fortsetzen, bis sie die Weihen erhalten,'in deren Ertheilung man jedoch
hier weniger strenge seyn soll, als in Rio, Pernambuco und anderwärts.
Die Zahl der Einwohner der Stadt 5. Paulo beträgt nach den neuesten
Zusammenstellungen, die abhängigen Kirchsprengel mit eingerechnet, etwas
über dreissigtausend, von denen die eine Hälfte weisse oder sogenannte weisse,
die andere schwarze oder farbige Leute sind. Die ganze Bevölkerung der
Gapitanie von S. Paul war hach den officiellen Listen, welche wir am Ende
dieses Kapitels beifügen(i>, im J. 1808=200,478, im J. 1814= 211,928 und
im J. 1815 = 215,021 Seelen. Besonders auffallende Resultate gewähret die
Bevölkerungstabelle rücksichtlich des Verhältnisses der Geburten. Man rechnet
gewöhnlich auf acht und zwanzig Menschen eine Geburt, und als das höchste
bekannte Verhältniss wird das in fünfzehn Dörfern um Paris == 1 ; 22,7 und
in neun und dreissig holländischen Dörfern = 1 : 23,5 aufgeführt; hier aber
kommt eine Geburt schon auf ein und zwanzig Menschen. Die Sterblichkeit,
welche sich zur Volkszahl wie eins zu sechs und vierzig verhält, ist
ebenfalls, wiewohl nicht so auffallend geringer als bei uns auf dem platten
Lande. Die schwarzen Sclaven haben ungemein wenige Kinder, welches aber
durch das Verhältniss der weiblichen zu den männlichen Sclaven (=== l6 : 22)
noch nicht ganz erklärt wird. Zum Th eile mag es daher rühren, weil
die männlichen Sclaven, fast allgemein zu Arbeiten des Landbaues und
der Viehzucht verwendet, den grössten Theil des Jahres allein auf den
abgelegenen Chacaras und Fazendas de criar gado zubringen, die weiblichen
dagegen den häuslichen Geschäften* obliegen. . Da es uns nicht
möglich w ar, eine ganz zuverlässige Angabe von der Zahl der jährlich in die
Capitanie eingeführten Negersclaven zu erhalten, so wagen wir auch nicht, die
Progression in der Zunahme dieses Theiles der Bevölkerung genau anzugeben.
So viel ist aber gewiss, dass nur einige wenige Provinzen Brasiliens, wie
Rio grande do Sul und Rio negro, eine noch geringere Anzahl von Sclaven aus
Africa erhalten, die übrigen dagegen bei weitem mehr. Man will auch die Bemerkung
gemacht haben, dass die kalte Bergluft und besonders die kühlen
Nächte, welche in einem grossen Theile der Provinz herrschen, der Gesundheit
mehrerer, an grössere Warme gewöhnter Negerstämme nachtheilig
seyen. Jene, welche aus hohen Bergwiesen westlich von Benguela hieher
kommen, sollen sich am leichtesten acclimatisiren.
Unter den Bewohnern von S. Paulo ist der Sinn für europäischen
Luxus noch bei weitem nicht so sehr entwickelt als bei den reicheren
Bahianern, Pemarnbucanern und Maranhotten. Bequemlichkeit und Reinlichkeit
werden bei der häuslichen Einrichtung mehr bedacht als Eleganz und
Pracht, und statt der leichten nordamericanisehen Meubles und der französischen
Spiegel jener Provinzen findet man in dem Besuchzimmer (.Said) eine
Reihe schwerfälliger Stühle, die sich auf längst verflossene Decennien zurück-
datiren, und einen kleinen»Spiegel, worin der “Deutsche an der Nürnberger
Fassung einen Landsmann zu erkennen glaubt. Statt grosser Glaslampen oder
Wachskerzen prunkt eine messingene Lampe auf dem Tische,' in welcher
gemeiniglich das Oel des Wunderbaumes (Ricinus communis') gebrannt
.wird. Indem gesellschaftlichen Tone bemerkt man eben so sehr noch den
verhältnissmässig geringen Einfluss Europa’s. Seltener als in den übrigen
Capitanien dient hier das Kartenspiel die Unterhaltung zu beleben, um so
lauter ist aber das Gespräch, das mit Gesang und Tanz wechselt. Während
unseres Aufenthaltes wurde ein Stiergefecht im Circus gegeben. Man bezieht
die Stiere aus dem Süden der Provinz, besonders von Curitiba, wo sie
durch die freie Lebensart in den ausgedehnten Grasfluren die nöthige Wildheit
beibehalten haben. Dieses Mal jedoch schienen die Thiere nicht sehr muthig
zu seyn und auch die Matadores (meist farbige Leute) an Gewandtheit und
Muth ihren spanischen Collegen nachzustehen. Dem Charakter des Portugiesen
ist diese Belustigung ohnehin fremd, und in einem Lande, wo die
Natur so manchen kräftigen Feind gegen den Menschen bewaffnet, sieht
man doppelt ungern das nützliche Hausthier zum Werkzeuge eines so
grausamen Spiels gemacht. Auch an dramatischen Festen fehlte es damals
in 5. Paulo nicht. Wir sahen in dem nach moderner Art erbauten Schauspielhause
die französische Operette le Deserteur in portugiesischer Sprache
vorstellen. Die Aufführung entsprach jener Zeit, als Thespis theatralischer
Wagen zuerst durch die Strassen von Athen zog. Die Acteurs, insge-
sammt schwarze oder farbige Leute, gehörten in die Kategorie derer,
denen Ulpianus noch „levis notae maculam“ giebt. Der Hauptacteur, ein
Barbier, rührte seine Mitbürger aufs tiefste. Dass auch die Musik dabei
gleichsam noch chaotisch in ihren Urelementen herumsuchte, durfte uns
nicht befremden, da ausser der beliebten Guitarre zur Begleitung des Gesanges
I. Theil. 29