kam, dass wir es anrufen konnten. Auf einen Canonenschuss und die Absteckung
unserer Flagge eilte es herbei, und ertheilte die befriedigende Auskunft
, dass der zu Pernambuco stattgefundene Aufstand, von welchem wir
in Gibraltar gehört hatten, sogleich gedämpft und die politische Ruhe und
Ordnung im übrigen Königreiche gar nicht gestört worden sey. Es gab
uns seine Entfernung vom Continente auf zwei Tagreisen vom Cabo fr io
an, und verlor sich darauf, etwas mehr nach Westen gegen die Küste
steuernd, bald aus unserm Gesichtskreise. Die astronomischen Bestimmungen
, welche nur zwanzig und einige Seemeilen von den Resultaten des
Logbuches verschieden waren, setzten uns, übereinstimmend mit der Aussage
dieses Schiffes, am 12. Julius Mittags in 21°, 44' s. B. und in 40°, 45'
w. L. von Paris. Am Abend des 13. Julius verkündete der Commandant,
dass wir am andern Morgen Cabo fr io erblicken würden. Mit welcher
Sehnsucht sahen wir dem Moment entgegen, wo uns, nach einer Reise von
zwei und vierzig Tagen, wieder der Anblick eines Continentes zu Theil
werden sollte! Auf das genaueste bestätigte sich die Aussage des Capitains,
und am Morgen des 14. Julius erschien im Westen, gleichsam im Nebel
schwimmend, eine lang gestreckte Gebirgskette. Allmälig zertheilten sich die
täuschenden Wolken und w ir erkannten in grauer Ferne deutlicher das waldige
Gebirge von Cabo fr io , welches zuerst von den Wachen auf dem Mastkorbe
und dann von der ganzen Schiffsgesellschaft mit Jubel begrüsst wurde.
Der Tag war entzückend klar und helle, und ein günstiger Wind
trieb uns an dem hohen Cap vorüber; alsbald öffnete sich unserm Blicke,
obgleich noch entfernt, der herrliche Eingang der Bai von Rio de Janeiro.
Rechts und links erheben sich, gleich Pforten des Hafens, steile
Felsenberge, von den Wellen des Meeres bespült; der südliche derselben,
Päo Jagucar, in Form eines Zuckerhutes emporragend, ist das bekannte
Wahrzeichen für ferne Schiffe. Nach Mittag gelangten w ir, immer mehr
der zauberhaften Perspective uns nähernd, bis zu jenen colossalen Felsenthoren,
und endlich durch sie hindurch in ein grosses Amphitheater, aus
welchem der Spiegel des Meeres wie ein friedlicher Landsee hervorglänzte,
und labyrinthisch zerstreute, duftende Inseln, im Hintergründe durch
einen waldigen Gebirgszug begrenzt, wie ein paradisischer Garten voll
Ueppigkeit und Majestät, emporgrünten. Von dem Forte de S. Cruz aus,
durch welches der Stadt ^ unsere Ankunft signalisirt wurde, brachten uns
einige Seeofficiere die Erlaubniss weiter zu segeln (Pratica). Bis dieses
Geschäft beendigt war, weideten sich die Augen Aller an einer Gegend,
deren Lieblichkeit, bunte Mannichfaltigkeit und Pracht alle Naturschönheiten
weit überlraf, welche wir noch je gesehen hatten. Von der dunkelblauen
See erheben sich die Ufer im hellen Sonnenglanze, und aus ihrem lebendigen
Grün blinken zahlreiche weisse Häuser, Capellen, Kirchen und Forts hervor.
Hinter ihnen thürmen sich kühn, in grossartigen Formen Felsenkuppen
auf, deren Seitenabhänge in aller Ueppigkeit und Fülle eines tropischen
Waldes prangen. Ein ambrosischer Duft verbreitet sich von diesen köstlichen
Waldungen, und entzückt fährt der fremde Schiffer an den vielen,
mit herrlichen Palmenwäldern bedeckten Inseln vorüber. So wechselten
stets neue, anmuthige und erhabene Scenen vor unseren erstaunten
Blicken, bis endlich die Hauptstadt des jungen Königreiches, von der
Abendsonne festlich beleuchtet, vor uns ausgebreitet lag, und wir, an
der kleinen Insel das Cobras vorbei, ganz in ihre Nähe gelangt, Abends
fünf Uhr die Anker fallen Hessen. Ein unbeschreibliches Gefühl bemächtigte
sich unserer Aller in dem Momente, da der Anker auf den Grund eines
andern Continentes hinabrauschte, und der Donner der Canonen mit
einfallender Kriegsmusik das ersehnte Ziel der glücklich vollendeten Seereise
begrüssend verkündete.
Anmerkungen zum eierten Kapitel.
(l) Die Orseilleflechte wurde zuerst aus den Inseln des Archipelagus nach Venedig, Genua,
Frankreich und England zum Gebrauche der Färbereien ausgeführt. In den ersten Decennien
des vorigen Jahrhunderts bemerkte man ihr Vorkommen auf den canarischen Inseln, wo sie
bald zum Regale der spanischen Krone erhoben wurde. Hiedurch aufmerksam gemacht,
sammelten sie die Portugiesen auf den Inseln des grünen Vorgebirgs, auf Madeira, Porto santo
und den Azoren ganz frei. Die Jesuiten verlangten vom Könige J ohann V. im Jahre 1 7 3 0 das
Privilegium für die Einsammlung der sogenannten Hervinha secca; die Krone überrlahm
aber diesen Vortheil selbst,, und verpachtete die Einsammlung als Regale. Später wurde die
Flechte der Handelscompagnie von Gram Para und Maranhdo als Handelszweig übergeben, und
endlich nahm im Jahre 17Q0 die Regierung diesen Theil der Industrie von neuem unter ihre
Aufsicht, da er, unter der schlechten Leitung der Compagnie, sehr zurückgekommen war.