Fremde seyen, schlichen sie zerstreut um das Haus her und schauten ganz
verstohlen hinein, um zu sehen, was hier vorging. Der Stamm dieser
Coropös zählt zur Zeit kaum dreihundert Individuen, welche in vielen
kleinen Wohnorten {Aldeas) die Ufer des Rio da Pomba inne haben.
Sie sind mit den Portugiesen, welche seit 17Ö7 als Herren von ihnen anerkannt
werden, in gutem Vernehmen, und zeigen unter den Indianern von
Minas Geraes die meiste Bildung. Diejenigen, welcher wir hier ansichtig
wurden, waren insgesammt von mittelmässiger Statur, breiten Schultern
und Kinnbacken, sehr mager, besonders an den Waden, und von sehr
unangenehmer mongolischer Physiognomie. Sie gingen fast ganz nackt;
einige Weiber banden, als sie uns erblickten, kurze Schürzen von Kattun
vor, welche sie, in Palmblätter eingewickelt, bei sich geführt hatten. Ihre
Sprache zu erforschen war uns, trotz aller Bemühung, sowohl wegen ihrer
unüberwindlichen Scheu vor uns als wegen des Mangels eines geübten
Dollmetschers unmöglich. Unter den wenigen Worten, welche wir ihnen
entlockten, fiel uns „Handü“ (Handtuch!) auf, womit sie ein Schnupftuch
bezeichneten, und „Ja“, womit sie, wie im Deutschen, bejahten. Nachdem
diese Horde ihre Ipecacuanha abgesetzt hatte, und von den Leuten
des Meierhofes abgefüttert war, zog sie am Abend nach dem Walde zurück.
Die nächsten Hütten der Coroados (Aldea do Cipriano) liegen nur
einige hundert Schritte von Guidowald entfernt. Wir besuchten sie am
Abende, und fanden die aus Palmblättern bestehenden zeltenförmigen
Hütten ganz menschenleer und kaum noch hie und da einen Alten. * Ihre
Bewohner hatten sich aus Furcht, dass wir gekommen wären, um sie
als Soldaten wegzuführen, über den Rio Xipotö zu den Nachbarn in
die Wälder geflüchtet. Erst nachdem sie sich von der Friedfertigkeit unserer
Absichten durch ausgeschickte Spione überzeugt hatten, kamen sie
nach und nach wieder herbei. Ein junger Coroado, den Cap. Marlier in
sein Haus genommen und etwas gebildet hatte, gewann uns vorzüglich
das Zutrauen dieser Natursöhne, und allmälig sahen wir uns von einer
grossen Menge derselben umgeben, welche sich mit und ohne Waffen in
Guidowald versammelten. Durch mehrere kleine Geschenke', unter denen
gemalte Soldaten von Blei den grössten Eindruck machten, versicherten
wir uns ihrer Zuneigung, und unser Soldat erhielt auf sein Versprechen,
sie mit Mandiocca, Mais und Branntwein zu bewirthen, die Zusage, dass
sie an dem folgenden Tage in grosser Anzahl erscheinen würden, um vor
uns einen festlichen Tanz aufzuführen. Mit Einbruch der Nacht schlichen sie
sich leise davon. Ein Theil derselben schlief in der Scheune, ein anderer
in den benachbarten Hütten, von wo aus er früh morgens sich wieder
einstellte, um die Vorbereitungen zum Feste zu treffen. Diese bestehen
namentlich in der Bereitung eines berauschenden Getränkes {^Eivir, Viru,
Vinhassa der Portugiesen) aus einem Absude von Mais. Wir verfügten
uns scheinbar zufällig an den gewählten Versammlungsort, um Zeuge der
Bereitungart dieses Getränkes zu seyn, und fanden daselbst mehrere Weiber
beschäftigt: einige stampften die Körner in einem ausgehöhlten Baumstamme,
andere brachten das Maismehl in ein thönernes, mehrere Fuss hohes, nach
unten schmales, nach oben breites, ungebranntes Gefass, worin es mit
einer grossen Menge Wassers gekocht wurde. Bei unserer Erscheinung
flohen sie, kehrten aber, als wir freundlich scherzende Minen zeigten, zu
ihrem Geschäfte zurück. Eine alte und mehrere junge Indianerinnen nahmen
mit den Händen das grob geschrotene und abgekochte Mehl aus dem Topfe,
kauten es, und brachten es darauf wieder in den Topf zurück. Durch diese
Zubereitung wird bewirkt, dass der Absud binnen vier und zwanzig Stunden
in eine geistige Gährung übergeht, und berauschend wird. (*)
Während wir dieser so wenig einladenden Vorbereitung zusahen,
bemerkte Einer von uns eine kleine Schlange aus dem Boden kriechen,
welche man hier zu Lande wegen des dicken Schwanzes zweiköpfige, Cobra
de duas cabegas (Caecilia annulata nob.**'), nennt. Die Indianer fürchteten
sie als giftig, und flohen entsetzt vor dem Naturforscher, der sie am
(*) Es ist merkwürdig, dass diese Bereitungsart eines gegohrenen Getränkes aus Mais,
Mandioccamehl oder Bananen hei den verschiedensten Indianerstämmen von America angetroffen
w ird , und gleichsam dieser Raye e ig en tüm lich scheint. W afek hat sie bei den Indianern
auf dem Isthmus von Darien gefunden. (Voy. de Dampier. Amst. 1706. p. 228.) Sie nennen dort
das Getränke Chichach- Capah, in Potosi, wo es der Bened. Mönch G.Ruiz von Augsburg, nach
den handschriftlichen Berichten an sein Kloster, ebenfalls fand s Chicha. Auch in Cayenne, Surinam
und an dem Amazonenstrome herrscht dieselbe Sitte. (**) Srix Serpent,bras. Tab. XXVI. Fig. l.
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