der Forschungen überall die Andeutungen der Natur , und schliesst von
den physischen Merkmahlen der Dinge, von Geruch, Farbe, von der Aehn-
lichkeit gewisser Formen mit Theilen des menschlichen Leibes u. s. w. analogisch
auf die inneren Kräfte der ersteren und ihre Wirkungsart als Heilmittel.
So dachte sich der mit lebendigem Natursinn begabte Pauliste bei
jeder hochrothen Farbe eine Beziehung auf das Blut, bei der gelben auf
Galle und Leber; er legte dem mennigrothen, an faulen Bäumen plötzlich
erscheinenden und oft nur einen Monat lang dauernden Urupe (Boletus
sanguineus) besondere Kräfte zur Stillung von Mutterblutflüssen bei; er fand
in dem gelben Holze der Bütua (Abuta rufescens) einen Wink für dessen
Wirksamkeit gegen Leberkrankheiten, in der testikelförmigen Wurzel der
Contrayerva (Dorstenia brasiliensis) und in den herzförmigen Blättern des
Coragäo de Jesus (Mikania officinalis nob.) eine Andeutung von nerven-
oder herzstärkenden Eigenschaften, und betrachtete die grosse glänzende
Blume der Gomphrenct officinalis nob. als einen Ausdruck vieler vortrefflicher
Eigenschaften der Wurzel, welche er deshalb mit dem vielsagenden
Namen des Paratudo (Gut für Alles) bezeichnete. Aehnliche
Naturproducte, welche wegen ihrer äusseren Eigenschaften von den Pau-
listen als wirksam beachtet, auf eine, freilich sehr roh empirische Weise
ällmälig erprobt und in ihren Krankheiten immer häufiger angewendet
wurden, könnten wir noch mehrere anführen. Bei diesejn Colonisten-
völkchen, das nur seiner eigenen Einfalt und dem Reichthume der umgebenden
Natur überlassen war, begann die Medicin mit blossen practischen
Erfahrungen und Volkssagen, und nahm denselben Charakter an, welchen
sie in Europa während des Mittelalters trug, und als dessen Zeugen noch die
Elendklauen, der Scincus officinalis u. s. w. in mehreren veralteten Phar-
macopöen auftreten. Wie einst Hippokrätes die Votivtafeln der Tempel,
so muss der wissenschaftliche Arzt hier die einfältigen Berichte und Erfahrungen
des Landvolkes zur Erweiterung des Arzneischatzes benützen.
Besonders werden hier zu Lande Wunden und äusserliche Krankheiten der
verschiedensten Art mit einem oft bewundernswürdigen Glücke behandelt.
Sowohl die Raschheit, womit in heissen Ländern alle organische Processe
Vor sich gehen, als auch das oft fast zu kühne Eingreifen des halbwissenden
Arztes durch heroische Mittel und durch übermässige Dosen mögen die
Ursachen von dem günstigen Erfolge mancher Behandlungen seyn, die man
- in Europa als Wagstücke nimmermehr billigen würde. Auch der Umstand,
dass die meisten dieser Hausmittel unmittelbar aus ihrem lebendigen Zustande
zum medicinischen Gebrauche genommen werden, ist von grosser
Wichtigkeit, und in Europa, wo man durch bürgerliche Verhältnisse mehr
von der Natur entfernt ist, vielleicht zu wenig beachtet. Die europäischen
Heilmittel aus dem Pflanzenreiche haben, wenn sie hier ankommen, gewöhnlich
ihre meisten Kräfte verloren, und die brasilianischen Aerzte
subslituiren daher ohne alles Bedenken manchen des Auslandes die vaterländischen
Producte. Nur für wenige Mittel, z. B. das isländische Moos, die
Squilla, das Aconit, die Digitalis, das Opium, welches letztere übrigens
oft nicht günstig anzusprechen scheint, kennt man hier noch keine genügenden
Surrogate, (i)
Wir waren nur wenige Tage zu Kpanema, so hatte sich schon
das Gerücht von der Ankunft zweier fremden Aerzte weithin durch diese
einsamen Gegenden verbreitet, und von allen Seiten kamen Kranke herbei,
die von uns Rath und Heilmittel verlangten. Auch unser Wirth, ein Mann voll
patriotischer Gesinnung, glaubte für seine Nachbarn und Freunde die wohl-
thätige Anwesenheit seiner Gäste benützen zu müssen, und führte uns eine
grosse Anzahl der Patienten zu. W ir gaben in Zeit von vierzehn Tagen
gegen fünfhundert Recepte an die herzuströmende Menge aus, wobei
unsere kleine Reiseapotheke zur Hälfte geleert ward. Bei weitem die Mehrzahl
der Krankheiten, welche wir hier beobachteten, war syphilitischen
Ursprungs oder doch mit syphilitischer Dyskräsie gepaart. Die Formen,
unter welchen sich hier diese polymorphe Krankheit zeigt, sind besonders
rücksichtlich des Hautsystemes von der grössten Mannichfaltigkeit,
und mehrere derselben vielleicht in Europa noch nicht beobachtet worden.
Im Allgemeinen ist hier der Krankheitscharakter inflammatorisch, und durch
das cholerisch-melancholische Temperament des Paulisten modificirt. In
diese Kategorie gehören die äusserst häufigen Fälle von Augenentzündungen,
von Erysipelas mit hepatischer Complication, von acuten Wassersüchten,
besonders Anasarca, von Hydrothorax als Folge von Pneumonien, die theils
rein theils mit gastrischer, oft sehr versteckter Complication auftreten,
I. Theil. 33