von, Schritt zu Schritt an Schönheit und Interesse zuzunehmen schienen»
In Minas ist es gewöhnlich, jeden Tagmarsch zu vollenden, ohne dazwischen
Halt zu machen. W ir reisten daher täglich von 6 oder 7 Uhr
Morgens bis 2 oder 3 Uhr nach Mittag, dann wurde an einem Rancho, seltener
auf offenem Felde, wo nur Wasser vorfindlich war, abgepackt; man
trieb die mit Mais abgefütterten Maulthiere nach genauer Untersuchung des
Gesundheitszustandes auf die Weide, bereitete dasselbe Mahl wie am Morgen,
zu welchem auch die geschossenen Vögel und Affen abgeliefert wurden,
und verwahrte das Gepäck so, wie es nach der jedesmaligen Localität
am besten vor dem Regen geschützt schien. War ein Besuch von Onzen
während der Nacht zu befürchten, so wurde das Lager mit Wachtfeuern
von allen Seiten umgeben, und für einen grossen Holzvorrath schon bei
Tage gesorgt. Während des Marsches hatten wir Gelegenheit gehabt,
Bemerkungen über die durchreiste Gegend, und was sich in der Nähe
des Weges an Mineralien, Pflanzen, Thieren u. s. w. vorfand, zu sammeln.
Den Rest des Tages, nachdem der Trupp gelagert war, verwendeten wir
in gleicher Absicht zu Streifereien in der Nähe, und die Stunden der
Dämmerung und der beginnenden Nacht wurden mit Einträgen unserer
Bemerkungen in die Tagebücher, mit Zubereitung, Trocknung und Verpackung
unserer Sammlungen hingebracht. Dieses Naturleben hatte seine
eigenen Reize, welche durch die gegenseitige Mittheilung der Freude über
unsere Entdeckungen, oder durch Gespräche, in denen wir nicht selten
die Erinnerung'unserer fernen europäischen Freunde feierten, erhöht wurden.
Endlich gehörte auch die Musik in den Kreis unseres täglichen Lebens,
denn keine Nacht überliessen wir uns dem Schlafe eher, als bis die Violine
des Einen der Reisenden bald kunstlose brasilianische Volkslieder, bald
manche deutsche Melodien, welche die angenehmen Gefühle der Gegenwart
mit der Erinnerung an das Vaterland verknüpften, hatte ertönen lassen.
Unser erstes Nachtlager nach der Villa de Campanha war im Arraial
do Rio V e rd e , einem kleinen Oertchen auf einer waldumkränzten frischen
Grasebene am Flüsschen Rio V e rd e , der halb so breit als der Paraibafluss
von hier dem Sapucahy zufliesst, und über welchen eine ziemlich gute hölzerne
Brücke fuhrt. Das Thor der Brücke war bei Nacht nicht geschlossen
worden, und mehrere unserer Lastthiere waren, wie es die Gewohnheit
der ziehenden Thiere ist, auf dem früher gemachten Weg zurückgeflohen,
weshalb wir am andern Morgen die Reise nicht sogleich förtsetzen konnten.
Es war eben ein Feiertag, und gegen hundert Bewohner der Nachbarschaft
kamen in die Kirche zusammen'; um Messe zu hören. Das Gebäude ist,
wie die meisten Landkirchen in Minas , klein, bloss von Lehm - und
Holzwänden aufgeführt, ohne Thurm, Orgel oder innere Zierathen. Der
Cultus erhält durch diese Mängel eine Einfachheit, welche, so wie die
Gegenwart aller auch der jüngsten Familienglieder, dieser kirchlichen Versammlung
in einem noch ungebildeten Lande einen rührenden, den ersten
Christenvereinigungen ähnlichen Charakter verleiht.
Nördlich vom Arraial do Rio Verde zogen wir durch anmuthige, mit
frischer Grasvegetation und in den Thalgründen mit dichten Gebüschen bedeckte
Fluren hin. Eine Menge von Affen, lYliriki oder auch Mono genannt
(Brachyteles Hypoxanthus*), welche die benachbarten Wälder bewohnen,
Hessen ihr gewaltiges und unmelodisches Krächzen vernehmen; es gelang uns
jedoch nicht, dem lärmenden Haufen nahe zu kommen, denn bei der geringsten
Bewegung, die sie in dem Buschwerke bemerkten, nahmen sie unter
furchtbarem Geschrei die Flucht ins Innere. Eine andere Merkwürdigkeit,
welche dem Zoologen auf diesem Wege aufstiess, war eine der giftigsten
Schlangen des Landes, die sogenannte Urutü, welche eine Elle lang, von bräunlich
gebänderter, düsterer Farbe ist, und das Zeichen eines Todtenschädels auf
dem Kopfe hat. Sie lebt, wie alle anderen, wegen ihres Giftes berüchtigten Arten
z. B. die Surucucü , die Jararacugu, auch Schi/'araca und die
Jararaca-mirim oder de rabo branco c) vorzüglich in Wäldern an feuchten,
dunklen Orten auf der Erde, unter Gestein oder faulem Holze, und ihr
Biss soll fast unvermeidlich den Tod nach sich ziehen. Nichts setzt den
Brasilianer so sehr in Schrecken, als die unheilbringenden Verletzungen
dieser Thiere, denen man bei ihrer Häufigkeit sehr oft begegnet. Die
wenigen Wundärzte im Innern des Landes begeben sich fast gänzlich der
(*) S p i x Sim. bras. Fol. Tab. XXVII. (*“) Bothrops Surucucu nob. (*k) Bothrops Neu-
wiedii nob. (*c) Bothrops leucurus nob. (Spix Serpent. bras. Quart. Tab. XXII, XXIII.)
I. Theil. 39