am Feuer oder in einer eigenen Hangmatte, und zeigt sich bald geschickt
genug, Insectenlarven und Früchte aus dem Walde zu holen. Sich selbst
so überlassen wachsen die Kinder heran 5 der Knabe folgt bald dem Vater auf
die Jagd, lernt mit Bogen und Pfeil umgehen, übt sich, Schnüre aus Palmblattfasern
( Tucum*) geschickt zu flechten, ahmt durch lockere Verschlingung
der Schnüre allerlei Thiere, schwimmende Fische, Schlangen nach, und unterhält
sich mit der Bodoque, einer Art Schleuder, woraus sie Thonkugeln
werfen, um kleine Vögel zu erlegen. Die Weiber beginnen frühzeitig, aber
verhältnissmässig wenig zu menstruiren. Die monatliche Periode stellt sich
meistens drei Tage lang regelmässig ein, und soll nicht bis in ein beträchtliches
Alter andauern. Die Jünglinge heurathen mit.fünfzehn bis achtzehn, die
Mädchen mit zehn bis zwölf Jahren. Die Heurath bildet keine besondere
Epoche in ihrem Leben, und die hiesigen Indianer, welche nicht, wie die am
Amazonenflusse, die Periode der Mannbarkeit der Jünglinge sowohl als der
Mädchen mit eigenen Festen bezeichnen, haben in ihrem Leben wenige
Abschnitte. Nur die Geburt und der Tod geben Veranlassung zu eigenen
Ceremonien. Ihre Feste werden ohne Rücksicht in jeder Jahreszeit gehalten,
die Veranlassung dazu wird besonders von dem Reifen der Früchte genommen.
Gar häufig verlassen daher mehrere Familien ihre bisherigen
Wohnungen und lassen sich da nieder, wo neue Früchte reifen, oder wo
es.^essere Jagd giebt. Nach einem glücklichen Feldzuge werden die Siege
in lärmenden Tänzen und Gesängen gefeiert, und die Coroados pflegen dabei
die erbeuteten Gliedmassen ihrer Feinde, der Paris, mit Pfeilen zu durchbohren
und bei der Vinhassa herumgehen zu lassen, um daran zu saugen.
Die Indianer sind wenig krank und erreichen gemeiniglich ein hohes
Alter, welches sich jedoch äusserst selten durch graue Haare verräth. Häufig
nehmen sie durch Gewaltthätigkeit oder Unglücksfalle ein Ende. Am gewöhnlichsten
kommen bei ihnen Augen - und innere Entzündungen, Leberkrankheiten,
Diarrhöen, Ruhr und kalte Fieber vor, die besonders durch ihre
Lebensart in feuchten nebligen Wäldern verursacht werden. Die Augenentzündungen
schreiben die Portugiesen dem Genüsse des Tapirs zu. Von Syphilis,
(*) Besonders von der Tucumdpalme (Astrocaryum vulgare M art.) und anderen Arten
derselben Gattung. Man vergl. Palm. bras. t. 58 — 64.
Blattern und Masern findet man hei Indianern, welche mit den Einwanderern
nicht umgehen, keine Spur5 unter sie gebracht, verbreiten sich aber diese
Uebel mit grosser Schnelligkeit und raffen sie leicht weg. Ihr wichtigstes
Heilmittel ist Ruhe und Diät. Von irgend einer Krankheit ergriffen, machen
sie zunächst der Hangmatte Feuer an, legen sich ruhig in dieselbe und
bringen so viele Tage lang fastend zu. Nimmt die Gefahr zu, so wird
der Paje herbeigerufen; er versucht Fumigationen, Einreibungen von gewissen
Kräutern, Reiben mit Speichel, Kneten, Anhauchen und Anspucken
der leidenden Theile. Schmerzen von Wunden ertragen sie mit einer unbeschreiblichen
Gefühllosigkeit, und wenn es nöthig ist, scheuen sie nicht, sich
beträchtliche Quantitäten Blutes abzulassen oder sich ein Glied abzuschneiden.
Sie kennen die Venäsection, und verrichten sie am Arme, indem sie ein
an der Spitze mit einem Krystallchen bewaffnetes Pfeilchen mittelst eines
kleinen Bogens auf die Ader abschiessen. (*) Scarificationen machen sie mit
einem scharfen Rohrsplitter, oder einem feingeschärften Kiesel.
Stirbt ein Indianer, so wird er in der Hütte begraben, welche hierauf,
wenn es ein Erwachsener war, verlassen und mit einer neuen vertauscht
wird. Der Leichnam wird in einer hockenden Stellung, entweder in einen
grossen Topf von Thon gesteckt, oder in Bast oder altes Baumwollenzeug
gewickelt, unmittelbar in die Erde gegraben, die sodann unter jämmerlichem
Geheule mit den Füssen stark eingestampft wird. Auf das Grab
legen sie eine Zeitlang die Waffen der Verstorbenen, auch Speisen, Wild-
pret, und pflegen die Todtenklage täglich zweimal zu wiederholen, wobei sie
sich die Haare kurz abschneiden, oder sehr lang wachsen lassen, die Wrei-
ber sich auch am ganzen Körper schwarz färben sollen. Noch lange nach
dem Hinscheiden feiern sie das Gedächtniss der Todten, wenn sie zufällig
an die Stelle kommen, wo sie begraben liegen, durch Klagegeheul. Bei
den Pu n s soll auch eine Art Leichenrede gehalten werden. Die Seele
des Abgeschiedenen ist nun nach ihrer Ansicht in einem angenehmen Walde
voll von Sapucajabäumen und Wildpret, wo es ihr in Gesellschaft aller Verstorbenen
sehr wohl geht. Welche Vorstellung die Indianer von der Natur der
(*) Dieselbe Art der Venaesection fand W afer bei den Indianern auf dem Isthmus von
Darien. Voy. de Dampier. p. 15 CR