Dem Gewerbsbetriebe in Brasilien ist sowohl der eben geschilderte
Zustand des Handels als das Zollsystem nicht hinderlich. Obgleich nämlich
eine grosse Menge von Waaren und Kunstproducten hier eingeführt wird,
welche im Lande erzeugt werden könnten, so ist es doch bis jetzt mehr
der Mangel an Künstlern und Handwerkern, als der Druck des Handels,
welcher die Theuerung einheimischer .Kunstproducte verursacht. Mit der
Bevölkerung wird auch darin die Thätigkeit des Inlandes gewinnen, und
somit das Verhältniss der Ausfuhr und Einfuhr noch günstiger für Brasilien
werden. Gegenwärtig haben sich in Rio viele, besonders französische
Handwerker niedergelassen, deren Ansiedlung von Seite der Regierung
begünstigt wurde. Unter den Eingebornen sind es die Mulatten., welche
am meisten Geschicklichkeit und Eifer für mechanische Geschäfte äussern,
ja man will unter ihnen sogar lebhaften Kunstsinn für Malerei bemerken.
Die freien Neger, deren es eine grosse Menge in der Stadt giebt, entwickeln
sich hier nicht so vortheilhaft und brauchbar für die bürgerliche Gesellschaft,
als auf dem Lande, wo sie nicht selten tüchtige und wohlhabende Landbauer
werden. Dagegen arbeiten die Handwerker zum Theil mit ihren
eigenen schwarzen Sclaven, welche, unter der strengen Zucht ihrer Herren,
nebst der Geschicklichkeit und Brauchbarkeit in Geschäften auch die Tugend
bürgerlicher Ordnung erlernen. Die Aufsicht des Staates erstreckt sich
jedoch noch nicht mit solcher Strenge auf das gesammte Gewerbewesen, wie
in Europa. Viele Handwerke werden ohne den Verband der Gilden ganz
frei und von Jedermann, der dazu Lust hat, getrieben; demungeachtet
sind die Preise der Handwerksproducte sehr hoch. Die Freiheit eines Eigeii-
thümers von Sclaven, letztere zu jedem Handwerke, wie es ihm gut dünkt,
zu benützen, steht dem Zwange der europäischen Genossenschaften entgegen.
Indessen sind alle Gewerbe, welche Einfluss auf die öffentliche Gesundheit und
Wohlfahrt haben, unter polizeiliche Aufsicht gestellt. Fleisch und Brod
werden nach gesetzlichen Taxen verkauft, die Ungleichheit der Vorräthe
und der Zufuhr verursachen aber grosse Verschiedenheiten in den Preisen.
Den europäischen Ankömmling setzt die Menge von Gold- und Silberarbeitern
und Juweliers in Erstaunen, welche hier, wie die übrigen Handwerker, meist
in einer Strasse beisammen wohnen, die an die prächtigen Ruas de ouro und
de prata Lissabons erinnert. Die Arbeit dieser Handwerker steht zwar der
europäischen nach, ist aber doch nicht ohne Geschmack und Dauerhaftigkeit.
Viele in Europa sehr nothwendige Gewerbe sind im Innern, bei den geringen
Bedürfnissen der Einwohner, bis jetzt beinahe überflüssig. In der Hauptstadt
jedoch und den übrigen Küstenstädten sind Tischler, Blechschmiede und
andere Handwerker in grosser Anzahl vorhanden , am seltensten aber noch
Gerber, Seifensieder und Stahlarbeiter. Vorzüglich werden auch Mechaniker
zur Anlegung von Zucker- und andernMühlen, von Maschinen zur Betreibung
der Goldminen u.s. w. gesucht und sehr theuer bezahlt. An Glas-, Porzellan-,
Tuch- und Hutfabriken ist bis jetzt in der Hauptstadt noch nicht gedacht
worden; auch wäre die Anlegung derselben kaum rathsam in einem Lande,
welches die Erzeugnisse des europäischen Kunslfleisses so wohlfeil gegen
die Producte seines reichen Bodens eintauschen kann.
Anmerkungen zum ersten Kapitel.
(1) Die Portaria, welche in der Folge auch auf die übrigen Capitanien ausgedehnt wurde,
die wir bereisten, lautete wörtlich so: Manda El Key Nosso Senhor a todas as Authoridades
Militares ou Civis a quem esta for apresentada, e o seu conhepimento pertenper, que se näo
ponha embarapo algum ä livre jornada de Mr8, Spix e Martius , Membros d Academia Real das
Sciencias de Munich, aos quaes Sua Magestade tem concedido a permissäo necessaria para viajar
e demorar-se o tempo que lhes for conveniente em qualquer parte dentro dos limites desta
Capitania do Bio de Janeiro; E determina Sua Magestade, que se lhes preste nesta sua de-
grepdo toda a assistencia e auxilio de que precizar, logo que o pedir. — Palacio do Rio de Janeiro
em 12 de Setemhro de 1817.
(L.S .) J oa"o P a u lo B e z e r r a .
Der König, unser Herr, befiehlt allen Militär-und Civilautoritäten, welchen Gegenwärtiges
vorgewiesen wird, oder zu deren Kenntniss es gehören möge, dass sie den Herren Spix und
Martius, Mitgliedern der k. Akademie der Wissenschaften zu München, kein Hinderniss in
Weg Ie»en sollen, innerhalb der Grenzen der Provinz von Rio de Janeiro zu reisen und sich
aufzuhalten, wo und so lange es ihnen beliebt; es bestimmt auch Se. Majestät, dass man ihnen
allen Beistand und alle Hülfe, deren sie nöthig haben, gewähre, sobald sie solche verlangen.
Im Pallaste von Rio de Janeiro, den 12. September 1817.
(L.S .) J o h a n n P a u l B e z e r r a .
(2) Arachis hypogaea L. Ausser dem Interesse, welches diese Pflanze durch ihre öligen
Saamen für die Landwirthschaft in heissen Ländern hat, ist sie dem Naturforscher besonders