beträchtlichen Zeitverlust. Ausser dieser Fluth um das Cabo de S. Roque
bemerkt man längs den Östlichen Kästen Brasiliens eine ziemlich regelmässige
Strömung, die von der Richtung der Winde abhängt. In den
Monaten September bis März herrschen nämlich die Winde aus N. g. O.
bis aus N. 0. g. 0.; in den Monaten März bis September dagegen jene aus
O. g. N. bis aus 0. S. 0 ., und gemäss diesem Wechsel der Winde geht eine
Strömung nach N. in den Monaten März bis September, und nach S. in
den Monaten September bis März. (*) In Rücksicht aur diese Strömungen
besuchen viele Schiffe, welche nach den südlicheren Häfen von Brasilien
oder nach Buenos A y re s segeln, die Stationen von Pernambuco und
Bahia in den Wintermonaten auf der Hin- und in den Sommermonaten auf
der Heimreise. Da der Landwind gewöhnlich stark, und bis in ziemliche
Entfernung von den Küsten Brasiliens weht, so begünstigt er die Fahrt
nach Süden sehr wesentlich, und man darf auf eine schnelle Reise längs
den Küsten rechnen, wenn man nur nicht schon in einer Breite von 6° oder
7° dem Lande zu nahe gekommen ist. Die Länge, in welcher man bei diesen
Reisen den Aequator durchschneidet, ist verschieden; sich zu nahe an der
africanischen Küste zu hallen, ist wegen der dort herrschenden Windstillen
und Strömungen nicht rathsam. In der englischen Marine giebt man die
Längen zwischen 18° und 23° w. v. Greenw. für die zweckmässigsten zur
Passage des Aequators an, und zwar hält man es für gut, wenn die
Sonne im Norden, östlicher, und wenn sie im Süden steht, westlicher
zu steuern.
Es war am Q.Q. Junius, einem Sonntage, wo wir, gemäss unserer
Schiffsrechnung, den Erdtheiler durchschneiden sollten. Da die See ziemlich
ruhig war, wurde dieser Tag durch eine Messe gefeiert. Die Einsamkeit
des Orts, die ernste Stille und Grösse der Elemente, welchen hier, in der
Mitte der beiden Erdhälften und des unermesslichen Oceans, das kleine
Fahrzeug preisgegeben war, mussten in dem Momente, als die Verwandlung
mit militärischem Trommelschlag angekündigt wurde ,■ jedes Gemüth
tief erschüttern, besonders aber diejenigen, welche dabei an die Allmacht
(*) Sailing directions for the eastern coasts of Brasil by John P urdy. Lond. 1813. 8. p. 2.
in der Natur und an die geheimnissvolle Metamorphose aller Dinge dachten.
Der Tag ging unter anhaltendem S. O.-Winde ruhig vorüber; selbst der
betheerte Neptun mit seinen abentheuerlichen Gesellen durfte das Schiff
durch die sonst gewöhnliche Taufe nicht in Aufruhr bringen. Die Nacht
war hell und klar; die Pole des Sternenhimmels ruhten schon auf dem
Horizonte und der Vollmond stand in herrlichem Lichte über unserem
Haupte ; Vega, Arctur, Spica , Scorpion, in welchem eben
Jupiter glänzte, die Füsse des Centauren leuchteten hehr am Firmamente;
das südliche Kreuz hatte die senkrechte Stellung angenommen und zeigte
auf Mitternacht, als wir uns, der Berechnung zufolge, am Orte des
Gleichgewichts von Himmel und Erde befanden, und den Aequator durchschneidend,
in die südliche Hemisphäre hinüber steuerten. Mit welchen
lebhaften Hoffnungen, mit welchen unaussprechlichen Gefühlen traten wir in
diese andere Welthälfte ein , die uns eine Fülle neuer Erscheinungen
und Entdeckungen darbieten sollte! Ja, dieser Moment gehört zu den
feierlichsten und heiligsten unseres Lebens. In ihm sahen wir die Sehnsucht
früherer Jahre gestillt, und gaben uns, in seliger Freude und ahnender
Begeisterung , . dem Vorgenusse einer fremden, an Wundern so reichen
Natur hin.
Erst nachdem wir die Mittellinie passirt hatten, begann der beständige
S. 0. - Wind an Kraft dem.N. O. - Wind der nördlichen Hemisphäre gleich
zu werden. Die Platzregen erschienen seltener; statt ihrer thürmten sich
aber einzelne vielfältig gestaltete Wolkengruppen in dem "blauen Aether auf.
Die Nächte im Gegentheile wurden um so heiterer, und die südlichen, für
uns Nordländer neuen Sternbilder funkelten, wenn gleich an Zahl und
Glanz jenen der nördlichen Halbkugel weit nachstehend, hell an dem dunkelblauen
Firmamente. Sternschnuppen erleuchteten häufiger, als in der nördlichen
heissen Zone, die Nacht, und pflegten um Mitternacht gegen Süden,
am Morgen gegen Nord-Ost hinzufallen. Die Temperatur des Wassers, noch
mehr die der Luft, schien bedeutend geringer, als in derselben nördlichen Breite,
zu werden, die Feuchtigkeit der Luft aber, die Phosphorescenz und Schwere
des Meerwassers fingen an zuzunehmen. Schnell durchschnitt unsere Fregatte
die tief blauen Fluthen des südlichen Meeres, die, gegen das Vordertheil des
I. Theil,