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jedoch diese Gegenden durch ihre Fruchtbarkeit, und es ist zu erwarten, dass^
hier die Minen vom Ackerbaue noch ganz verdrängt werden. Der türkische
Weizen trägt in dem ersten Jahre vierhundertfältig; eine Erndte von zweihundert
ist schon mittelmässig, von einhundert schlecht. Allmälig beschränkte
sich die Aussicht immer mehr; wir zogen an dicht bewachsenen, schaudervoll
tiefen Abgründen hin, und sahen uns aus lichten Feldern auf einmal wieder in
eine düstere Waldnacht versetzt. Dichte Lianengewinde, weit verbreitete, in
allen Farben prangende Blumengehänge verbinden die riesenhaften Bäume,
zwischen denen sich geschuppte Farnstämme erheben, zu majestätischen,
gründunkelnden, kühlen Gängen, die der Wanderer in still feierlicher Stimmung
durchzieht, bisweilen nur durch das kreischende Geschrei der Papageien,
das Hämmern der Spechte oder das krächzende Heulen der Affen gestört.
Ausser einigen längs der Strasse geführten Wassergräben, die Spülwasser
in Lavras leiten, erinnert in dieser Einsamkeit nichts an die Nähe arbeitsamer
Menschen. W ir genossen mit Wohlbehagen der schattenreichen Kühle
•der Urwaldung, welche uns eine Menge, nun nach einem längeren Aufenthalte
in den Campos doppelt angenehmer, Naturschätze darbot. Nach einem
Wege von zwei Legoas stiegen wir endlich in ein üppiges Thal hinab, das
der Rio Mainarde, Tributär des Rio Doce, durchströmt. Dieser Fluss war
so sehr angeschwollen, dass er die baufällige, wankende Brücke hinwegzuführen
drohte, und wir uns glücklich schätzen durften, das andere Ufer erreicht
zu haben, wo wir eine gute Herberge in der einsamen, dem Padre
M anoel gehörigen Venda fanden. Auf. der westlichen Seite ist das Thal
steil begrenzt, auf der östlichen erheben sich felsige, mit Farnkräutern
und bunten Blumen geschniückte Hügel, über welche uns ein Fusspfad zu
einer Goldwäscherei führte. Man hatte den goldhaltigen Letten in Haufen
aufgeworfen, und mehrere Neger waren mit dem Ausschlemmen desselben
beschäftigt. Das Goldwäschen ist in Minas so sehr zur Gewohnheit geworden,
dass selbst die vorurteilsfreiesten Gutsbesitzer wenigstens einige
Sclaven damit beschäftigen zu müssen glauben. Man schlägt den Wochenlohn
eines Arbeiters auf sechshundert Reis an.
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Des andern Tages führte der Weg über eine bergige Gegend, an
tiefen, mit Gesträuchen und Farnkräutern wild bewachsenen oder von
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dichter Waldung beschatteten Gebirgsschluchten vorbei, bis wir endlich in
das einsame Thal und zu den Fazendas von Oiro fin o und zunächst zu jenen
dos Cristaes und des Coronel T exeira hinabkamen. Häufige, längs dem
Wege fortgeführte Wassergräben, ausgehöhlte Abhänge und aufgeworfene
Haufen von Gerollen und Letten zeugten von dem Eifer, womit hier nach
Gold gewaschen wird. Die grössten Anlagen hat ein Geistlicher gemacht,
welcher nebst dem ausgegrabenen Letten auch das Gerolle des Baches aus-
waschen lässt. In letzterem bemerkten wir nebst Quarz und Glimmerschiefer
auch Hornblendegestein und Gneiss. Die Nacht brachten wir im
Hause eines andern Geistlichen hin, an welchen wir Briefe hatten. Unser
jugendliche Wirth, den wir, umgeben von vielen halbweissen Weibern
und Kindern, antrafen, und dessen Bibliothek auf Ovidius de arte amandi
beschränkt war, schien ein würdiges Gegenstück zu jenem Eremiten im
Decamerone! Das Wetter ward am nächsten Tage trübe, und wir eilten,
an einigen stattlichen Meierhöfen auf den Anhöhen, zwischen welchen sich der
Ribeiräo do Bacalhao schlängelt, vorbei. Grosse, mit violetten Blüthen überschüttete
Rhexienbäume f Quarg s zieren den Hügel, von welchem wir
gegen Abend in das Dorf 5. Anna dos Ferros, gewöhnlich Barra do
Bacalhao genannt, herabstiegen. Hier vereinigen sich der Rib. do Bacalhao
und gleich darauf der Rio Turbo mit dem Rio P iranga, welcher nach N. O.
fortläuft, und sich mit dem Ribeiräo do Carmo verbindet, worauf beide den
Namen des Rio Doce annehmen. Das Dörfchen besteht aus wenigen, gröss-
tentheils von Mulatten und Schwarzen bewohnten Häusern. Selbst in diesem
entlegenen Orte sieht man noch Smtren europäischer Lebensart und Cultur;
die Venda war nicht bloss mit einigeh der nöthigsten Lebensmitteln, Speck,
Zucker, Branntwein, Maismehl, sondern auch mit Kattun, Spitzen, Eisen-
waaren und ähnlichen Artikeln versehen. Am Abend brachte der Capitän des
Ortes, ein Portugiese, als besonderes Zeichen der Aufmerksamkeit, frisches
Brod, das er uns aus Weizenmehl hatte backen lassen. Man wäscht aus dem
Rio Piranga ein so feines Gold, dass es oft ein auf dem Wasser schwimmendes
Häutchen bildet, und deshalb füglich nur durch Amalgamation abgeschieden
werden kann. Bei dieser Operation setzt man hier zu Lande das
Amalgam in einem offenen Tiegel dem Feuer aus, und fängt das verflüchtigte
Quecksilber in einem tutenförmig zusammengefalteten Pisangblatte auf.