Seele haben, ist nur nach langem Umgänge mit ihnen, und durch Eingehen iii
ihre Denkweise zu erforschen möglich 5 so viel schien uns aber géwiss, dass sie
an eine Fortdauer derselben nach dem Tode glauben. So verlassen sie aus einer
gespensterartigen Furcht die Hütten, worin sie ihre Verwandten begraben
haben, gebendem Leichnam Victualiën gleichsam als eine Wegzehrung
mit, und scheuen sich den letzten Ruheort der Todten zu stören, aus
Furcht, dass diese ihnen sonst erscheinen und sie quälen möchten. (v)
Auch die allgemeine und in allen Sprachen der Indianer durch eine bestimmte
Bezeichnung beurkundete Annahme eines bösen Princips kann als
Beweis angesehen werden, dass sie, wenn auch noch so undeutlich, das
Geistige von dem Körperlichen in der Natur unterscheiden. Im Verlaufe
dieses Reiseberichtes werden wir Gelegenheit haben, hievon ausführlicher
zu reden, und zu beweisen, dass die Idee der Metempsychose im Allgemeinen
bei ihnen die herrschende sey.
Verlassen von Tradition, Geschichte oder geschichtlichen Documenten
bleibt dem Forscher über diese Naturmenschen nur die Beobachtung des
Körperbaues, der bestehenden Gebräuche und vorzüglich die der Sprache
übrig, um daraus von physischer und psychischer Seite den Rang ihrer
Rage unter den übrigen, und ihre gesammte Bildung zu entziffern. Wir
haben uns deshalb sehr eifrig bemüht, die Sprachen der um Presidio
lebenden Stämme zu erforschen. Leider ist es aber bei dem Mangel an
Uebung des Geistes des Indianers sehr schwierig, hierüber genügende
Auskunft zu erhalten. Kaum hat man angefangen ihn über seine Sprache
auszufragen, so wird er schon ungeduldig, klagt über Kopfweh und zeigt,
dass er diese Anstrengung nicht auszuhalten vermöge. Aeusserst merkwürdig
ist die grosse Zahl verschiedener Sprachen, welche man bei den
americanischen Indianern findet, und füglich nicht als Dialekte auf gewisse
Grundsprachen zurückführen kann, weil sie sehr wenig gleichbedeutende
Wurzelwörter besitzen ((*) **), und überhaupt so sehr von einander abweichen,
(*) Ein Coroado erzählte u n s , dass eine seiner Frau en , welche kurz vorher gestorben
war, ihm in der Nacht öfters erschienen, seiner Umarmung aber immer ausgewichen sey.
(**) W ir haben von folgenden Nationen Vocabularien gesammelt, welche wir im Anhänge des
zweiten Theils bekannt machen w erden: Coroados, Coropós, Puris, Botocudos, Macuanis, Penhams
dass Indianer von verschiedenen Stämmen sich gegenseitig häufig nicht
verstehen, und eben so wie die Europäer ; welche mit ihnen umgehen,
sich durch Zeichen verständigen müssen., Ihre Sprachen erstrecken sich
nur auf die Bezeichnung der nächsten Umgebung, und drücken sehr oft
durch Nachahmung der Laute (onomatopoetisch) die vorherrschende Beschaffenheit
der Dinge aus. Die äusseren und inneren Theile des Leibes, dann
die verschiedenen Thiere und Pflanzen unterscheiden sie mit grosser Bestimmtheit,
und nicht selten wird auf die Verwandtschaft solcher Naturkörper
unter sich durch sprechende Andeutungen in den Worten hingewiesen;
so z. B. sind uns die indianischen Benennungen der einzelnen
Äffen und Palmen Fingerzeige bei der Erforschung der Gattungen und Arten
gewesen, weil fast jede Art einen eigenen indischen Namen hat. Vergeblich
würde man sich aber bemühen, Worte für die abstracten Begriffe von
Pflanze, Thier, oder die noch abstracteren: Farbe, Ton, Geschlecht, Gattung,
Art U.S.W. bei ihnen zu finden; eine solche Allgemeinheit des Begriffes
findet man nur in dem von ihnen so häufig gebrauchten Infinitiv der Zeitwörter
ausgedrückt, als gehen, essen, trinken, tanzen, sehen, hörenu.s. w.
An Kräfte und allgemeine Naturgesetze denken sie nicht, und können sie daher
auch nicht mit Worten bezeichnen. Dass die Gestirne frei in der Luft schweben
, durch den Aether kreisen, und dass die Sonne etwas Anderes sey, als ein
grosses Feuer, ist wohl noch keinem Indianer eingefallen; dass ausser der
Sonne, dem Monde, dem Siebengestirne und Orion noch andere Sternbilder
existiren, dass die Fixsterne von Planeten, die Trabanten von letzteren verschieden
seyen, daran hat noch Keiner von ihnen gedacht. Noch weniger haben sie
Worte für Seele; Geistu. dgl., oder höchstens sehr unbestimmte und dürftige
Bezeichnungen. Das Wort Tapàn oder Tiipâna, welches man als die Bezeichnung
von Gott bei mehreren der schon etwas civilisirten Stämme antrifft;,
(Panhems oder Fanhämis), in Minas Geraës; Mächacalis, Capoxds, Cataxös, Comanaxös, an der
Grenze von Porto-Seguro, Bahia und Minas ; Cariris, Sabujds, Camacaëns, Masacaräs in Bahia;
Geicös in Piauhi; Apogenicrans, Pimenteiras und Purecamecrdns in Maranhâo ; Muras, Mundrucus,
Uainumäs, Manaxds, Canna-m irim , Passés, Ju ri-T o c an a -T ap u ü ja , Juri-Taboca - Tapuüja,
Culinos, Catuquinas, Uairupu, Campévas, Marauds, Araquaxus, Cauixdnas, Mariâtes, Maxurunas,
Tocünas, Maudos, Bares, Cariays, in Para und Ria Negroi endlich besitzen wir Vocabularien
der Lingua gcral von Brasilien (der Tupinambds) und der der Incas.
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