zarten und edlen Regungen, welche die menschliche Gesellschaft zieren,
theilnahmslos, verschlossen, versunken in einen Indifferentismus gegen
Alles, gebraucht der Indianer nichts, als seine von Natur aus scharfen
Sinne, seine Schlauheit und sein zuverlässiges Gedächtniss, und zwar nur
da, wo es Krieg oder Jagd, seine Hauptbeschäftigung, angeht. Kalt und
träge selbst in den Familienverhältnissen, folgt er mehr dem thierischen
Instincte, als einer zärtlichen Neigung, und seine Liebe gegen die Frau
äussert sich nur in der grausamen Eifersucht, welche, nebst der Rachsucht,
die einzige Leidenschaft ist, wodurch seine verkümmerte Seele
aus ihrer dumpfen Gleichgültigkeit gerissen werden kann. Schamhaftigkeit
ist den Männern nicht eigen; nur die nackten Weiber scheinen sie, wenn
sie von Fremden beobachtet werden, durch die Art ihres Ganges zu verrathen.
Gefühllos für die Reize des Gaumens, besonders zur Fleischnahrung geneigt,
ist der Indianer im Allgemeinen mässig, und folgt ohne bestimmte Zeitordnung
nur dem Bedürfnisse, ja hungert oft seiner Bequemlichkeit zu Gefallen; leidenschaftlich
dagegen ist er dem Trünke seiner Vinhassa oder, wenn er dessen
theilhaftig wird, des Branntweins ergeben. Still, folgsam im Dienste des
Weissen, hartnäckig ausdauernd in der angewiesenen Arbeit, durch keine
Behandlung zum Zorne, wohl aber zu langwieriger Rachsucht reizbar,
ist e r, wie die Colonisten zu sagen pflegen, nur geboren, um befehligt
zu werden. Weder diebisch noch betrügerisch, und zu Nichts Verlangen
tragend, was nicht zu den Bedürfnissen des Magens gehört, hält er sich stets
einzeln und von der Familie abgesondert. In der Krankheit von den Colonisten
auch noch so.sorgfältig verpflegt, oder überhaupt mit Wohlthaten begünstigt,
fühlt er während der Genesung nur um so lebhafter seinen nomadischen
Instinct, und flieht, aller Dankbarkeit beinahe unfähig, selbst ohne nähere
Veranlassung in seine finstern Wälder zurück. (*) Nichts weniger als gesprächig,
schläft er auch während eines Theils des Tags, spielt ausser der
Jagdzeit mit seinen Hausthicren, oder stiert gedankenlos vor sich hin, zuweilen
wie im Traume von gespensterhaften Phantasien geschreckt. Fest gewurzelt
(*) Ein Indianer vom Stamme der Coroados ward von den Weissen erzogen, und so weit
gebildet, dass er die Weihen als Geistlicher erhielt und. Messe la s ; allein plötzlich verliess er
wieder den neuen Stand, warf den Habit a b , und floh nacht in die Wälder zu seiner alten
nomadischen Lebensweise zurüch.
in der Gegenwart, ergebt er fast nie sein Auge zu dem gesammten Sternenhimmel.
Jedoch beherrscht ihn eine gewisse ehrfurchtsvolle Scheu vor einzelnen
Gestirnen, -wie vor Allem, was einen geistigen Zusammenhang der
Dinge offenbart. Es ist aber nicht die Sonne, welche seine Aufmerksamkeit
vorzüglich auf sich zieht, sondern der Mond, von dem er insbesondere, wie
seine Zeitrechnung, auch Gutes und Schlimmes abzuleiten pflegt. Da alles
Gute unbemerkt an ihm vorübergeht, und nur das Widerwärtige Eindruck
auf ihn macht, so erkennt er keine Ursache des Guten, oder keinen Gott,
sondern nur ein böses Princip, welches ihm bald als Eidechse, als Mann mit
Hirschifiissen, als Krokodill, Onze begegnet, bald sich in einen Sumpf u. s. w.
verwandelt, ihn irreführt, neckt, in Schaden und Gefahr bringt, oder gar tödtet.
Den nächsten Verkehr mit den Dämonen schreiben sie ihrem Paje
zu, der viele wirksame Kräuter kennt, zugleich ihr Arzt und Priester zu
seyn scheint, und sich durch allerlei zauberhafte Gaukeleien bei ihnen in
Ansehen zu erhalten weiss. In ungewöhnlichen Fällen wird er um Rath
gefragt, den er nach gepflogener Rücksprache mit. dem Dämon, wozu er
finstere, stürmische Nächte auswählt, ertheilt.(*) Gewisse Thiere, wie
eine Art Ziegenmelker und die klagenden Geierarten, Caracarai und Cäo-
ha, sind dem Paje Boten von Verstorbenen, und deshalb von Allen hochverehrt.
Auch trägt der Indianer Gehänge von Eckzähnen der Onzen,
Affen, von gewissen Wurzeln, Früchten, Muscheln und Steinen um den
Hals, indem ei* glaubt, dass er sich hiedurch gegen den Anfall wilder
Thiere und gegen Krankheiten schützen könne. Der Paje giebt allerlei
Arzneimittel, die oft unter Zauberformeln bereitet werden, übt durch Anrauchen
eine Art von Exorcismus aus, und erhält die Gespensterfurcht der
Indianer durch abergläubische Gebräuche und Erzählungen; oft aber werden
die Unglücksfalle , Krankheit und Tod der Nachbarn seinen Hexereien
(♦) Ein Portugiese im Presidio de S .Jolo Baptista erzählte u n s , dass e r einst im Walde
unbemerkt einer Versammlung von Coroados beige wohnt habe, die durch ihren Pajö erfahren
wollten, wo sie jagen sollten. Der Alte ging allein in das Dickicht, und sprach sehr laut
und pathetisch, wobei er bisweilen niederfiel. So oft der Wind brausend durch die Bäume
fu h r, vernahm man ein durchdringendes Pfeifen, durch welches der Paje die vom Dämon
bestimmte Gegend erfahren zu haben betheuerte.