gliederten vollkommneren Einheit der menschlichen Kräfte ist es, die als
wahre, vonder Idee der Freiheit unzertrennliche Humanität angesehen werden
kann. Freiheit, begründet durch ein lebendiges moralisches Bewustseyn,
und entwickelt durch die Herrlichkeit der Religion und achter Wissenschaft
hat dem Europäer den Stempel von Würde und Hoheit aufgedrückt,
welche ihn bisher fast unbewusst siegreich durch alle Welttheile führten, ihn
unter den rohen Kindern der Natur selbst da, wo zügellose Vermessenheit
an die Stelle der ersten Einfalt getreten ist, beschützen, und Ehrfurcht überall
um ihn her verbreiten. Auch wir hatten, als wir uns längere Zeit unter
den Indianern aufhielten, Gelegenheit, das Uebergewicht zu erproben,
welches die Natur des Weissen auf dieselben ausübt. Jene Race zeigt
wie auch die äthiopische und deren Mischlinge gleichsam eine geheime Scheu
vor dem Weissen, so dass ein Blick von demselben, ja 9eine blosse Erscheinung
sie in Furcht setzt, und ein Weisser stillschweigend über Hunderte
derselben herrscht. Mehr noch ist dieses bei Schwarzen der Fall, welche
zwar rasch zur That hervorspringen, aber doch keinen wahren, festenMuth
haben, und daher bei der angebomen Ueberlegenheit des Weissen durch
dessen festen Willen gleichsam psychisch unterjocht und bezwungen werden.
Nach Untersuchung der nächsten Umgebungen von Vpanema dehnten
wir unsere Ausflüge in entferntere Gegenden aus. Vorzüglich wichtig
schien uns ein Besuch des Fleckens Vi'lla do Porto fe liz am Rio Tieté,
wo mancherlei Nachrichten über den Handel zwischen S. Paulo und Matto-
Grosso, welcher von hier aus betrieben wird, einzuziehen waren. Man
zählt von Ppanema fünf und eine halbe Legoa hach diesem Porto. Der
Weg fuhrt über hügelige Campos und durch niedrige Waldgegenden,
in welchen wir kein einziges Haus antrafen, meistens gegen N. W. Der
Capitäo mör, durch unsem gefälligen Wirth und Begleiter von unserer
Ankunft unterrichtet, empfing uns mit grosser Gastfreundschaft und zeigte
uns bereitwillig die Merkwürdigkeiten des Ortes, welcher aus wenigen,
auf der Anhöhe liegenden Hütten besteht. Der Rio Tieté, sonst Anhembi
genannt, fliesst auf der Westseite am Fusse des Fleckens. Seine Gewässer
sind eben so hässlich dunkelbraun als in der Nähe von S. Paulo.
Er hat hier durch den Zufluss mehrerer kleiner Flüsse und darunter des
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Rio dos Pinheiros, des Jundiahy und Capibari schon eine beträchtliche
Wassermasse erhalten, die er in einer Breite von zwölf bis fünfzehn Klaftern
zwischen bergigen, mit düsterer Waldung bedeckten Ufern nach Süden
führt. Unmittelbar am Hafen, der nichts weiter als eine von Wald und
Steinen gereinigte Bucht ist, und eben jetzt ausser einigen aufs Trockene
gezogenen Canots keine Spur von Handel und Geschäftigkeit darbietet, erhebt
sich eine vierzig bis sechzig Fuss hohe Felsenwand, welche in der
Lingua geral Arara- ita-guaba, d. i. Ort, wo die Araras Steine fressen,
genannt wird und früherhin auch dem benachbarten Flecken denselben
Namen gegeben hatte. Diese Felsen bestehen aus demselben, zur Sandsteinformation
gehörigen Gesteine, welches' sich auch bei Kpanema vorfindet.
Seine Oberfläche überzieht ein feiner, gelblich grauer, hie und
da eingeknetete Sandsteintrümmer enthaltender Mergel, welcher auch
an anderen Orten wie z. B. auf dem Hügel des Fleckens selbst vorkommt,
und ein weisses Salz, vermuthlich Alaun, auswittert. Man will
bemerkt haben, dass nach Ende der Regenzeit die Araras und andere
Vögel aus der ganzen Gegend hier Zusammenkommen, und die salzige
Efflorescenz des Gesteins mit dem Schnabel abschaben und auflecken.
Wir konnten nicht Zeugen dieses sonderbaren Schauspiels seyn, vielmehr
schien die ohnehin durch das düstere Gewässer des Flusses so traurige
Gegend wie ausgestorben. Uebrigens ist das Lecken der Thiere an
dem Boden in dem heisseren Theile Brasiliens, wo die Erdoberfläche in
grossen Strecken Salze, besonders Salpeter erzeugt, eine ganz gewöhnliche
Erscheinung, auf welche wir später zurückkommen werden. Nicht
ferne vom Flecken stehen mehr oder minder grosse Geschiebe von Grünstein
in rothem Lehm zu Tage an; auch Kalk soll in der Nähe Vorkommen.
Von Porto Feliz aus haben die Paulisten ihre ersten Unternehmungen,
das Innere der westlich liegenden Sertöes auszuforschen, begonnen.
Golddurst und Lust nach Abentheuern hatte sie schon am Ende des siebenzehnten
Jahrhunderts angeregt, den Lauf des Tiete zu verfolgen. Nachdem
sie seine häufigen Fälle glücklich passirt hatten, waren sie in den
Parana und von diesem in den Rio Pardo herabgekommen, den sie sodann