zugeschrieben, und er bezahlt dann sein Amt mit dem Leben. Uebrigens
hat der Paje eben so wenig Einfluss auf den Willen der Menge, als irgend
ein Anderer, denn sie sind sich alle gleich, und leben ausser allem gesellschaftlichen
Verbände, weder in republicanischer noch in patriarchalischer
Verfassung. Selbst das Familienverhältniss ist unter ihnen sehr lose; nur
selten nimmt sich der Aelteste seiner Abkömmlinge an, und schlichtet ihre
Streitigkeiten- und Raufereien. Zwischen Aelteren und Jüngeren herrscht
keine Rangordnung, denn das Alter scheint bei ihnen keine Wurde zu
geben. Oft sahen wir Kinder und Jünglinge vor den Aeltern sich die
grössten Unanständigkeiten erlauben, noch ehe die Aeltern von den Speisen
genommen hatten, von denselben nehmen, den besten Platz an der Feuerstelle
besetzen, vorlaut entscheiden, sich zanken u. s. w ., ohne dass es
Jemanden von ihnen aufgefallen wäre. Der Einfluss der Portugiesen hat
unter ihnen die Klügsten hervorgehoben, welche sich geschmeichelt fühlen,
Capitäo genannt zu werden, und eine gewisse Suprematie über die
Anderen ausüben. Wenn sie Krieg führen, ist der beste Jäger, welcher am
meisten Feinde oder Onzen u. s. w. erlegt hat, und am meisten Schlauheit
besitzt, ihr Anführer. Zu Hause wird sein Befehl nicht gehört,
oder der Einzelne folgt ihm da, wo es ihm gefällt, und weil jener sich die
Mühe nimmt für ihn zu denken, oder etwas Vortheilhaftes, wie z. B. einen
ergiebigeren Jagdplatz, einen Austausch von Waaren mit den Weissen zur
Sprache bringt. In seinem Hause schaltet Jeder nach Gefallen; oft leben
mehrere Familien in einer Hütte r und dennoch ganz getrennt und unabhängig
von einander. Sie achten ihr Besitzthum gegenseitig, haben, was Speise und
Getränk angeht, grösstentheils gemeinsames Gut, und kommen deshalb selten
mit einander in Streit, häufiger dagegen aus Eifersucht, wo dann die behelligten
Partheien mit einander raufen, ohne dass die Uebrigen Theil nehmen, meistens
aber die arme, sclavische Frau ihre Schuld schwer büssen muss.
Die Indianer leben in einer regellosen Mono- oder Polygamie. Jeder
nimmt so viele Weiber, als er Lust hat, ernähren kann und will, und schickt
sie wieder weg, sobald es ihm beliebt, welche sich dann einen neuen Mann
suchen; doch ist es häufig, dass der Mann nur eine Frau nach der andern hat.
Ihre Ehen werden frühzeitig geschlossen, und sind nicht sehr fruchtbar; wir
begegneten Müttern von zwanzig Jahren, welche schon v i e r Kinder hatten;
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selten aber säten wir mehr als vier Kinder in einer Familie. Ihre Ehen werden
ohne alle Feierlichkeiten geschlossen, die einzige Ceremonie ist die
Ueberreichung von Wildpret oder Früchten, welche der Bewerber den Aeltern
seiner Braut bringt, wodurch er sich stillschweigend anheischig macht,
die Frau durch Jagd zu ernähren. Zwischen Vätern und Töchtern, Brüdern
und Schwestern haben wir nie ein zweideutiges Verhältniss bemerkt; gewisse
Stämme derdndianer sind aber dem Laster der Sodomiterei ergeben. Während
der Mann sich bloss mit Jagd, Krieg und der Bereitung seiner Waffen
beschäftigt, liegt den Weibern alle Sorge für das Hauswesen ob. Sie pflanzen
und erndten, wenn diese Art von Cultur bei ihnen schon eingefuhrt ist; sie
suchen Bataten und Früchte im Walde für die Haushaltung, und besorgen den
nöthigen Hausrath an irdenen Geschirren und an Flechtarbeit. Die Weiber sind
im Allgemeinen die Sclavinnen des Mannes, und müssen sich bei dem nomadischen
Umherziehen mit allem Nöthigen wie Lastthiere bepacken, ja selbst das
von den Männern erlegte Wild aus dem Walde abholen. Sobald sich das Weib
sichtbar in anderen Umständen befindet oder geboren hat, zieht sich der Mann
zurück. Die Diät wird noch vor der Geburt genau regulirt; Mann und Frau
enthalten sich eine Zeit lang des Fleisches gewisser Thiere, und, leben vorzüglich
von Fischen und Früchten. Sobald der Moment der Geburt eintreten
will, begiebt sich die Frau in den Wald, und gebiert hier, vor dem Mondlicht
verborgen, meistens allein ohne alle Beihülfe; der Nabelstrang wird abgerissen
oder mit den Zähnen abgebissen. Die Wöchnerin geht nach der Geburt
sogleich in den Bach, wäscht sich und das Kind, und besorgt darauf wie vorher
ihre häuslichen Geschäfte. (*) Kind und Mutter werden nach einiger Zeit
durch den Mund des Paje mit einer Art Taback (Petum) angeräuchert, wobei
oft die Nachbarn zur Vinhassa und zu tumultuarischen Tänzen versammelt sind.
Die Säuglinge werden besonders gegen den Mond, der Krankheiten verursachen
soll, geschützt. Oft bis in das fünfte Jahr giebt die Mutter die Brust; übrigens
wächst das Kind, vom Vater gar nicht, von der Mutter instinctartig geliebt,
jedoch wenig gepflegt auf. So lange es noch nicht laufen kann, wird es von der
Mutter auf dem Rücken herumgeschleppt, und schläft zwischen den Aeltern
in der Hangmatte; später geht es seine eigenen Wege', ruht in der Asche
(*) Die Sitte, dass die Männer nach der Gebart des Kindes statt der Wöchnerin die
Wochen halten, ruhig im Netze liegen bleiben u.s. w., findet man hier nicht.
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