kam. Es war mit seinem Gepäcke in die Stadt zurückgelaufen, wo es wahrscheinlich
bald einen andern Herrn gefunden hätte, wäre der Arieiro nicht so
glücklich gewesen, es endlich am Hafen und zwar schon in fremden Händen
anzutreffen und zu uns wieder zurückzufiihren. Ermattet von dem unruhigen
Suchen und Hin- und Herreiten mussten wir daher, obgleich kaum
eine Stunde von der Stadt entfernt, unweit des königlichen Landhauses
5. Cristoväo anhalten, um die zerstreuten Thiere und Treiber wieder zu
sammeln. Nachdem wir hier unter ängstlichem Harren den grössten Theil
des Tages zugebracht hatten, brachen wir endlich mit der neugeordneten
Truppe auf, passirten die nach Canta-Gallo und Minas führende Seitenstrasse
und erreichten mit Sonnenuntergang Campinho, eine drei Legoas
von Rio gelegene Fazenda nebst einer Venda, welche die Hauptbedürfnisse
für die vorüberziehenden Karavanen feil hat. Solche Buden finden sich
auf dem grössten Theil des Weges von Rio de Janeiro nach S. Paul und
nach den wichtigsten Orten in Minas Geraes, und sind, da die Pflanzungen
in feuchten Gründen oder in den Urwäldern von der Strasse entfernt liegen,
sehr häufig die einzigen Plätze, welche den Reisenden noch an Europa
und an europäische Einrichtungen erinnern. Die Strasse zieht sich in der
Richtung von S.S. W. hieher durch niedriges Land, in welches hie und da die
See bei Hochwasser tief eintritt. Längs dem Wege standen viele kleine
Palmen gerade in der Blüthe und erfüllten die Luft mit einem spermatischen
Gerüche. (*) Unser Nachtlager nahmen wir auf den Ochsenhäuten, welche
bei Tage über die Ladung der Maulthiere gespannt waren, nun aber in
dem von einer Oellampe kärglich erleuchteten Vorhofe ausgebreitet wurden.
Die Thiere entliess man, nachdem sie mit Mais mittelst ihnen angehängter
Säcke gefuttert und aus der nächsten Pfütze getränkt waren, auf die
Weide. Zu diesem Zwecke dienen hier wie auf der ganzen Strasse nach
S. Paul entweder offene freie oder eingezäunte Plätze. Damit sich die Thiere
nicht verlaufen können und des andern Tages sogleich aufzufinden sind,
(*) In Ostindien wird der Pollen der Cocospalmen als Aphrodisiacnm gebraucht. Die Be-
standtheile, welche F ourcrov in_ dem Pollen der Dattelpalme gefunden hat (Annales du Mus.
I. p. 417), nämlich eine besondere, viel Ammonium haltende Materie, phosphorsaurer Talk
und Kalk, so wie etwas Apfelsäure lassen allerdings auf die thierische Natur dieses Stoffes
schli essen.
zieht der Reisende gewöhnlich die Weide in eingeschlossenen Orlen vor,
welche gegen eine nur geringe Bezahlung eingeräumt werden. Wb die
Weide nicht umzäunt ist, pflegt man sich der Lastthiere zu versichern, indem
man ihnen Schlingen an die Vorderfüsse legt. Unsere Leute schleppten
indessen Holz und Wasser herbei und bereiteten das frugale Mahl aus
getrockneten Bohnen mit Speck und dürrem Ochsenfleisch. Die Nacht
war sternenhell, das Firmament aber dunkelte finsterer als in der europäischen
Zone. Der Thermometer zeigte 14,00° R. während des grössten
Theils der Nacht, eine Temperatur, die zugleich mit dem nicht weichlichen
Lager auf kalten Steinen uns an spanische Herbergen erinnern konnte.
Mit Tagesanbruch setzten wir die Reise über niedriges Land fort, erreichten
jedoch das königliche Lustschloss S. Cruz, welches fünf und eine halbe
Legoa von Campinho entfernt liegt, nicht, indem unser Arieiro darauf
drang, die ersten Tagereisen abzukürzen, um die Lastthiere allmälig und ohne
Schaden anzugewöhnen. Wir übernachteten daher in der Venda O San«
tissimo, deren alter Besitzer, ein Italiener von Geburt, uns erzählte, wie
er mit einem französischen Schiffe, das zu einer Entdeckungsreise in die
Südsee ausgesandt worden war., nach Rio gekommen, von dort desertirt
sey und sich dann im Lande niedergelassen habe. So begegneten wir denn
ganz zufällig einem Reisegefährten B ougainville’s , dem in einer langen
Abgeschiedenheit von Europa nicht bloss die Sprache seines Vaterlandes,
sondern auch die europäische Sitte fremd geworden waren.
Auf dem Wege hieher bemerkten wir einen Strich eines aus grobem
trockenen Granitsand bestehenden Grundes. Der ihn bedeckende
niedrige aber sehr anmuthige Wald (*) gleicht durch sein glänzend grünes
steifes Laub unseren Lorbeerwäldchen, wird aber andererseits durch Mannigfaltigkeit
der Blumenbildung seiner weit verbreiteten Guirlanden als
Erzeugnisse des tropischen Klimas charakterisirt. In den Gebirgschluchten
kamen uns einzelne Trümmer und Geschiebe von Grünstein zu Gesicht, welche
(*) Schirms Aroeira, terebinthifolia Raddi. Pohlana (Langsdorffia Leandr.) instrumentaria
nob. Spixia heteranthera Leandr. Byrsonima nitidissima Humb. Sapium ilicifolium W. Alsodea
Physiphora nob. Petrea racemosa Necs. Solena grandiflora. Serianae, Paulliniae sp. etc.