D r i t t e s Kapi t e l .
Aufenthalt in Gibraltar und dessen Umgebungen.
D e r erste Theil der Seereise war so vollendet, und wir befanden uns an
den Säulen des Hercules, in denen man die Schranken der kühnsten
Unternehmungen des Alterthums zu sehen pflegt. Viele Glieder der Reisegesellschaft
begaben sich noch an demselben Tage an das Land, welches
in so vieler Beziehung unsere Aufmerksamkeit fesselte. Der Felsen von
Gibraltar, Mons Catpe, bildet den Hern einer schmalen Landzunge, die
sich von Nord nach Süd ins Meer erstreckt und nur durch einen niedrigen
Sandgrund mit dem Continente zusammenhängt. Er erhebt sich auf der
nach Süden gewendeten Spitze, Europa - Point, und auf der Westseite
terrassenförmig; gegen Nord und Ost machen ihn steile Wände schlechterdings
unzugänglich. Seine höchste Spitze, der S u g a r -L o a f, ist 1439, ' die
Eochbattery 1350, das Signal - house 1276, TVindmillhill 330 , die
tiefste Niederung aber, Europa - Point, 105 engl. Fuss über der Meeresfläche
erhaben. Die Stadt liegt auf dem westlichen, dem bewohnbarsten und
ebensten Theile der Landzunge. Die Seebatterien und die furchtbaren
Reihen von Canonen, welche aus den, im obern Theile des Felsens gehauenen,
Casematten hervordrohen, 'beschützen dieselbe. Ausserdem nehmen fast
den ganzen Umkreis des Felsens Batterien ein, und fehlen nur da, wo die
Steilheit der Klippen jeden Angriff des Feinde®unmöglich macht. Die auf
allen Puncten gleich trefflichen Vertheidigungsanstalten sichern dem Platze
die Unüberwindlichkeit, deren Ruf sie, seit Generals Elliot’s muthigerVer-
theidigung gegen die vereinte spanische und französische Flotte, in den
Jahren 1779 bis 1782, gewonnen hat. Auch haben Jahrhunderte daran
gebaut, um der nördlichen Säule des Herkules ihre gegenwärtige Stärke
zu verleihen.
Die Stadt selbst, grösstentheils seit der letzten dreijährigen Belagerung
von neuem aufgebaut, besteht aus niedrigen, in einer Hauptstrasse und mehreren,
mit dieser parallel laufenden Seitenstrassen zusammengedrängten Häusern, von
welchen aus sich das alte Gemäuer des maurischen, im J. 72 5 errichteten Castells,
gegen die Spitze des Berges hinziehet. Südlich von der Stadt, in Red
Sands, sind neuerlich schöne, zu öffentlichen Promenaden bestimmte Gartenanlagen
gemacht worden. Man sieht unter der glühenden Sonne dieser
Gegend viele Kinder der Flora von den glücklichen Inseln, der Nordküste
Africa’s, dem Cap der guten Hoffnung und von West- und Ost-Indien mit
bewunderswürdiger Ueppigkeit wuchern. Die Lieblingsblumen der Spanier
aus diesen Ländern, Jasmin real, Kerba doncella, A r bol del cielo,
Saazgatillo chino, Pimienta, Arbol del coral, Don Diego de noche
u. s. w. (*) wetteifern mit den anmuthigen Zierpflanzen des südlichen
Europa’s. An den Gartenmauern erheben sich hie und da grosse Stämme
der Tuna (**), gleichsam um ein Vorspiel ihres westlichen Vaterlandes zu
geben. Die Alleen längs den Seebatterien beleben den Boden von dieser Seite
des Berges, dessen oberen felsigen Theil einige Gesträuche und die Zwergpalme
mit spärlichem Grün bekleiden. Auf der Höhe des Berges lebt eine
africanische Affenart, Simia Imins E . , welche mehrere Glieder unserer Gesellschaft
gesehen haben wollen. Wahrscheinlich ist solche durch die Mauren
hi eh er gebracht worden. Wendet man sich von jener Anlage auf der
Strasse noch weiter den Berg hinauf, so gelangt man auf eine steile Anhöhe,
welche durch eine unbeschreiblich schöne Aussicht auf das Meer,
die Gebirge des Atlas in S.W. und jene von Granada in N. O. überrascht.
(*) Jasmin um grandiflorum, Vincarosea, Ailanthus glandulosa, Vitex N egundo, Capsicum
fruticosum, Erythrina Corallodendron, Mirabilis Ialappa.
(**) Cactus T u n a , Ficus indica, Opuntia.
(***) Genista linifolia, Spartium junceum, Teucrium valentinum, Phiomis fruticosa,
Chamacrops liumilis. >