von Chili. In einer Gegend, wo man abgeschnittcn von den Nachbarstaaten
, ja selbst von der Hauptstadt, nur selten von politischen Ereignissen
hört, giebt jede, auch noch so unscheinbare kriegerische Bewegung Veranlassung
zur allgemeinen Furcht und Bestürzung.
In Porto Feliz begünstigt sowohl die schlechte Bauart der niedrigen
Häuser, aus deren Lehmwänden nicht selten Salze auswittern, als die Nähe
der Wälder und des oft mit dichten Nebeln bedeckten Flusses Kröpfe, Wechselfieber,
Wassersucht, Bleichsucht und katarrhalische Zufälle, die fast endemisch
sind. Wir fanden die erwachsenen Personen aufgedunsen, die Kinder
unseres Wirthes und einiger Nachbarn aber an einem bösartigen Keuchhusten
[Tosse compridä) leidend, der hier nicht selten in Lungensucht
übergehen soll. Dieselben Einflüsse aber, welche hier auf die thierische
Oekonomie schädlich wirken, zeigen sich als das Wachsthum der Pflanzen
sehr befördernd. Mais und Reis gedeihen vortrefflich und geben die Aussaat
gemeiniglich zweihundert und funfzigfaltig wieder. Man säet den
Reis in die Niederungen, besonders nicht weit vom Flusse reihenweise in
Büschen. Auf dem Heimwege von Porto Feliz nach Fpanema fanden
wir einen sumpfigen Waldgrund, ganz dicht mit Canna indica bewachsen,
eine angenehme Entdeckung, weil sie uns allen Zweifel über das ursprüngliche
Vaterland dieser so allgemein verbreiteten Zierpflanze benahm. (*)
In allen diesen niedrigen Waldungen bemerkt man häufig eine schöne
schwarze Krähe mit purpurrothem Halse (Corvina rubricallis P'ieill) und
drei Arten himmelblau und weiss gefärbter Elstern (Corvus cyanopogon
Neuw.y, dagegen werden die Papageien, so wie die Affen in dieser Breite
seltener, was besonders in der verhältnissmässig geringeren Wärme des Klimas
seinen Grund haben mag. Von den Gegenden am Rio Fpanema aus erstrecken
sich die Grasfluren, nur durch wenige W’aldung unterbrochen, südlich his
nach Curitiba und in die Capitanie von S. Pedro, welche ebenfalls ähnliche
Verhältnisse des Bodens, der Erhebung über das Meer und der Vegetation
darbietet, und zu einer gleichen ökonomischen Benützung auffordert. In
(*) Bob. Brown bei Tucbey expedition to explore the river Zaire p. 477 hält eie ebenfalls
für amcricanisch.
diesem ganzen ausgedehnten Theile Südam erica’s befolgt man daher im
Allgemeinen dasselbe System der Landwirtschaft, welches Azara als in
den Pampas von Buenos-Ayres üblich geschildert hat.
Viehzucht ist die wichtigste Beschäftigung der Einwohner. Jeder Fazen-
deiro besitzt nach der Ausdehnung seiner Fazenda mehrere hundert bis zweitausend,
ja bis vierzigtausend Stücke Rindvieh, welche alle frei auf der Weide
herumlaufen. Auf ein Besitzthum von zwei Q. Meilen guter Weide rechnet
man gewöhnlich drei- bis viertausend Stücke. Ausser jener Anzahl von
wildem Rindviehe hält der Fazendeiro noch so viele gezähmte Zugstiere
und Kühe, als er zu Lastfuhren und zur Erhaltung der nöthigen Milch,
die zum Theile zu Käse verwendet wird, braucht. Die Pflege der wilden
Heerde verlangt nur wenige Geschäfte; sie bestehen in dem Aufbrennen
des Zeichens des Besitzers {Ferrar) , dem Verschneiden der Stiere und dem
Einfangen der zum Schlachten bestimmten Thiere. Vier oder sechs Knechte
{Piöes) unter der Leitung eines Oberhirten (jF’acqueiro) verrichten alle
diese Dienste; sie halten die Heerden ab, damit sie sich aus dem Revier
nicht verlaufen, und beschützen.sie gegen Angriffe der Onzen, Wölfe und
wilden Hunde. Diese Leute sind fast immer zu Pferde, da ihr Diénst sie
zwingt, oft in einem Tage mehr als zwanzig Meilen zurückzulegen. Jedes
Jahr treibt man die gesammte Heerde einige Male in einen hochgelegenen,
bisweilen eingehegten Platz (Rodeio) zusammen. Bei dieser Gelegenheit
wird den einjährigen Thieren, deren man bei einem Viehstande von
fünf - bis sechstausend jährlich eintausend rechnet, die Marke des Eigentümers
am Hinterschenkel eingebrannt, die zweijährigen werden auf eine
ziemlich rohe und gewaltsame Weise verschnitten, und die vier- und
mehrjährigen zum Schlachten auserlesen. Das Einfangen der letzteren,
eine mühselige und oft gefährliche Arbeit, geschieht, wie in den Pampas
von Buenos - Ayres, mittelst langer lederner Schlingen, welche die Piöes
mit unglaublicher Geschicklichkeit handhaben. Das zahme Rindvieh wird
in der Nähe der Fazenda gehalten, bei Tage frei auf die Weide gelassen,
und nur während der Nacht in eine Verzäunung (Curral) eingesperrt.
Man zieht das Fleisch des zahmen Viehes, welches wegen seiner ungestörten
und ruhigeren Lebensart schneller und bei wenigem Futter fetter
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