wurden von hier aus nicht bloss Linientruppen , sondern auch ein Regiment
der Milizen abgesendet, was eine fühlbare Lücke in der arbeitenden Classe
verursachte und für manche Familien höchst traurige Folgen hatte. (*) Da
ein grosser Theil jener Milizen in S. Catharina, noch mehr aber auf dem festen
Lande in der Garnison von Montevideo, theils im Kampfe, theils an Heimwehe
, Ruhr und anderen auf ungewohnte Strapazen folgenden Krankheiten
umkam, bemerkte man auch in der ganzen Capitanie ein allgemeines Missvergnügen
über diese militärische Unternehmung. Der Pauliste zeichnet
sich zwar vor den meisten Bewohnern Brasiliens durch Treue und Gehorsam
gegen seine Regierung aus, aber ein Krieg, welcher in den Augen
der Menge nicht aus dringenden Gründen, sondern vielmehr nur der Ansicht
einiger Wenigen zu Folge geführt wurde, musste dem ruhigen, zur
Zeit noch an keine Kriege gewöhnten Landmanne ganz fremd bleiben und,
sobald er das Leben und Familienglück Mehrerer zum Opfer forderte, die
lauteste Unzufriedenheit erregen. Ein grosser Theil der Milizen verliess
deshalb noch vor dem Ausmarsch die Fahnen, und flüchtete bisweilen
mit der ganzen Familie entweder in die entlegenen Wildnisse der Capitanie
von S. Paulo oder nach Minas Geraes, wo sie sich niederliessen und von
wo aus sie, obgleich zurückgefordert, nach den dortigen Vorrechten jeder
einzelnen Capitanie, doch nicht ausgeliefert wurden.
In Aldea da Escada, einem kleinen Dorfe drei Meilen südlich von
Jacarehy, das unweit eines ehemals zahlreichen, jetzt verödeten Carmeliten-
Hospitiums, am Fusse eines Gneissberges und unmittelbar an dem Paraiba
liegt, hatten wir das Vergnügen einen sehr verständigen Landgeistlichen
zu finden, welcher einer Mission für die in der Nähe wohnenden Indianer
vorsteht. Er bemerkte uns, dass sein Wirkungskreis täglich sich verringere,
in Folge des königlichen Mandates, welches den Missionszwang über die
Indianer aufgehoben und ihnen vollkommen gleiche Rechte mit den übrigen
freien Eingebomen gegeben hat. Diese Verordnung wirkt insofern ungünstig
(*) Man gab uns an, dass im Ganzen zwölftausend Mann den Krieg in Montevideo
führten, wovon viertausend Paulisten wären. Dieser Krieg, dessen Nothwendigkeit, vom Minister
da B arca behauptet, vielfach angefochten wurde, hat indessen in der neueren Zeit seinen
Vortheil für Brasilien bewährt, indem er den La Plata-Strom zu einer natürlichen Grenze machte.
auf alle Orte, wo sich Indier unter der Aufsicht oder Tutel der Portugiesen
befinden, als jene sich nun immer mehr von da in einsame Wälder zurückziehen.
Gegenwärtig zählte die Mission nur sechzig Pfarrkinder; die übrigen
hatten sich bereits alle durch die Provinz zerstreuet. Sie sind nicht Reste
einer einzigen Nation, sondern ein Gemisch von mehreren, die dieses
Gebiet vor der Besitznahme der "Portugiesen inne hatten. Ihre Physiognomie
war nicht die angenehmste. Der allgemeine Ragezug, hinbrütender
Stumpfsinn und Verschlossenheit, der sich besonders in dem irren trüben
Blicke und dem scheuen Benehmen des Americaners ausspricht, wird
bei dem ersten Schritt in die Reflexionsstufe durch den ihm noch .ganz
fremdartigen Zwang der Civilisation und des Umgangs mit Negern, Mestizen
und Portugiesen bis zu dem traurigsten Bilde innerer Unzufriedenheit und
Verdorbenheit gesteigert. Die Behandlungsart mancher der gegenwärtigen
Gutsbesitzer trägt freilich auch zu dieser moralischen und physischen Verschlechterung
bei. Weder nationale Züge oder selbstgewählte körperliche
Verstümmelungen, noch eigenthümliche Sitten und Gebräuche dieser armseligen
Reste früherer Bewohner lassen schliessen, zu welchem Volksstamme
sie ursprünglich gehörten. Auch die Sprache, welche man bei
den Indiern dieser Mission findet, scheint nicht einfach, sondern aus mehreren
Idiomen zusammengesetzt zu seyn, und besonders auch viele Worte der
Guaranisprache aufgenommen zu haben. Nach den Berichten der Geschichtschreiber
(*) ist es wahrscheinlich, dass hier wie in der Ebene von Pirati-
ninga oder S. Paul der Stamm der Goyanazes wohnte. Letztere sollen sich
vor ihren Nachbarn, den Tamojös und Cariös, durch die Gewohnheit,
in unterirdischen Höhlen zu wohnen und ihre gefangenen Feinde nicht
zu schlachten, sondern als Sclaven zu behalten, ausgezeichnet haben, und,
wie die stammverwandten, weiter gegen Norden wohnenden Goytacazes,
ein schöner, kräftiger, kriegerischer und bildsamer Menschenschlag gewesen
seyn. Wenn die noch in Aldea da Escada, in den benachbarten
Wäldern der Wlantiqueira und der Serra do mar wohnenden
Indier Reste jener Goyanazes wären, so gehörte diese allmälige Verschlechterung
der Körper - und Gesichtsbildung der Urbewohner bis zu