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Früher beschäftigte die hiesigen Bewohner grösstentheils das Suchen
nach Gold. Sie gewannen solches theils durch Schlemmen im Bache, theils
aus einzelnen seichten Gruben ( Calderoes), welche vorzüglich an den-
massigen Stellen der Quarzadern des aus weissem Gelenkquarze bestehenden
Gebirges Lenheiro eingehauen wurden. Gegenwärtig hat sich mit der ungewissen
und geringen Ausbeute diese Arbeit vermindert, und nur der Aer-
mere fährt noch fort, den Goldstaub aus dem Kiese des Baches auszuwaschen,
um durch dessen Verkauf seine dringendsten Nahrungsbedürfnisse zu bestreiten.
Der grösste Theil des Goldstaubes, welcher von dem hiesigen Schmelzhause
zu Goldbarren umgeschmolzen w ird, kommt aus der Villa de Campanha
und der benachbarten de S. Joze, in welchen beiden Orten man denselben aus
dem dort häufigen Lehm schwemmt. Statt der Goldminen ist es jetzt der
Binnenhandel, welcher den Wohlstand dieses Städtchens täglich vermehrt;
ehemals soll die Comarca vierzigtausend Crusaden an Rio de Janeiro geschuldet
, gegenwärtig aber seit der Ankunft des Königs die alte Schuld nicht
bloss abgetragen, sondern ein eben so grosses Kapital dort angelegt haben.
Wie lebhaft der Handel von hier betrieben wird, ersieht man auch daraus,
dass jährlich vier beständige Trupps, jeder zu fünfzig Maulthieren, nach der
Hauptstadt hin- und herziehen, Speck, Käse, einiges Baumwollenzeug,
Filzhüte, Rindvieh, Maulthiere, Hühner und Goldstangen zum Verkaufe
dorthin bringen, und für den Erlös der eigenen Producte europäische,
besonders portugiesische und englische Waaren, z. B. Kattun, Tücher,
Spitzen, Eisen waaren, Wein, Porterbier, Liqueure u. s. w. zurückführen.
Wie in ganz Minas Geraes, so sind auch hier die wohlhabenden Leute
gegen Fremde sehr gefällig, besonders aber, wenn sie Recommendationsbriefe
von Bekannten mitbringen. So auffallend es auch scheint, so ist es
doch gewiss und wird von jedem Reisenden beobachtet werden, dass die
Mineiros durch Charakter und Körperbau von den Bewohnern anderer
Capitanien, vorzüglich aber von den Paulisten ganz verschieden sind. Der
Mineiro hat im Allgemeinen eine schlanke und magere Statur, schmale
Brust, langen Hals, etwas längliches Gesicht, schwarze lebhafte Augen,
schwarze Haare auf dem Kopfe und an der Brust; er hat von Natur
einen edlen Stolz und im Aeussern ein sehr zartes, gefälliges und sinniges
Benehmen; in seiner Lebensart ist er diät, und scheint vorzüglich
ein chevalereskes Leben zu lieben. In allen diesen Zügen hat er viel
mehr Aehnlichkeit mit dem lebhaften Pernambucaner, als mit dem schwerfälligen
Paulisten. Gleich jenem scheint auch er eine gewisse Vorliebe für
ausländische Producte und Tracht zu haben. Wie der Engländer hält ebenfalls
der Mineiro sehr auf reine Wasche und weisse Kleidung, besonders
an Festtagen. Seine gewöhnliche Nationaltracht ist von der des Paulisten
verschieden. Gemeiniglich trägt er eine kurze Jacke von Kattun oder
schwarzem Manchester, eine weisse Weste mit goldenen Knöpfen, das
Beinkleid von Sammt oder Manchester und lange Stiefel von ungefärbtem
Leder, die oberhalb des Knies mit Schnallen befestigt werden; ein Filzhut
mit breiter Krempe dient als Sonnenschirm; der Degen und nicht selten
die Flinte sind nebst dem Regenschirme seine untrennbaren Begleiter, sobald
er sich vom Hause entfernt. Die Reisen, auch die kürzesten, werden
nicht anders als auf Maulthieren gemacht. Steigbügel und Zügelstangen
sind hiebei von Silber, und von gleichem Metalle ist der Griff des grossen
Messers, welches unter dem Knie im Stiefel steckt. Die Frauen werden
auf diesen Reisen in Portchaisen {Liteiras) mittelst Maulthieren oder Negern
getragen, oder sitzen, in einen blauen langen Ueberrock und runden Hut gekleidet
, in einer auf dem Maulthiere befestigten Lehne. Ausserdem ist ihre
Kleidung, den Kopf ausgenommen, der nur durch den Sonnenschirm geschützt
wird, nach der französichen Mode, wobei der untere Saum der
weissen Kleider nicht selten mit gestickten oder gedruckten Blumen und
galanten Versen geschmückt ist.
Wir verweilten nicht lange in 5. Joäo dCEl R e y , weil wir Alles,
was Bezug auf Goldwäscherei und geognostische Verhältnisse der Minen hat,
in der Hauptstadt Villa Rica vortheilhafter zu erforschen hofften. Der Weg
führt von hier gegen N. O. an dem westlichen Abhange der Serra de S. Joze
hin*, die im Ganzen ein kahles Ansehen und die Richtung von S. W. nach
N. O. zeigt. Jenseits dieses Gebirges liegt das Städtchen 5. Joze, das ausser
seiner Hauptkirche, der schönsten in ganz Minas, keine besondere Merkwürdigkeit
darbietet. Einige Bewohner haben zwar in diesem Thalgrunde
die europäischen Obstarten in ihren Gärten mit gutem Erfolge angepflanzt,
auch mit Hafer, Gerste und Korn schon Versuche gemacht; letztere Getreidearten
scheinen jedoch nicht so gut zu gerathen, indem sie mehr in