hinan, welches schon aus der Ferne durch den Kranz wallender Palmenwipfel
, die es beschatten, zu verkündigen scheint, dass sich hier dem Unglücklichen
ein sicheres Obdach, dem Lebensmüden ein friedliches Asyl öffne.
Kein Ort der Erde vermag mehr das Gemüth von irdischen Neigungen und
Sorgen zu entfesseln, als diese einsame Wohnung frommer Beschaulichkeit.
Den angenehmen Eindrücken, welche die Gegend in der Seele des Reisenden
hervorruft, überlässt sich derselbe um so lieber, je seltener sie in einem noch so
wenig bevölkerten und so kunstarmen Lande anzutreffen sind. Das Hospicio
de Nossa Senhora Mai dos Homens steht als Triumph der frommen Beharrlichkeit
eines einzigen Mannes da, welcher bloss mit milden Spenden im
Jahre 1771 den Bau begann, und nach und nach die Kirche mit Malereien,
Schnitzwerk, Silber-, Gold- und Edelsteinschmuck verzierte, die für die Brüder
bestimmten Nebengebäude mit bequemem und vollständigem Hausrath
versah, und überhaupt das Institut in einen blühenden Zustand setzte. Noch
lebte der ehrwürdige Eremit, ein blinder Greis von mehr als hundert Jahren,
von Geburt ein Portugiese. Er freute sichinnigst, in dieser entlegenen Einsam^
keit von europäischen Landsleuten begrüsst zu werden. Da er ohne Beistand
anderer Brüder, deren sich damals Keiner hier befand, die Verwaltung zu
leiten nicht mehr im Stande w a r, so wurde diese einem Administrator von
der Regierung übertragen. Man nahm uns gastfreundlich auf, und wir erstaunten,
reinliche Betten, Tischzeug und andere Bequemlichkeiten im Ueber-
flusse zu finden. Die Anstalt hat durch fromme Beiträge schon einiges
Vermögen erhalten; acht Negersclaven bauen das Land in der Nachbar?
schaft, oder liegen der Zucht des Rindviehes ob, welches hier trefflich
gedeiht. Die hier bereitete Butter übertrifft an Wohlgeschmack und Milde
die der Schweizeralpen. In der Nähe des Hospiz hat man auch mehrere
europäische Obstarten, wie Pfirsiche, Quitten, Aepfel, Kastanien und Oliven
gebaut; die Olivenbäume bringen jedoch, der hohen und kühlen Lage des
Ortes ungeachtet, niemals Früchte hervor.
Den Naturforscher hält der Reichthum dieses herrlichen Gebirgsthales,
das wir unter der Aufschrift „Hospicio da Mai dos Homens44 im Atlas
dem Leser vor Augen führen, in einem fortwährenden Entzücken. Unglaublich
ist die Mannichfaltigkeit und Schönheit der hiesigen Pflanzen
formen. Besonders zahlreich und charakteristisch für dieses, wie für andere
Quarzschiefergebirge, sind die Glieder aus den Familien der Melastomen, der
Crotonen, Malpighien, der Korbblüthen und die stämmigen, grossblumigen
Lilien. An sumpfigen Weideplätzen und an den grasreichen Ufern eines
tiefen, ringsum von blüthenreicher Waldung eingeschlossenen Teiches stehen
die wunderbarsten Formen von Hydrocotylen, Droseren, Andromeden,
Qaultherien , Utricularien, Sauvagesien , Eriocaulen u. s. w. Am ersten
Tage sammelten wir gegen hundert uns vorher unbekannter Pflanzenarten,
und obgleich gebirgige Gegenden fast immer arm an Thieren sind, so war
doch hier die Ausbeute, namentlich aus den Gattungen Cerambyx, Buprestis,
besonders an Buprestis tricolor, semistriatus nob., und den verschiedenartigsten
Colibris sehr reich. Des Abends von unseren Wanderungen zurückgekehrt,
erwartete uns noch ein neuer Genuss, wenn wir von der Terrasse vor dem
Kloster die Scheibe des ätherisch glänzenden Mondes über das Gebirge heraufkommen,
oder den klaren Himmel sich allmälig mit den Constellationen
des südlichen Firmaments schmücken sahen. Der Ruf der Vesperglocke
durch das wildschöne Gebirgsthal erweckte in unserer Seele ein Gemisch
der süssesten Empfindungen, welche das Andenken an das ferne Vaterland
mit dem Genuss einer so schönen Gegenwart verknüpften.
Ungerne verliessen wir nach einem zweitägigen Aufenthalte diesen
paradiesischen Ort, und stiegen das Hauptjoch des Gebirges hinan, um
von da auf der Ostseite nach Inficionado hinabzukommen. Auch auf
diesem Wege bot jeder Schritt neue Gegenstände und neue Schönheiten
dar. Längs einem krystallhellen Waldbäche gingen wir in einem
frischen Nebenthale, von steil anstrebenden Felsen eingeschlossen fort,
bis sich ein Durchgang zwischen den beschränkenden Felsen öffnete,
und wir eine hohe Felsenterrasse mit Vellosien bewachsen erreichten,
die uns noch den letzten Blick nach -dem einsamen Kloster gestattete.
Von nun an ward der Weg abwärts immer steiler, so dass es nicht
räthlich schien, auf dem Maulthiere zu bleiben. Höhere Gebüsche und
Bäume verliessen allmälig den Wanderer, der sich zwischen niedrigen
Gesträuchen mühsam durchzuarbeiten hatte. Man bemerkt in dem weis-
sen, oft in grossen Strecken entblössten Quarzschiefer schmale Gänge