines gut gebauten und heimischen Hauses erregte öfters die Sehnsucht
nach den Reizen vaterländischer Bequemlichkeit und Reinlichkeit.
In der Nähe von Arêas befindet sich noch gegenwärtig eine unbedeutende
Aldea von Indianern, Ueberresten jener zahlreichen Horden, die vor
der Besitznahme der Serra do mar durch die Paulisten den ganzen
ausgedehnten Wald dieses Gebirges bewohnten und jetzt entweder ausgestorben
sind, oder vermischt mit Negern und Mulatten in einem Zustande
von Halbcultur zerstreut zwischen den Colonisten wohnen. Sie unterscheiden
sich noch durch die Indolenz und den fast unbezähmbaren Starrsinn ihrer
Vorfahren , und stehen wenig im Verkehre mit den Colonisten, deren
Pflanzungen und Viehstand bisweilen die räuberischen Eingriffe dieser bösen
Nachbarn zu empfinden haben. Die Einwohner bezeichnen diese
Indianer gemeiniglich mit dem Namen der Capoculos und unterscheiden
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