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der Eingebornen sogleich den Engländern Schuld gab, sehr gross, die Pro
vinz ist bis jetzt von einer bedeutenden Masse überschwemmt, und leidet
dadurch um so mehr, als weder Einwechslung von Seite der Schmelzhauser,
noch zufälliger Absatz in andere Provinzen die Summe vermindern.
Der Fluss S a p u c a h y ^ ), welcher diese Gegenden durchströmt, ehe
er sich mit dem Rio Grande vereinigt, stellte gegen Abend unserem Zuge
unüberwindliche Hindernisse entgegen; an mehreren Puncten, wo wir ihn
da die Brücke abgerissen war, durchsetzen wollten, zeigte er sich so tie
und reissend, dass wir nur mit harter Mühe das erste Lastth.er, welches
hineingetrieben wurde, retten konnten. Wir standen daher von unserem
Vorhaben ab, heute noch die jenseitige Fazenda zu erreichen, und lagerten
uns auf freiem Felde in einem von niedriger Waldung emgeschlossenen
Thale. Ein feiner, feuchter Nebel, welcher die ganze Nacht hindurch fie
und beständig unsere Feuer zu verlöschen drohte, machte uns vor Fros
erstarren. Diese Unannehmlichkeiten wurden am Morgen noch dadurch
vermehrt, dass wir unseren Negersclaven vermissten. Die muhevolle
Reise durch grösstentheils überschwemmte Länder hatte Missvergnügen
in dem jungen Schwarzen erregt, der unsere humane Behandlung nicht
Zu schätzen wusste, und die erste günstige Nacht benützte um sich auf
freien Fuss zu setzen, was neue Sclaven häufig zu thun pflegen. Da nirgends
eine Spur von ihm zu finden war, so verfolgten wir unseren W eg
bis zu dem Landgute S. Barbara, das gestern das Q unserer Re.
seyn sollte, um daselbst die nöthigen Maassregeln zur Auffindung des
Flüchtlings zu treffen. Man empfing uns hier mit wahrhaft altgermam-
scher Gastfreundschaft und der Besitzer des Gutes, W A*to, io A ~
Sargente mör e Administrador da Real Fazenda, welcher erst am Abend
v o rd e r Besichtigung entfernter Pflanzungen nach Hause kam, beruhig
„ns über das Schicksal des Vermissten. In ganz Minas Geraes , so wie
in mehreren anderen Provinzen, wo die Menge von Negersclaven im Innern
doppelte Aufsicht nöthig macht, wird durch ein eigenes Corps, die sogena -
tenCapitäes da matte, die meistens Mulatten oder andere farbige Leute
(*) Sapucaya Topfbaum, Hy Wasser, Fluss.
sind , jeder flüchtige Sclave verfolgt und an seinen Eigenthümer oder
die geeignete Behörde zurückgeliefert. Nur Flüchtlinge, die eine genaue
Kennlniss des Landes haben und sich bis in grosse Entfernungen zurückziehen,
entgehen bisweilen der Aufmerksamkeit dieser Waldpolizei; man
tröstete uns daher damit, dass die Wiederkehr unseres Negers, da er noch
roh und unerfahren (Negro bruto) sey, baldigst erfolgen werde. In der Thal
brachte man ihn am dritten Tage aus einer benachbarten Fazenda hieher;
beim Empfange folgten wir dem Rathe unseres Wirthes, indem wir ihn
nach hiesiger Sitte statt harter W orte recht theilnehmend behandelten, und
ihm', um die Erinnerung an diese abenteuerliche Flucht zu tilgen, ein volles
Glas Branntwein reichen Hessen. Lange Erfahrungen haben die Brasilianer
belehrt, dass dieser Trunk und die Anwendung gänzlicher Amnestie besser
auf die Gemüthsart neuer Neger wirke, als jede Züchtigung.
Die nächsten Umgebungen von S. Barbara sind niedrige Wälder und
schöne Grasgefilde, deren Moorboden von Schnepfen, Ziegenmelkern und
einer Art Nachteule bewohnt wird, und eine grosse Anzahl prächtiger
Myrten, Rhexien, Melastomen und Lippenblumen ernährt. Der Sapucahy,
dessen Ufer dicht mit Inga- und Sebastianiensträuchen besetzt sind, schlängelt
sich bald in der Ebene, bald zwischen niedrigen Waldgebirgen hin ,
und bietet Fische im Ueberflusse dar; auch Riesenschlangen, eine kleine Art
Caiman und Lutra brasiliensis kommen häufig in ihm vor. In den Wäldern
bemerkten wir viele jener Bäume, von welchen das Gummi Anime
herstammt (Hymenaea Courbaril L.~) (*). Man nennt sie hier Jatobä
oder Jatai. Zwischen der Rinde und dem Holze dieses Baumes, der im
Wachsthume der Ulme nahe kommt, findet man verhältnissmässig nur
wenige mit flüssigem Harze angefiillte Lücken; der bei weitem grösste
Theil des Harzes erscheint unter den Pfahlwurzeln des Baumes, wenn
diese von der Erde entblösst werden, was meistens nur nach Fällung des
Stammes geschehen kann. Unter alten Bäumen findet man bisweilen blassgelbe
runde Kuchen von sechs bis acht Pfunden Gewicht, welche .durch all-
mäliges Zusammensickern des flüssigen Harzes gebildet werden. Die Reinheit
(*) Wir lernten mehrere Arten von Hymenaea kennen, welche insgesainmt Harz liefern.
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