men werden. Fanden wir endlich am Abend einen offenen Hangard oder
eine baufällige Hütte, so musste der grösste Theil der Nacht dazu verwendet
werden, die durchnässten Kleider zu trocknen, die Sammlungen
aus den Kisten hervorzuziehen und von neuem der Luft auszusetzen. Oft
war uns selbst die behagliche Ruhe am Feuer nicht vergönnt, denn das
durchnässte Holz verbreitete mehr Rauch als Flamme. Nur wenige armselige
Hütten, meistens von Mulatten bewohnt , trafen wir in dieser
düsteren Wildniss, und ausser etwas Milch und schwarzen Bohnen war
an keine, weitere Nahrung zu denken.
Für die Einwohner der Gegend jedoch schien gerade in dieser ungünstigen
Witterung, vor deren Eintritte immer schon die Aussaat oder Anpflanzung
vorgenommen worden, und durch welche sie auch von Verrichtungen ausser
dem Hause, von Jagd und Reisen abgehalten sind, eine Aufforderung zu
häuslichen Festen zu liegen. Der Brasilianer ist von lebendiger und genussliebender
Gemüthsart. Fast überall, wo wir am Abende anlangten, schallte uns
der schwirrende Ton der Guitarre {Kiold) entgegen, zu dessen Begleitung
man sang oder tanzte. In Estiva, einem einsamen Meierhofe, mit herrlichen
weiten Campos und in der Ferne ringsum mit frei stehenden Gebirgen umgeben
, waren die Bewohner im Tanze der Badacca begriffen; kaum hatten ßie
die Ankunft fremder Reisenden vernommen, so luden sie uns ein, Zeuge ihres
Festes zu seyn. Die Baducca wird von einem einzigen Tänzer und einer
Tänzerin aufgeführt, welche unter Schnalzen mit dem Daumen, unter den
ausgelassensten Bewegungen und mit einem zügellosen Gebärdenspiele bald
gegen einander, bald von einander tanzen. Den Hauptreiz dieses Tanzes
machen für die Brasilianer Rotationen und künstliche Verdrehungen,des
Beckens aus, in denen sie es fast so weit bringen, als die ostindischen
Gaukler. Er dauert, unter den monotonen Accorden der Guitarre , oft mehrere
Stunden lang ununterbrochen oder nur mit improvisirtem Gesang oder
mit Volksliedern, deren Inhalt seiner Rohheit entspricht, abwechselnd fort.
Bisweilen erscheinen auch die Tänzer in weiblicher Kleidung. Ungeachtet
seiner obscönen Natur ist dieser Tanz doch durch ganz Brasilien verbreitet
und überall Eigenthum der niedrigen Volksklasse, die sich ihn selbst durch
kirchliche Verbote nicht rauben lässt. Er scheint äthiopischen Ursprungs
und von Negersclaven nach Brasilien verpflanzt zu seyn, wo e r, wie
viele andere Gewohnheiten der letzteren, Wurzel gefasst hat.
Unter anhaltendem Regen und in dichte Nebel gehüllt konnten wir am
folgenden Tage nur vier Legoas auf der grundlosen Strasse zurücklegen,
und mussten uns glücklich schätzen, mit Einbruch der Nacht einen verlassenen
Weiler zu beziehen, von dem wir nach Vertreibung der Fledermäuse
Besitz nahmen. Weiter vorwärts zu gehen hielt unser Führer für gefährlich,
weil der Fluss Mandu durch den Regen so sehr angeschwollen war, dass
seine Passage nur bei Tage bewerkstelligt werden konnte. Die Umgebung
unseres Nachtquartiers zeigte, obgleich verwildert, noch Spuren eines ehemaligen
Anbaues. Einzelne Gujaven- und Cuitebäume {Psidium pomi-
fe rum und Crescentia Cujete Li) standen mit Früchten beladen umher,
und die Calabassenpflarize (Cucurbita Lagenaria L.) hatte sich zu hohen
Gehegen verschlungen. Als wir am folgenden Morgen über mehrere
angeschwollene Waldbäche in das Thal des Rio Mandu. herabkamen, fanden
wir den sonst unbeträchtlichen Fluss über eine Viertelstunde breit aus
seinen Ufern getreten, und ganze Bäume und Inseln von Gesträuchen der
Myrten, Sebastianien und Chomelien, die er längs dem Ufer entwurzelt
hatte, in seinen trüben Gewässern fortwälzend. Nach langwierigem Rufen
erschien endlich ein kleiner, von zwei Mulatten geführter Nachen, der
nicht den sechsten Theil unserer Bagage aufnehmen konnte. Wir selbst
ritten mit grosser Gefahr noch eine Viertelstunde durch die überschwemmten
und nicht selten durchlöcherten Wiesen und Hessen die Lastthiere so lange
uns nachtreiben, bis wir an der aus dem Wasser hervorragenden Stelle
anlangten, bei welcher uns jenes Boot erwartete, und wo sowohl Menschen
als Gepäck, nach und nach eingeschifft werden sollten. Die Lastthier.e
wurden nun alle an einem langen Stricke hintereinander befestigt in den Fluss
getrieben, und. folgten schwimmend dem Nachen, dessen Führer sie durch anhaltendes
Zurufen aufzumuntern suchten. Glücklich gelangte Alles ans andere
Ufer, und w ir hatten bald auch die Beruhigung, die Bagage unbeschadet nach
und nach ankommen zu sehen. Wir wünschten uns jetzt um so mehr Glück,
der Gefahr entronnen zu seyn, da wir gleich bei unserer Ankunft erfuhren,
dass gestern ein übersetzender Trupp einige Thiere verloren habe.