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Wälder oder endlich der Alpen annimmt, ihre eigenen Repräsentanten im
Reiche der Flora hat, eben so wird auch der Punct, wo die niedrigeren
Bildungen des Oceans aufhören und den edleren Gewächsen Platz machen,
durch eigene Formen bezeichnet. Merkwürdig ist es, dass die
zwischen den Wendekreisen an allen Gestaden der neuen und alten Welt
vorkommenden Pflanzen (Rhizophora, Bruguiera, Conocarpus, Avi-
cenrua) mit den an der Mutterpflanze keimenden Saamen und den sich
nach unten in die Erde »senkenden Aesten, durch ihr Wurzeln von oben
und unten zugleich, den Typus jener überaus üppigen und edlen Vegetation,
die wir zwischen diesen Breiten bewundern, auch auf ihrer Stufe
darzustellen suchen. Eben wie alle diese Gewächse dem Rande des Meeres
angehören, hat auch jeder der Hauptflüsse, dessen Ursprung mehr oder
weniger eine eigene Vegetation bestimmt, eine eigenthümliche Flora längs
seinem Laufe bis an seine tiefsten Ufer, die einen der wichtigsten Unterschiede
in der Physiognomie des Flussgebietes bildet. So haben wir an den Ufern
jener ungeheuren Ströme, des Rio de S. Francisco, des Tocantins, des
Pamaiba, des Amazonas und seiner Confluenten überall gewisse Bildungen
gefunden, die den besonderen Charakter ihrer Vegetationsformen aussprechen,
und für den Forscher der geographischen Verhältnisse des Gewächsreiches
von ausgezeichnetem Interesse sind, da sie gleichsam die Basis
der Formen jeder einzelnen Flora angeben. Jene aus den*Aesten wurzelnden
Gesträuche und Bäume bedürfen zu ihrem regelmässigen Gedeihen
der Berührung des Meeres, und scheinen mit ihren weit verbreiteten und
sehr oberflächlichen Wurzeln besonders den schlammigen Boden desselben
aufzusuchen. Ihr Wachsthum ist, obgleich sie sehr festes und nicht selten
stämmiges Holz bilden, ungemein schnell. Vorzüglich zeichnet sich
die Rhizophora Mangle (IWangue vermelho) durch die Bildung einer in
verhältnissmässig kurzer Zeit sehr dicken Rinde aus. Wo man die
Manglewaldungen aus Holzbedürfniss nicht gänzlich umschlägt, wie z. B.
in Maranhäo, da pflegt man besonders im Anfänge der Regenzeit, sobald sich
der Bildungssaft zwischen Holz und Rinde ergiesst, letztere abzureissen und
als Gerbemittel zu gebrauchen. Ueberall, wo diese Gesträuche und Bäume
wachsen, ist die ganze Gegend in Morast und Sumpf verwandelt, und
dient nur der obengenannten Krabbenart zum Aufenthaltsort. Auf den Gipfeln
dieser Uferwaldung sahen wir bei der Durchfahrt die schönsten weissen
Reiger(*) sitzen, zwischen denselben bunte Eisvögel auf Fische(:':*) lauern,
und innerhalb des Dickichts verschiedene Wasserhühner (* b) herum laufen
oder schwimmen. Leider ist von allen diesen Thieren, sobald sie sich tief
in die Gebüsche zurückziehen, nichts zu erbeuten, indem man wegen des
Dickichts weder eindringen noch auch, sobald • der Boden mit der Ebbe
hervorragt, wegen des tiefen Morastes sich hinein wagen kann. Wir verfolgten
den Verlauf des Inhumerim etwa eine Meile landeinwärts, bis
wir zu dem Dorfe P o r to d e Estrella gelangten, dessen niedrige, schlecht
gebaute Häuser oder vielmehr Hütten eine unregelmässige Strasse am
Zusammenflüsse des kleinen Saracurdna mit dem Inhumerim bilden.
Po rto de Estrella ist der gemeinsame Hafen zwischen R io de Janeiro
und der Provinz IMinas Geraes. Man sieht hier lange Züge von Maul-
thieren mit Kisten und Gepäcke beladen aus dem Innern ankommen oder
dahin zurückkehren. Der Europäer, gewöhnt an den Transport beträchtlicher
Lasten auf Wägen, die er nicht unrichtig mit Landschiffen vergleicht,
erstaunt hei dem Anblick so vieler in kleine Massen vertheilter Ladungen,
welche der Willkühr des Lastthieres oder eines ungeschickten Treibers
überlassen sind, täglich mehrere Male entweder im Freien oder in offenen
Hangards {Ranchos) auf- und abgepackt, nur nothdürftig gegen Regen
und Witterung gedeckt, und auf diese Weise oft mehrere hundert Meilen
fortgebracht werden. Nicht ohne Kummer dachten wir bei der Betrachtung
des verworrenen Treibens der auf- und abladenden Karavanen daran,
dass künftig unsere Instrumente, Bücher und Sammlungen eben so nicht
der eigenen Sorgfalt sondern dem blinden Geschick überlassen werden
müssten. Doch sind die Karavanen ( Tropas) besonders auf dem besseren
Wege von S. Paul und Minas nach der Hauptstadt so gut organisirt, dass
hier verhältnissmässig wenig dabei zu befürchten ist. Eine jede Tropa,
die aus zwanzig bis fünfzig Maulthieren bestehen kann, wird von einem
(*) Ardea alba , candidissima, Egretta. (*a ) Alcedo torquata, bicolor, Amazona. (*b) Par-
ra Jacana. GaUinula martinicensis. Scolopax paludosa. Gallinula affinis nob. Tringa Cinclus.
Vanellus cayennensis.