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Die Bo ra , ein kalter, sehr Heftiger Nordnordostwind, welcher,
besonders im Frühjahre, häufig aus den istrischen Gebirgen hervorbricht
und im nördlichen Theile des adriatischen Meeres wüthet, war plötzlich
auf die beiden Schiffe gefallen. Nur die Erscheinung einer sehr tiefhängenden,
schwarzen Wolke hatte den wachhabenden Officier unserer Fregatte
gewarnt, so dafs, ehe die fiirchtbare Windsbraut einfiel, kaum noch
Zeit übrig w a r, die Segel einzuziehen. Nach wenigen Minuten verschwand
uns die Augusta, welche bisher ganz nahe an der Austria segelte
aus dem Gesichte. Dichte Nebel umhüllten unser Schiff; ein kalter
mit Schlossen vermengter Regen, den der Sturmwind wüthend herabtrieb,
füllte das Verdeck mit faustgrossen Kieseln an, und machte die
Mannschaft fast erstarren. Das Schiff wurde gewaltig hin und hergeworfen,
Segelstangen und Tauwerk wurden zerbrochen und herabgerissen;
die heranstürmehden Wellen stürzten durch die Fenster ins Castell,
füllten den Schiffsraum zum Theil mit Wasser an, und endlich in der
heftigsten Wuth des Sturmes brach das Bogspriet fast an seinem Grunde.
Bis gegen Mittag tobte so der Orcan mit äusserster Heftigkeit; als hierauf
das Meer ruhiger ward, und der schneidend kalte Nordnordostwind von
einem milderen Ostwinde abgelöst wurde, liess man mitten im Meere,
etwa 3 Meilen westlich von Bovigno, die Anker fallen. In dieser Stellung
erwartete man dén andern Morgen, und arbeitete inzwischen aufs eifrigste
an der Wiederherstellung der Parapeten und des Tauwerkes, welches letztere
vorzüglich durch den Bruch des Bogspriets , an dem es gröstentheils befestigt
ist, locker geworden war. Die schöne Bibliothek des Herrn Baron
von Nevbu war von den Wogen, welche die Fenster der Hauptkajüte
durchbrochen hatten, gänzlich überschwemmt, und eben so hatte fast Jeder
der Reisenden durch diesen wüthenden Sturm einen Unfall erlitten; doch
gerettet, trösteten wir uns leichter über das eigene Ungemach, als über
die Ungewißheit, was aus unserer Begleiterin geworden sey. Allmählig
versammelte sich die Reisegesellschaft, welcher diese erste Prüfung sehr
hart gefallen war, auf dem Verdecke, wo der Anblick der plötzlichen
Zerstörung und der ermatteten, fast erfrornen Mannschaft den Eindruck
von der Größe der Gefahr, welcher wir glücklich entgangen waren,
vollendete.
Um 12 Uhr Morgens hellte sich der düstere Himmel etwas auf, und das
Schiff setzte sich langsam in Bewegung nach Süd-Ost. Mittags erblickten
wir die dürren Ufer Istriens , auf welche die eben aus den Wolken hervortretende
Sonne ein grelles Licht warf. In diesem Augenblicke konnte
es für uns keine angenehmere Erscheinung' geben, als die eines gleichsam
noch vaterländischen Bodens. Wir liefen an den kleinen, mit Oelbäumen
und Phillyreen bewachsenen Eilanden, die am Eingänge des Hafens von Pola
liegen, vorbei und landeten nahe an dem Städtchen. Noch an demselben
Abende verliefs die Reisegesellschaft das Schiff, um sich auf dem Lande
im Anblick der schönen Ueberreste römischer Kunst zu erholen. Die grösste
Zierde des verarmten, kaum tausend Einwohner zählenden Städtchens,
welches zur Zeit der Römer nächst Aegida (Capo d'lstria) der wichtigste
Ort Istriens- gewesen w a r, ist der Circus. Er hat drei Stockwerke,
jedes von zweiundsiebenzig Arkaden, und gehört unter die am besten erhaltenen
Denkmäler dieser A rt, was vorzüglich dem Baumateriale, einem festen feinkörnigen
Kalksteine, zu danken ist. Der Tempel, welchen die Stadt Pola
der Roma unter dem Caesar Augustus geweiht hatte, in einem einfachen
edlen Style, mit einem Propylaeum von korinthischer Ordnung, ist weniger
gut erhalten. Die Porta aurea, ein Triumphbogen mit korinthischer Säulenordnung,
dient jetzt als Stadtthor. (*) Die Venezianer hatten, nachdem
sie Pola, so wie viele andere Küstenstädte Istriens und Dalmatiens, von
der Herrschaft . der ungarischen Könige abgerissen, hier ein Castell mit
vier Bastionen erbaut, welches aber jetzt ebenfalls in Trümmern liegt. Von
ihm aus übersieht man den Hafen mit seinen grünenden Inseln, die Stadt
und das kolossale Amphitheater, welches sich zwischen anmuthigen Pflanzungen
von Oel- und Lorbeerbäumen erhebt.
Während man beschäftigt war, unsere Fregatte auszubessern, fanden
wir Musse, auf mehreren Wanderungen in der Nähe von Pola, die interessante
Halbinsel Istriens genauer kennen zu lernen. Die Gebirge, welche
sich in derselben als Kern von Norden nach Süden herabziehen, bestehen,
(*) Voyage pittoresque et historique de l’Istrie et Dalmatie, rédigée d’après l’itinéraire
de L, F. Cassas, par J oseph L avallee. Paris 1802. fol.