Schon zur Zeit, als Anchieta und Nobrega die Civilisation der Indianer
von Piratininga mit so väterlichen Gesinnungen und so vieler Umsicht zu
bewirken strebten, raffte plötzlich eine Blatternepidemie drei Viertheile der
Bevölkerung hinweg (*) ; bald hierauf sind Hungersnoth, das mit vermehrter
Grausamkeit geübte System der Sclaverei, ähnliche von Zeit zu Zeit wiederkehrende
Seuchen und der verderbliche Stoff anderer Krankheiten, welche
sich im Gefolge der fremden Einwanderer einfanden, mächtige Ursachen
gewesen, die ohnehin schwache Bevölkerung dieser Gegenden aufzureiben.
Streifzüge gegen die im westlichsten und nordwestlichsten Theile der Capi-
tanie umherschweifenden Indianer, um sie als Sclaven in die Fazendas
abzuführen, sind jetzt von der Regierung strenge verboten, und werden
auch nicht mehr unternommen; der Paulistepflegt übrigens diese Unglücklichen
durch den Namen der Bugres immer mit der Nebenbedeutung von Verächtlichkeit
und Vogelfreiheit von den Indios mansos zu unterscheiden.
Jene flüchtige Rotten dagegen werden durch einen unbezwinglichen Abscheu
vor den Abkömmlingen ihrer Unterdrücker, fern gehalten, und
sterben vielleicht in wenigen Jahrhunderten gänzlich aus.
Die Witterung war während unseres vierzehntägigen Aufenthaltes
in Kpanema günstiger für unsere Beschäftigungen, als wir es erwarten
durften. Zwar regnete es fast an jedem Tage, jedoch hielt der Regenguss
nur wenige Minuten mit Heftigkeit am Die Luft war auffallend trockener
als in S. Paulo. Diese Erscheinung erklärten wir zum Theile durch den
herrschenden Landwind, welcher sich an der nach Landessitte vor dem Hause
errichteten Signalfahne als S.W. zeigte. Einige Tage waren auch sehr
schwül, besonders diejenigen, wo es erst Abends beim Donnerwetter zu
regnen anfing. Selbst an solchen Tagen aber konnten wir an unserem
Elektrometer keine Veränderung bemerken; der Thermometer wechselte im
allgemeinen zwischen 12° und 20° R.; übrigens waren die Morgen und Abende
gewöhnlich kühl. Die Pflanzenwelt begann, durch Regen verjüngt, all-
mälig hervorzutreten, besonders fingen die Bäume der Campos an, sich
mit Blumen zu bedecken. Von Thieren war in dieser Jahrszeit verhältniss-
mässig noch wenig zu finden. Von Affen sahen wir nur den braunen Brüll-
(*) Southey History of Brazil. I. p. 2Q4.
affen, ausserdem von Säugethieren die Capivara, das Aguti, das kleine Tajassü,
den Papamel und das Waldreh; von Vögeln fast gar keine Papageien, aber
grosschnablige Tukane und mehrere Arten von rothhalsigen und blauen
Raben (Coracina scutata Temmink. Corvus cyanoleucos, cyanopogon
Neuw. , decristatns nob.'), von Insecten besonders viele grosse Dungkäfer
[Copris^), die tief unter der Erde leben. Von hier aus nach Norden
fortschreitend, drang sich uns die Bemerkung auf, dass die Mannich-
falligkeit im Thier - wie im Pflanzenreiche gegen den Aequator hin zunehme.
Bevor wir aber von hier abreisten, sendeten wir alles, was bis jetzt an Naturalien
gesammelt war, in Kisten über S. Paulo und Santos nach Rio de
Janeiro, und verliessen am 10. Januar 1818 das schön gelegene Fpanema,*
unseren gastfreien Wirth und die schwedischen Landsleute.
Anmerkungen zum zweiten Kapitel.
(l) Folgende Pflanzen sind ihres Gebrauches wegen in der Capitanie von S. Paul allgemein
bekannt:
1. Ayapäna. Schon l’Heritier, welcher dieser Pflanze als Eupatorium Ayapana beschrieben
hat (Willd. spec. 3. 1769), empfiehlt sie als ein sehr kräftiges Mittel gegen den
Biss giftiger Schlangen und bösartiger Insecten. Die Methode der Anwendung ist, dass man
auf die scarificirte Wunde eine öfter zu wechselnde Quantität zerquetschter Blätter legt, und
so lange, bis man den Kranken frei von Zufällen, besonders der schrecklichen Angst sieht,
von Zeit zu Zeit einige Löffel des ausgepressten Saftes einnehmen lässt.
2. Erva da cobra. Mikania opifera JMart., glabra, caule angulato scandente, foliis lato-
ovatis acuminatis, cordatis, repando -dentatis vel subintegerrimis, adultis obtusiusculls, floribus
corymboso - paniculatis. Der M. scandens verwandt. Man gebraucht den ausgepressten Saft
dieser Pflanze innerlich und äusserlich, das gequetschte Kraut mit Oel benetzt zu Umschlägen bei
Wunden von giftigen Schlangen. Sie soll die Krisis besonders durch Urinabsonderung bewirken.
Man vergl. darüber Gomez in den Memorias da R. Academia de Lisboa 1812. 2. S. 23 , wo die
Pflanze als Eupatorium crenatum beschrieben wird; — Die Familie der Korbblüthenpflanzen (Com-
positae) hat mehrere Arten aufzuweisen, welche specifisch gegen den Schlangenbiss zu wirken
scheinen, und sie verdient in dieser Hinsicht eine genauere Untersuchung. Wir erinnern nur an
die von Hubiboldt beschriebene, unserer Pflanze ähnliche Mikania Guaco, an Prenanthes Ser-
pentaria Pursch, Liatris scariosa und stjuarrosa W. und an Milleria Contrayerla L. -
3. Mil homens. Aristolochia ringens, Sw. A. grandißora, Gomez l.c. S. Ö4. t. 6.
Die Wurzel, welche sich durch einen äusserst penetranten widerlichen, der Raute ähnlichen Geruch
und einen stark bitteren aromatischen Geschmack auszeichnet, kommt in ihren Wirkungen
fast ganz mit der virginischcn Schlangenwurzel (A. Serpentaria L.) überein. Man gebraucht sie