steht hie und da in dichten Büschen an den Ufern des Paraiba. Die Ebene
gehört, obgleich zum Theile sehr sumpfig, doch unter die fruchtbarsten Gebenden
von S. Paul. Vorzüglich gedeiht in ihr der Taback ganz vortrefflich,
und seine Cultur ist eine der Hauptbeschäftigungen der Bewohner von Lo-
rena und dem zwei Legoas entfernten Flecken Gaaratingiietä, wo wir
übernachteten. Da namentlich die feuchte Wärme der Absonderung jener
specifischen Substanz auf den Blättern des Tabacks günstig ist, welche vorzugsweise
die Güte derselben bestimmt, so wird der längs der Meeresküste
und in dem wärmeren Thale des Paraiba gebaute Taback vorgezogen
und unter dem Namen Tobacco da marinha von den schlechteren Sorten
des Bergtabacks, Tobacco da Serra acima, unterschieden. Vor allem
aber wird im Lande der Taback von der Insel de 5. Sebastiao geschätzt
und als Schnupftaback auch aus der Provinz verführt. Die Behandlungsweise
der Blätter, welche mehrere Male im Jahre gebrochen werden, ist
ganz einfach. Nachdem sie an der Luft getrocknet sind, werden sie in
Packe zusammengelegt, oder in grosse Rollen gedreht, welche einen der
wichtigsten Tauschartikel der Guineafahrer beim Sclavenhandel ausmachen.
Guaratinguetä liegt in einer ausgedehnten Grasflur, unweit des
Flusses Paraiba, einigen Vorbergen der Serra de Mantiqueira gegenüber,
auf einem angenehmen Hügel, ringsum von Bananen- und Pomeranzenbäumen
umgeben. Der indische Name des Fleckens giebt ein günstiges
Zeugniss von der Beobachtungsgabe der Ureinwohner; das lange Wort
bedeutet nämlich den Ort, wo die Sonne umkehrt. In der That läuft
der Wendekreis des Steinbocks kaum einen Grad südlich von der Villa,
die durch ihr einfaches und freundliches Aeussere und einige Spuren feinerer
Lebensweise Wohlgefallen erregt. Seit unserer Abreise von Rio bemerkten
wir hier die ersten Glasfenster, die in Brasilien immer Wohlhabenheit,
im Innern des Landes sogar Luxus anzeigen. Um so auffallender
ist dagegen dem Reisenden der Mangel aller Regelmässigkeit und Ordnung
in dem Gewerbewesen. Man findet hier wie fast überall im Innern, die
bevölkerten Orte ausgenommen, sehr wenige Gewerbe durch Gilden oder
Handwerkszünfte ausgeübt. Auf der andern Seite kann man auch nicht
sagen, dass Freiheit der Gewerbe herrsche, denn die Gewerbe selbst fehlen
noch, wenigstens grösstentheils. Nur reiche Gutsbesitzer vermögen die
Handwerker hinreichend zu beschäftigen, und der Arme befriedigt alle
Bedürfnisse dieser Art durch seine eigene Geschicklichkeit. Erstere vereinigen
unter ihren Sclaven meistentheils alle jene Handwerker, welche
einem Hauswesen nothwendig sind. Dass dadurch die öffentliche Aufsicht
auf die Gewerbe in polizeilicher und ökonomischer Beziehung erschwert
werde, ist nothwendige Folge. Es durfte uns daher nicht befremden, selbst
in einem Orte von einigen tausend Einwohnern, mit dem spärlichen Mahle
eines Armadills ( Tatu., Dasypas septemcinctus) , welches wir unterwegs
geschossen hatten, vorlieb nehmen zu müssen. Das Fleisch dieses
Thieres schmeckt zwar angenehm, fast wie Hühnerfleisch, ist aber sehr fett.
Von der Villa führt der Weg südwestlich immer durch das Thal
des Paraiba fort. Man hat eine anmuthige mit Bohnen, Mais, Mandiocca-
wurzeln und Taback bepflanzte, gut cultivirte Hügelreihe zur Linken.
Rechts breitet sich das weite Thal bis an die Berge der Serra de Man-
tiqaeira aus und gewährt, fast ohne Spuren von Cultur, mit dichtem niedrigen
Gesträuche von Myrten, Gujaven u. s. w. bedeckt, einen öden traurigen
Anblick. Nur die Hoffnung, dass einst Tausende glücklicher Menschen
diese so reich begabten Gegenden bewohnen werden, vermag den Reisenden
zu erheitern. Nach einer Meile gelangten wir zu dem Wallfahrtsorte
Nossa Senhora Apparecida, einer Capelle auf der Anhöhe, von
wenigen Häusern umgeben. Dem Capitäo mör von Guarantinguetä, der
hier wohnt, brachten wir Briefe aus Rio mit. Er nahm uns mit sichtbarer
Freude auf, und bewirthete uns mit Allem, was sein Haus vermochte.
Die Herzlichkeit im Empfang eines Unbekannten, die geschäftige Eile, mit
welcher alles im Hause zur Bedienung herbeiströmt, bringen eine angenehme
Empfindung im Gemüthe des europäischen Wanderers hervor. Gewohnt
in der Fremde alles zu kaufen, was nicht umsonst angeboten wird,
glaubt man sich hier in die patriarchalischen Verhältnisse der orientalischen
Vorzeit versetzt, wo der Name des Gastfreundes gleichsam einen
Rechtsanspruch auf jenen theilnehmenden Empfang ertheilte und die veran-
lasste Störung der häuslichen Ruhe mehr als entschuldigte. Vor Allem zeigte
man uns hier die Capelle. Sie datirt sich auf siebenzig Jahre, eine in diesem
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