durch das letzte Dickicht hindurch gearbeitet, so gelangt man auf die grüne
Kuppe des Berges, auf welcher einzelne Gesträuche und zwischen denselben
eine prächtige baumartig^ Lilienform (*), eine den höher liegenden Campos
von IMinas entsprechende Vegetation darstellen. Ueber die Urwälder,
Hügel, Thäler und die Stadt hinwegschauend geniesst man von hier aus einer
herrlichen Aussicht auf das Meer, dessen Spiegelfläche sich im Nebel des
Horizontes verliert. Gegen Süden hin ist der Berg abgerissen und das
Auge verliert sich in einen steilen Abgrund, den die blaue Bucht von
Bota-Fogo umsäumt; weiterhin begrenzen die kühn aufgethürmten Felsenmassen
des Zuckerhutes den Gesichtskreis. In dieser Höhe, von etwa
zweitausend Fuss, ist der Unterschied der Temperatur schon so merklich,
dass man sich in eine kältere Zone versetzt glaubt. Mehrere auf dem
Rücken des Berges entspringende Quellen zeigen stets einige Grade weniger
Wärme, als das im Aquaeduct hinabgeleitete Wasser, und kaum hat sich die
Sonne zum Untergange geneigt, so ist schon der Scheitel, des Berges mit Wolken
umgeben, welche längs dem Gebirgszuge allmälig ins Thal niedersinken.
Den Gipfel dieses hohen Gebirges bestiegen wir nur einmal; um so öfter
wiederholten wir aber die Ausflüge nach dem Aquaeduct, dessen Umgebung
die reichste Ausbeute an Thieren und Pflanzen gewährt. Besonders angelegen
war es uns, da sich in der heissen Zone alles Lebende nach dem Wasser
hindrängt, die Quelle Caryoca weiter zu verfolgen. Bei dieser Gelegenheit
geriethen wir auf eine einsame Kaffeplantage, damals, wie wir später erfuhren,
Eigenthum des englischen Consuls Hrn. Chamberlain , der sich auch
mit Entomologie beschäftiget und eine reiche Sammlung von Insecten der
Umgegend besitzt. Man hatte eben, als wir hier ankamen, eine schöne
carmoisinrothe, mit schwarzen und kleinen weisen Querbinden gezierte
Schlange (Colub. venustissimus Neuw.~) , die man aus Vorurtheil für giftig
hält, auf dem Felde ausgegraben. Auch fanden wir in dieser feuchten
Gegend einenSeps {Caryocanusnob^), die Insecten: Cychrus Amica nob.,
Prionus hieroglyphicus nob. , Biglobulas rugosus nob. , Baprestis
quatuornotata nob. , Imatidium cornutum nob. und mehrere sonderbare
(*) Vellosia candida Mik. Delect. flor. et faun. bras. t 7.
nackte Schnecken. Von diesem ländlichen Wohnsitze, der hart am Abhange
des Berges liegt, hat man eine andere grossartige Fernsicht auf die Bai und
ihre schön grünenden Inseln. Die Kaffebäume waren hier an den Seitenwänden
eines engen Thaies gepflanzt, deren Gipfel die brasilianische Fichte
(Araucaria imbricata) mit ihren grotesken, dunklen, gleich Candelabern
ausgebreiteten Aesten krönte. In den umliegenden Gebirgswäldern, und, wie
man uns versicherte, selbst in der Nähe jener Kaffepflanzung, soll eine Art
von China wachsen, die seit mehreren Jahren unter dem Namen der Oaina
doBio {Coutarea speciosa A. ?) ausgeführt wird, und deren Wirksamkeit
in Wechselfiebem durch Versuche der praktischen Aerzte in Portugal
erwiesen worden ist. (* (*) ■ Allerdings widerstehen manche, besonders aber
die Quotidian-Fieber, hartnäckig dieser Rinde, welche bei weitem weniger
wirksame Bestandteile hat, als die meisten peruvianischen; doch ist sie
mehreren andern Sorten, die mit den bessern vermengt aus Peru nach Spanien
kommen, vorzuziehen. Vielleicht würde die Kraft dieses Mittels noch
gewinnen, wenn man vorzugsweise die Rinde junger Bäume benützte, was
bis jetzt nicht der Fall w a r, da die unkundigen Sammler alte, sehr dicke
und verholzte Stücke, welche ohne Mühe abzuschälen sind, den feineren
der jungen Bäume und Aeste vorzogen. Eine andere, sehr vielen Bitterstoff
enthaltende Pflanze, welche zwar nicht hier, aber auf dem hohen Gebirge
Serra de Estrella vorkommt, ist die Carqueja {Baccharis genistelloides
Lam.) Sie wird von den Brasilianern sehr oft gegen Wechselfieber angewendet,
und scheint in ihren Bestandteilen die grösste Aehnlichkeit mit
dem in Nordamerica häufigen Eupatorium perfoliatum zu haben.
Von den reinbitteren Arzneikörpern unterscheidet sie sich durch die beträchtliche
Menge harziger und aromatischer Stoffe in ihrer Mischung.
Einen nicht minder interessanten Ausflug pflegten wir nach Tijuca,
einen ehemals von den Einwohnern häufig besuchten Ort , der eine Meile
von der Stadt entfernt liegt, zu machen. Der Weg fuhrt auf der grossen
Strasse an dem königlichen Lustschlosse von S. Cristoväo vorbei,
(*) Jornal de Coimbra Nro. 35. part. I. p. 235.' and Nro. 38. part. I. p. 92..
(**) Bigelow American medical botany. Boston 1818. Vol. I. p. 33.