Am folgenden Tage passirten wir nächst der t^enda das duas Irmas
den sandigen Kiesgrund an der Vereinigung der Rios Turvo und Piranga,
und ritten in einer bergigen Waldgegend hin. Feuchte Wolken und Nebel
hüllten oft um uns her die Spitzen der Waldung (Matto dos Puris)
ein, und mahnten an die herbstliche Jahreszeit unseres Vaterlandes.
Gegen Abend erreichten wir ein hohes, angenehmes Thal und fanden in
einer Fazenda nächst der Capelia de S. Rita Unterkunft. Eine noch viel
beschwerlichere Reise erwartete uns am nächsten Tage; wir hatten kaum
das wasserreiche Thal durchschnitten, so standen wir vor dem Dickicht einer
Waldung, durch welche nie die Sonne durchgedrungen zu haben schien.
Die Gneiss- und Granitformation, die hier an mehreren Stellen zu Tage ausgeht,
erinnerte uns nebst der Art der Vegetation noch viel mehr als früher,
dass wir aus der Alpengegend des Glimmer- und Thonschiefers und aus den
offenen Campos wieder in die Region der Serra do mar gelangt seyen.
Der Pfad ward so schmal, dass kaum ein Maulthier nach dem andern fortzukommen
vermochte; finster wie die Hölle Dante’s schloss sich dieser Wald,
und immer enger und steiler führte uns der Weg in labynnthischen Verschlingungen
an tiefe, von wilden Bächen durchfurchte, und hie und da mit
losgerissenen Felsen besetzte Abgründe hin. Zu dem Grausen, womit diese wilde
Einsamkeit unsere Seele erfüllte, gesellte sich noch der quälende Gedanke
an einen Ueberfall wilder Thiere oder feindlicher Indianer, welcher unsere
Phantasie mit den schaudervollsten Bildern und trübsten Vorahnungen beschäftigte.
Unaussprechlich war daher unsere Freude, als wir endlich die
andere Seite des Gebirges, der Serra Geraldo, erreichten, und den
Schimmer des Tages nach und nach hareindämmerir sahen. Nachdem wir
einen Theil des schroff abwärtsführenden, einem Rinnsale ähnlichen Weges
überwunden hatten, blickten wir über eine ungeheuer ausgedehnte Waldung
hin, die gegen S. W. von der gleichfalls bewaldeten Serra da Onga
begrenzt wird. Kaum waren wir in die weite Thalebene, zwischen diesen
beiden, grösstentheils aus Gneiss bestehenden, und etwa zweitausend
fünfhundert Fuss hohen Gebirgszügen, hinabgestiegen, so wurden wir auf
dem engen Pfade von zwei menschlichen Gestalten überrascht. Beide
waren nackt, und über die Schultern hingen die kohlschwarzen Haupthaare
herab. Sie schlichen in kurzen Schritten, mit eingezogenem Halse,
die Augen bald rechts bald links wendend, langsam einher; der Mann
ging voran, trug einen Bogen und Pfeil in der Linken, und hatte über die
Achseln noch einen Bündel Pfeile hängen. Die Frau nebst den grösseren
Kindern folgte hinterher und trug auf ihrem Rücken einen aus Palmblättern
geflochtenen Korb, welcher, mit einem Bande an der Stirne festgehalten,
die häuslichen Gerätschaften und die Bedürfnisse des Lebens, als Mais,
Mandiocca, Bataten, ein irdenes Küchengefass u. s. w. enthielt. Oben auf
demselben sass ein kleines Kind, ungefähr einige Monate alt, welches mit
seinen Armen den Hals der Mutter umklammerte. Kaum hatten wir sie, und
sie uns erblickt, so drängten sie sich eiligst in den Wald und verschwanden
vor unseren Augen.
Als wir die erste Fazenda in der Ebene erreicht hatten, trafen wir
mehrere solcher Ureinwohner theils mit, theils ohne Waffen, welche mit den
hier hausenden Mulatten und Negern in gutem Vernehmen zu leben schienen.
Wir gingen ihnen mit freundlichem Grusse entgegen; sie kehrten sich jedoch
stumm und misstrauisch von uns ab, nahmen aber endlich die ihnen dargebotenen
Glasperlen, Messer und andere Geschenke an. Auch den Braunen
und Schwarzen schien unsere Ankunft nicht sonderlich angenehm zu seyn,
so sehr theilten sie mit jenen die Verwilderung und Rohheit der Gegend.
Wir fühlten uns daher sehr unheimisch in dieser Umgebung, und brachten
nicht ohne Furcht vor einem Ueberfalle die Nacht schlaflos in einer Maisscheune
zu, die weder uns noch den Effecten hinreichenden Schutz gegen den
in Strömen herabstürzenden Regen darbot. Dichte Nebel hingen am Morgen
noch an den hohen Bäumen der Waldung, als wir aufbrachen, um das
Ziel unserer Reise, das Presidio de S. Joäo Baptista, zu erreichen, wo
wir gegen Mittag anlangten. Dieser kleine Ort aus einigen dreissig Häusern
bestehend, ringsum von dichten Urwäldern, oder, wo diese abgehauen sind,
von fruchtbaren Pflanzungen umgeben, war das Hauptquartier des damaligen
Generaldirectors der Indianer, Marlier ; wir fanden hier zwei Soldaten, welche
schon die Weisung hatten, uns auf den Streifereien durch die Wälder und zu den
Indianern zu begleiten und zu beschützen. Unter dem Generaldirector stehen
mehrere sogenannte Directoren, angesehene Gutsbesitzer, deren Jeder die ihm
zunächst liegenden Ansiedlungen (Aldeas) in Aufsicht nimmt. Die Grundsätze,
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